Gastropioniere Eselböcks: „Das schadet der Branche immens“
Der Stil der Wohnküche bei den Eselböcks in ihrem Ruster Stadthaus erzählt auch, wie das Ehepaar damals, in der Wüste der 1980er-Jahre, die österreichische Gastroästhetik stilistisch prägte: Antiquitäten, moderne Kunst, das frische Baguette am Refektorium-Tisch stammt vom Bäcker aus Oslip, daneben altes Silberbesteck, Herend-Blumenteller, Leinenservietten.
Fast ein Jahrzehnt ist es her, dass Eveline, 65, und Walter, 68, ihr Lebenswerk, den „Taubenkobel“, an ihre Tochter Barbara und deren Mann, den Elsässer Starkoch Alain Weissgerber, übergeben haben. Phantomschmerzen hat vor allem Eveline nach wie vor: „Ich leide immer noch an der Angst, nicht mehr gebraucht zu werden.“ In der Mitte von nirgendwo, im burgenländischen 1500-Seelen-Dorf Schützen am Gebirge, gründeten die beiden in ihren frühen Zwanzigern, 1984, ein Restaurant, in das Foodies aus aller Welt pilgern sollten und das zu einem Spielplatz der betuchten Bohème avancierte. Inspiriert waren sie von der legendären „Colombe d’Or“, einem Esstempel in der Provence, wo Künstler wie Picasso, Chagall oder Matisse in ihren darbenden Anfängen häufig Bilder „abgegessen haben“ und man bis heute vor deren Werken dinieren kann.
Ihre Ausbildung absolvierten sie im Tun: Walter Eselböck, neben den Reitbauers, den Obauers und Rudi Kellner ein Pionier der „Nouvelle cuisine“, war zwar Wirtskind, aber Autodidakt, Eveline gänzlich ahnungslos. Ein Besuch in Eckart Witzigmanns Gourmettempel „Aubergine“ in München sollte „lebensverändernd“ für beide werden. Inzwischen leben die Eselböcks die Hälfte des Jahres in Istrien, wo sie eine Frühstückspension betreiben und eine Ferienvilla vermieten. Ihre Restaurant- und Produzententipps haben sie in dem Buch „Unser Istrien“ zusammengefasst, das im Wiener Künstlercafé Anzengruber diesen Samstag mit Gulasch und Weinen vom Gut Oggau „getauft“ wird. Das Weingut betreiben Tochter Stephanie und ihr Mann Eduard Tscheppe.
In allen Medien boomen Kochshows. Welche taugen was?
Walter Eselböck
Da muss ich passen. Ich schau mir keine Kochshows an. Das ist Entertainment, und Kochen ist doch eine ernsthaftere Sache. Ich war nie ein Entertainer.
Eveline Eselböck
Selbstinszenierung geht inzwischen weit vor Kochen. Und die meisten, die in unsere Branche wollen, machen das, weil sie berühmt werden wollen. Da fehlt oft die Leidenschaft für das Eigentliche.
Und der Drang zur Selbstausbeutung? Die Spitzengastronomie ist ja auch ein Hochleistungssport, der einige ihrer Stars in die Drogensucht oder das Burn-out getrieben hat.
Walter Eselböck
Wir sind in unseren Anfängen jahrelang bei 70 Grad Raumtemperatur in der Küche gestanden, oft 15, 16 Stunden am Tag. Wenn meine Tochter Barbara heute sagt „Geh, Papa, du übertreibst“, kann ich ihr nur sagen, dass es den Induktionsofen auch erst seit 15 Jahren gibt.
Aber wie hält man das so lange aus? Ihr Schwiegersohn Alain Weissgerber, Gault&Millau-Koch des Jahres 2024, bekannte sich öffentlich zu einer Erschöpfungsdepression.
Walter Eselböck
Ich denke, ich hatte auch so etwas wie ein Burn-out, als wir vor neun Jahren den „Taubenkobel“ an die Kinder übergeben haben. Irgendwann spürte ich, dass es genug war, ich wollte einfach nicht mehr. Davor waren Eveline und ich so überzeugt von dem, was wir hier machen, dass uns das angetrieben hat.
Eveline Eselböck
Wichtig war für uns, zwei Tage in der Woche völlig abzuschalten und woanders hinzufahren, wo uns nichts an unsere Arbeit erinnert. So haben wir vor 22 Jahren Istrien entdeckt, wo wir ein Bed & Breakfast betreiben und eine Villa an Gäste vermieten. Und alle unsere Entdeckungen dort, vom Fischhändler bis zum Olivenölproduzenten, geben wir jetzt in unserem Führer weiter. Für mich war das Aufhören mit dem „Taubenkobel“ damals sehr schwierig.
Sie waren immer auch die Sozialministerin des Taubenkobels.
Eveline Eselböck
Ich habe den Kontakt mit den Menschen so geliebt. Bei uns sind ja viele Künstler zu Stammgästen geworden. Der Qualtinger hat noch im Hof für die Umberto-Eco-Verfilmung „Der Name der Rose“ Text gelernt, Markus Prachensky, Oswald Oberhuber, Falco oder Hermann Nitsch waren da. Wir sind an den Lippen all dieser Menschen gehangen, zu denen wir sonst nie gekommen wären. Mir waren die Menschen immer wichtiger als die Bewertungen.
Unter den 18 Restaurants mit zwei Michelin-Sternen in der Wertung für 2025 rangiert der „Taubenkobel“ auch neben dem angeschlagenen Konstantin Filippou, dessen ehemalige Mitarbeiter schwere Vorwürfe erhoben haben. Es ging um Produkte, die nicht den Angaben auf der Karte entsprachen, sondern billigere Tiefkühlprodukte waren. Wie sehr schadet ein solcher Einzelfall der gesamten Branche?
Walter Eselböck
Immens. Das strahlt auf alle aus.
Eveline Eselböck
Die Gastronomie hat ja sowieso schon einen so schlechten Ruf. Diese Berichterstattung wirkt sich negativ auf die gesamte Branche aus.
Aber denken Sie, dass Produktschwindeleien aus Kostengründen oder Engpässen Usus sind?