Soll der Staat die Preise deckeln? Ja, sagt Barbara Blaha
Von Barbara Blaha
Preise für Energie, Lebensmittel und Wohnen schießen durch die Decke. Ein Ende der Teuerung ist nicht in Sicht, weil der Krieg in der Ukraine die Preise antreibt. Steigen die Preise, wird der Kuchen für alle kleiner. Die Politik muss darauf achten, dass der verbleibende Kuchen fair verteilt wird, denn die Teuerung trifft nicht alle gleich. Die Ärmsten im Land leiden am meisten. Aber auch der Mittelschicht droht Kaufkraftverlust. Die Bundesregierung doktert mit Einmalzahlungen herum, wie dem Energiegutschein. Doch zum wichtigsten Werkzeug fehlt ihr der Mut: Preiskontrollen.
Bevor bei manchen nun Schnappatmung einsetzt: Solche Markteingriffe sind in Österreich nichts Neues. Bis 1987 war sogar der Brotpreis gesetzlich geregelt. Mieten im Alt-, Genossenschafts- und Gemeindebau werden auch heute noch durch staatlich regulierte Richtwertmieten festgelegt. Auch im Neubau ist die Miete für geförderte Wohnungen begrenzt. Dass man auch heute wieder Energiepreise deckeln kann, machen andere EU-Ländern vor. Spanien und Portugal deckeln den Preis für Gas, das für Stromproduktion verwendet wird. Der Deckel liegt bei der Hälfte des aktuellen Marktpreises. Die Maßnahme ist zeitlich auf zunächst ein Jahr begrenzt. Bis zu 40 Prozent der Haushalte und 70 Prozent der Industriebetriebe werden dadurch deutlich entlastet.
Ein Deckel entlastet alle Stromkunden
Griechenland und Italien wiederum schöpfen die zusätzlichen Kriegsgewinne der Energiekonzerne mit einer Sondersteuer ab und finanzieren so ihre Maßnahmen gegen die Teuerung. Lag die Gewinnsteigerung in den letzten sechs Monaten über zehn Prozent oder fünf Millionen Euro, zahlen Energiekonzerne in Italien eine Extrasteuer von 25 Prozent. Griechenland hebt sogar eine 90-prozentige Steuer auf alle Zusatzgewinne im Vergleich zum Vorjahresniveau ein. Und Österreich? Hier streifen Energie- und Mineralölkonzerne weiterhin ihre Milliardengewinne ein. Allein der Wasserkraftriese Verbund, Österreichs größter Energieversorger, rechnet mit einer Verdoppelung seines Jahresgewinns auf zwei Milliarden Euro. Obwohl die Stromproduktion aus Wasserkraft kein bisschen teurer wurde.
Wenn jetzt der Verbund eine Sonderdividende von 400 Millionen Euro an den staatlichen Eigentümer ausschüttet und seinen Kunden zwei Monatsrechnungen gutschreibt, dann wird damit trotzdem nur ein Bruchteil des erwarteten Übergewinns von rund 1,5 Milliarden Euro quasi zurückgegeben. Ganz abgesehen davon, dass der Verbund im Kleinkundensegment nur sieben Prozent Marktanteil hat. Die überwiegende Mehrheit der Stromkunden bekommt also keine Monatsrechnung gutgeschrieben. Ein Deckel würde hingegen alle entlasten, unabhängig vom Wohlwollen ihres jeweiligen Stromanbieters.
Die Ärmsten gezielt unterstützen
Deckeln sollte man nur den Grundbedarf von Strom und Gas, orientiert am durchschnittlichen Verbrauch der letzten Jahre. Der Höchstpreis könnte sich am Vorjahrespreis orientieren, also vor dem Anstieg durch den UkraineKrieg. Wer mit Gas heizt, profitiert vom Gaspreisdeckel. Wer Strom verbraucht, profitiert vom Strompreisdeckel. Wer erneuerbar heizt, erhält keinen Ausgleich, muss aber auch keine Mehrkosten stemmen.
Der Energieverbrauch, der über den Grundbedarf hinausgeht, sollte nach den normalen Marktpreisen verrechnet werden. Das wäre auch die effizientere und ökologischere Alternative zu einer Senkung der Mehrwertsteuer, wie sie die SPÖ vorschlägt. Denn damit würde auch hoher Verbrauch unterstützt. Ein Preisdeckel wäre auch klar im Vorteil gegenüber Einmalzahlungen wie dem Energiegutschein: Er wirkt nachhaltig. Ist er einmal gesetzt, verhindert er, dass Preissteigerungen weitergegeben werden und Konzerne Übergewinne machen.
Während wir Energiepreise heftig diskutieren, wird ein konstanter Preistreiber der letzten Jahre gerne vergessen: die Mieten. Im privaten Bereich stiegen sie in den letzten zehn Jahren um mehr als 50 Prozent an, dabei verzeichneten wir sonst eine Preissteigerung von nicht einmal 20 Prozent in diesem Jahrzehnt. Heuer steigen auch die Wohnkosten wieder kräftig. Vermieter wälzen mit Mieterhöhungen entlang der stark steigenden Preise ihren Teil der Kaufkraftverluste auf die Mieter über.
ie bezahlen jetzt doppelt – ihre hohe Energierechnung und die höhere Miete. Und auch hier gilt, dass ärmere Menschen davon besonders betroffen sind: Das untere Fünftel in der Einkommensverteilung lebt überwiegend zur Miete. Ihre Mietzahlungen landen dann beim reichsten Zehntel, das über 80 Prozent der privaten Mieteinnahmen auf sich vereint. Bisher hat die Politik die Chance gegenzusteuern verpasst. Dabei könnte man die Mieterhöhungen aussetzen – auch rückwirkend.
Die Angst der Lehrbuchökonomen
Alle hier vorgeschlagenen Maßnahmen eint: Sie helfen denen, die am stärksten von der Inflation betroffen sind. Sie kurbeln dabei weder die Inflation noch den Ressourcenverbrauch weiter an.
Die sozialen Folgen der Inflation lassen sich nicht einfach durch eine Fortsetzung des Corona-Mottos „Koste es, was es wolle“ in den Griff bekommen. Das geht nur durch Umverteilung: von jenen, die höhere Preise leichter stemmen können, zu jenen, die schon vor der Teuerungskrise mehr schlecht als recht über die Runden kamen. Genau das leistet ein Deckel, der nur den Grundbedarf vor Preiserhöhungen schützt. Wer es sich leisten will und kann, viel mehr zu verbrauchen, muss hingegen die höheren Preise bezahlen.
Die klassischen und neoliberalen Ökonomen warnen nun lehrbuchartig vor Markteingriffen durch Preiskontrollen. Doch hohe Inflation, die durch massiv verteuertes Angebot (Stichwort: Gaspreise) oder fehlendes Angebot (Stichwort: Lieferprobleme aus China) zustande kommt, ist eben nicht die Inflation aus dem Lehrbuch wie im Fall von konjunktureller Überhitzung. Hier sind andere Gesetzmäßigkeiten im Spiel. Und deswegen sind kluge und zeitlich befristete Preiskontrollen das Mittel der Wahl. Mit einem Ziel: die Ärmsten im Land gezielt zu unterstützen. Deswegen: Deckel drauf. Jetzt!
Anders als Barbara Blaha sieht es der liberale Ökonom Lukas Sustala, der sich gegen Preisdeckel ausspricht. Seinen Text können Sie hier lesen:
In "Cash & Clash" streitet die Gründerin des linken Momentum Instituts, Barbara Blaha, regelmäßig mit dem wirtschaftsliberalen Ökonomen, Lukas Sustala. Er leitet die Neos-Parteiakademie. Beide legen Wert darauf, parteiunabhängig zu argumentieren.