"Wir müssen Leuchttürme setzen"

TV-Serien: "Wir müssen Leuchttürme setzen"

Elke Walthelm, Programmchefin von Sky Deutschland, über den Konkurrenzkampf auf dem Serienmarkt und die Kunst, sich abzugrenzen.

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profil: Ich bin Binge-Serienseherin, das heißt, ich schaue mir Serien oft am Stück in einer Nacht an. Mögen Sie diese Art von Konsumenten? Walthelm: Ja, ansonsten würden wir Serien wie "Der Pass" und "Das Boot" nicht ab dem ersten Tag als Boxset anbieten. Die Zahl der Kunden, die Serien auf diese Art nutzen, steigt immer weiter an. Aber natürlich haben wir auch sehr viele Kunden, die linear konsumieren, also zum Beispiel am Freitagabend zu einer gewissen Zeit einschalten, um nur eine Folge zu sehen.

profil: Das ist wahrscheinlich eine Generationenfrage. Kein junger Mensch sieht heute mehr auf diese Art fern. Walthelm: Das gilt nicht unbedingt nur für junge Menschen. Meine Mutter ist 77 und nutzt nahezu ausschließlich Mediatheken, obwohl sie kein Serienfreak im klassischen Sinn ist. Es gibt aber auch Menschen, die es schätzen, wenn die Programme kuratiert werden.

profil: Die Angebotsvielfalt von Streaming-Anbietern wie Netflix, Amazon oder Sky überfordert manche Konsumenten. Branchenblätter wie "Variety" sprechen bereits von einem drohenden Ende des Serienbooms, weil die Qualität nicht mit der Masse Schritt halten kann. Walthelm: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir bei Sky setzen nicht auf Volumen, sondern auf Qualität. Aber natürlich hat jeder Mensch nur beschränkt Zeit für Unterhaltung zur Verfügung. Und um diese Zeit müssen wir konkurrieren. Dabei gehen wir neue Wege, wie mit Sky Q. Über diesen Service haben Kunden sowohl Zugriff auf die Sky-Inhalte -linear und on demand - als auch auf Content von Partnern wie Netflix, DAZN oder Spotify.

profil: Aber wie grenzt man sich in diesem Schlachtgetümmel um Abonnenten ab? Walthelm: Wir müssen Leuchttürme setzen, die folgende Kriterien erfüllen: Wir produzieren nur solche Stoffe, die wir nicht einkaufen können. Wir setzen auf die Tiefe der Figuren; das ist fast wichtiger als der Plot. Uns ist ein starker lokaler Bezug wichtig -wie im "Pass" die Alpen in all ihrer Bedrohlichkeit. Und jede Serie muss unbedingt auf Kinoniveau erzählt werden und, wie das auf Neudeutsch heißt, "cinematic value" haben. Das darf also nicht wie bei den üblichen Vorabendserien im Free-TV ausschauen.

profil: In "Der Pass" ist die Grundkonstellation des Ermittlerduos stark an die dänisch-schwedische Serie "Die Brücke" angelehnt. "8 Tage" handelt davon, dass Deutschland binnen einer Woche von einem Asteroiden plattgemacht wird. Ist dieses Szenario nicht bereits im Hollywood- Actionkino x-fach abgehandelt worden -von "Indepedence Day" bis "Armageddon"? Walthelm: Der "Pass" erzählt eine völlig andere Geschichte mit einem herausragenden Cast und psychologisch sehr tiefen Figuren. Bei "8 Tage" werden Sie keinen Weltraum sehen und niemanden, der auszieht, um die Welt zu retten. Es geht um eine Berliner Familie und ihr nächstes Umfeld, im Wissen, dass demnächst alles vorbei ist. Wie verhalten sich Menschen, wenn sie Dinge tun können, die angesichts des nahenden Endes ohne langfristige Konsequenzen bleiben? Natürlich ist es auch eine Story von hoher Zeitgeist-Relevanz. Die aktuelle Flüchtlingsthematik wird umgedreht: Was passiert, wenn wir aus Europa flüchten und uns in Zügen Richtung Russland verstecken müssen?

profil: Bei Sky fällt das begleitende PR-Gedonner immer extrem bombastisch aus. Walthelm: Wir müssen einfach angesichts der Konkurrenzsituation sichergehen, dass der Kunde das, was ihm gefällt, auch tatsächlich findet. Das ist extrem wichtig, und es ist uns bei den von ihnen genannten Produktionen sehr gut gelungen.

profil: Die mit der ARD koproduzierte Serie "Babylon Berlin" gilt mit 40 Millionen Produktionsbudget für die ersten beiden Staffeln als die teuerste Serie, die je in Deutschland gedreht wurde. Wären Köpfe gerollt, wenn sie ein Flop geworden wäre? Walthelm: Natürlich war das damals eine mutige Entscheidung; mit der Entwicklung von "Babylon Berlin" wurde ja schon 2013 begonnen. Sky hatte damals vor allem den Fokus auf Fußball. Aber uns war sehr schnell klar, dass dies der richtige Weg ist. Auch bei "Das Boot" stand von Anfang an fest, dass wir kein Remake machen wollten.

profil: Wie beurteilen Sie die Zukunft von linearem, frei empfangbarem Fernsehen im Lichte des Serienbooms? Walthelm: Anhand der aktuellen Dynamik bei deutschen Privatsendern kann man ganz deutlich sehen: Hier arbeitet man daran, sich neu zu erfinden. Ich glaube trotzdem, dass es auch weiterhin einen Markt für lineares Free TV geben wird.

profil: Konsumieren Sie Serien privat auch im Binge-Modus? Walthelm: Ja, natürlich. Kürzlich habe ich mir mit meinem Partner an einem Sonntag bis ein Uhr früh den "Pass" noch einmal am Stück angesehen. Obwohl ich ohnehin schon jede Szene auswendig kenne, hat es großen Spaß gemacht.

profil: Und welche Serie von der Konkurrenz hat Sie zuletzt beeindruckt? Walthelm: Die BBC-Produktion "Bodyguard".

Lesen Sie in profil 8/2019: Der Pay-TV-Sender Sky folgt dem Beispiel von Netflix und Amazon und setzt vermehrt auf hochglanzpolierte Eigenproduktionen. Der Konkurrenzkampf wird immer härter. Hat der Serienboom seinen Zenit bald überschritten?

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort