So schmeckt’s bei Sepp Schellhorn im „Bierführer“
Goldegg im Pongau. Das Schloss Goldegg thront über dem ruhig daliegenden Goldegger See. Ein Idyll. Deutlich weniger sanft fällt der öffentliche Auftritt des ortsansässigen Gastronomen aus: Sepp Schellhorn ist den meisten wohl als Neos-Politiker bekannt, seit März 2025 fungiert der Koch und Hotelier als Staatssekretär für Deregulierung im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Online reüssiert er als redseliger Küchenchef im Social-Media-Format „Sepp, was machst du?“. 2021 hat er, in unmittelbarer Nachbarschaft seines „Seehofs“, das Goldegger „Gasthaus zum Bierführer“ übernommen. Nun muss er das Wirtshaus – und seine zahlreichen anderen Gastronomie-Betriebe – abgeben. Denn für Minister und Staatssekretäre gilt ein Berufsverbot. Laut einer Sprecherin von Schellhorn ist er inzwischen, Stand 17. März 2025, nicht mehr der Eigentümer, die Änderung sollte demnächst im Firmenbuch aufscheinen. Als profil den „Bierführer“ Ende März besuchte, war Schellhorn noch ganz offiziell der Herr des Hauses.
Den „Bierführer“ selbst gibt es schon wesentlich länger als Sepp Schellhorn – 1809 wurde das Haus bereits eröffnet. Ganz so wie damals sieht es im Inneren des „Bierführers“ heutzutage zwar nicht mehr aus – immerhin gibt es schon elektrisches Licht –, aber es ist schon ein sehr authentischer, uriger Dorfwirt. Wie schwer es sein muss, in so einem kleinen Ort (Goldegg hat knapp 2700 Einwohner) ein Wirtshaus dieser Größe zu führen, wird ebenfalls, leider, deutlich. Insgesamt haben 120 Gäste im „Bierführer“ Platz, im Festsaal gar 350, dazu kommt, dass der Chef wirklich alles andere als unbekannt ist. Trotzdem sind an einem Donnerstagmittag nur zwei Tische besetzt. Das ist ein Drama – und es kann weder am Essen noch am Service liegen.
Wie Sepp Schellhorn „a richtiges Spiegelei“ zubereitet, können Interessierte auf Instagram erfahren. Nie zu heiß darf die reichlich verwendete Butter sein. Und es braucht Zeit. Mindestens fünf Minuten. Ob diese Anleitung für das Spiegelei auf dem mit viel Essiggurke bearbeiteten Beef Tatar (Bild ganz oben) befolgt wurde, weiß ich nicht, es ist jedenfalls perfekt geworden. Bloß: Auf der Karte wird es als „Bauernei“ angekündigt, und das ist schon ein bissi irreführend. Nicht jeder braucht eine warme Komponente auf kaltem Rindfleisch. Das mit Mandeln bestreute Butterbrioche geht über den üblichen Toast hinaus. Die Paradeiser-Fischsuppe (Bild oben) ist ein gehaltvoller Traum mit sehr viel Fisch, Miesmuscheln, Garnelen, Calamari und ein paar Karotten. Es handelt sich hier nicht um ein feines Tomatensüppchen, nein, die Suppe ist durchaus kräftig, ohne dabei scharf zu sein. Wirklich sehr gelungen.
Eigentlich als Zwischengericht gedacht sind die Pilzravioli (Bild oben), doch nach der üppigen Fischsuppe gehen sie locker als Hauptspeise durch. Die Pasta wurde mit einer Trüffel-Ricotta-Mischung gefüllt und steht auf einem tomatisierten Bett aus Buchenpilzen. Dazu kommt noch Spinat – auch das ist ein herrlicher Teller.
Beim Betreten des „Bierführers“ hätte ich keinen Steinbutt (Bild oben) auf der Karte vermutet, nicht weil ich geglaubt hätte, dass man das hier nicht zubereiten kann, vielmehr bring ich ihn nicht so ganz mit einem Wirtshaus zusammen. Damit er trotzdem reinpasst, macht man in Goldegg Folgendes: Der sehr scharf angebratene Plattfisch wird auf eine recht grobe Lauch-Tomaten-Gemüse-Sauce gelegt und mit Spinatöl getoppt. Die Qualität ist einwandfrei, das Problem liegt eher in der Inszenierung. Der Teller wirkt bemüht hausmannskostartig, obwohl ein Fisch um – gerechtfertigte – 36 Euro genau das halt nicht ist.
Das Dessert ist dann Mainstream, nur wird der selten so gut serviert wie hier: ein Schokoladekuchen mit Beerenragout und Vanilleeis (Bild unten) . Der Kern ist perfekt flüssig, und das Beerenragout schmeckt und riecht so wie früher, wenn Oma einen Hollerkoch zubereitet hat. Ganz toll.
Der „Bierführer“ will ein Dorfwirt sein, aber halt schon auch ein bissi nobel – und dabei dann wieder grob. Ja, es gibt hier Frittatensuppe, Knödelvariationen und Kalbsrahmbeuschel, aber halt auch Beiried, Wiener vom Kalb, marinierten Saibling und Steinbutt – edle Speisen, die in einen Wirtshauskontext gesetzt werden. Das gelingt geschmackstechnisch immer, wirkt aber an manchen Stellen ein ganz klein wenig aufgesetzt. Trotzdem: Es war alles schwer in Ordnung, und auch die Rechnung überrascht positiv. Um die Frage „Sepp, was machst du?“ abschließend zu beantworten: ziemlich gut kochen.
Stimmung: beim profil-Besuch leider ein bisschen leer.
Empfehlung: Gehen Sie hin, vollkommen egal, was Sie von der politischen Einstellung des Ex-Chefs halten.
Preisverhältnis: Vorspeisen: 14-20 Euro, Suppen: 8-10 Euro, Zwischengerichte: 16-22 Euro, Hauptspeisen: 24-36 Euro, Dessert: 9-12 Euro
Gasthaus zum Bierführer
Hofmark 19
5622 Goldegg
bierfuehrersonstnix.at
Hinweis
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Print-Artikels (Ausgabe 15/2025) war Schellhorn noch Eigentümer des Bierwirts. Inzwischen dürfte er seine Anteile abgegeben haben.