Soziologin Mundlos: „Die Schuld wird sofort bei der Mutter gesucht“
Lesen Sie mehr über Mutterfrust und den Kampf gegen traditionelle Rollenbilder in der Titelgeschichte „Mama nicht lieb“ in profil 19/2016.
profil: Was bereitet Müttern den größten Frust? Christina Mundlos: Die Entbehrungen, Belastungen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Mutterrolle ablaufen muss.
profil: Wie kann man sich gegen den Druck zur Wehr setzen? Mundlos: Indem man zunehmend bereit ist, Hilfe anzunehmen und auf die eigenen Freiheiten zu beharren. Allerdings kommen Frauen dabei immer ziemlich schnell mit dem Partner in Konflikt.
Die Sorge ist groß, dass man das Kinderkriegen hinterher bereuen könnte.
profil: Kümmern sich Väter denn so ungern? Mundlos: Studien zeigen, dass Männer ab der Geburt des ersten Kindes mehr Zeit mit ihren Hobbies verbringen als davor. Wenn das Kind zahnt, sind Väter plötzlich drei Mal die Woche beim Fußball. Diese Möglichkeiten haben Frauen nicht: dieses Verhalten würde bei ihnen sofort sozial sanktioniert.
profil: Wieso eigentlich? Mundlos: Sie sind nach wie vor die Hauptverantwortlichen: Wenn das Kind Auffälligkeiten zeigt, egal ob Schulprobleme oder einen Ausschlag, wird die Schuld sofort bei der Mutter gesucht.
Dass Frauen versuchen, sich selber aufzuwerten indem sie andere abwerten, nennen Psychologen weiblichen Narzissmus – bei Müttern ein weit verbreitetes Phänomen.
profil: Hier sind sich Frauen untereinander die größten Feinde. Mundlos: Frauen sind mit der Mutterrolle unzufrieden. Aber da sie diese Gefühle nicht äußern dürfen, tritt sie auf anderen Wegen auf. Dass Frauen versuchen, sich selber aufzuwerten indem sie andere abwerten, nennen Psychologen femininen Narzissmus – bei Müttern ein weit verbreitetes Phänomen.
profil: Wie befreit man sich aus der Schuldmasche? Mundlos: Indem man den Freundinnen gesteht, dass man keine Lust mehr hat, die Taufeinladungen selber zu basteln und für den Kindergeburtstag dreistöckige Torten zu backen. Dann wird man rasch sehen, dass auch andere Mütter so einiges nicht mehr machen wollen.
profil: Wieso zögern viele Frauen das Kinderkriegen immer weiter heraus? Mundlos: Weil sie überlegen, ob sie unter diesen Voraussetzungen überhaupt Kinder bekommen wollen. Die Sorge ist groß, dass man es hinterher bereuen könnte.
Zur Person: Die Soziologin Christina Mundlos arbeitete im Gleichstellungsbüro der Universität Hannover und leitete dort zuletzt das Familienservicebüro. Heute ist die zweifache Mutter als Autorin tätig und publizierte zuletzt die Bücher "Mütterterror - Angst, Neid und Aggressionen unter Müttern" und „Wenn Mutter sein nicht glücklich macht“.