"Ist das gut für den Sport?“
Markus Gandler (der sportliche Leiter für Langlauf und Biathlon des ÖSV) verstand die Welt nicht mehr. In der ORF-Sendung „Im Zentrum“ schüttelte er den Kopf, als ihm der Journalist und Dopingexperte Hajo Seppelt Vorwurf um Vorwurf entgegenschleuderte. „Ihre Recherchen gehören nicht ins öffentlich-rechtliche Fernsehen, sondern ins Bundeskriminalamt“, zürnte er. „Es gehört aufgezeigt, wo die Probleme sind, aber nicht wie jetzt seit zehn Tagen mit Schlagzeilen. Ist das gut für den Sport?“ Seppelt entgegnete: „Ist es meine Aufgabe Dinge zu machen, die gut für den Sport sind?“ "Ja, irgendwo sage ich schon“, konterte Gandler.
Gandler ist nicht der erste Sportfunktionär, der diese Denkweise äußert. Viele seiner Kollegen verstehen nicht, warum Journalisten übereifrig das Produkt beschädigen, von dem sie im Endeffekt alle leben. Und tatsächlich werden die Mächtigen des Sports von ihrem natürlichen Gegenüber – der Journaille – bis heute allzu verwöhnt. Sogar verteidigt.
Im Sportjournalismus ist Verhaberung immer noch zu spüren. Es ist ein kumpelhaftes Milieu.
„Manche ergötzen sich derzeit geradezu daran, die Mächtigen des österreichischen Sports angeschwärzt zu sehen oder das sogar selbst zu tun“, schrieb "Krone"-Sportchef Peter Frauneder (seine Zeitung ist Medienpartner des ÖSV und ÖFB) vor kurzem. Der Journalist nahm Bezug auf die Missbrauchsvorwürfe im Ski-Verband und den Korruptionsvorwurf rund um ÖFB-Präsident Leo Windtner. Manche „Anschwärzer“ würden aber sowieso bald wieder in der ersten Reihe jubeln, „weil sie ihre Ware besser verkaufen können, sobald das Fußballteam Siege feiert.“ Oder mit Ski-Großveranstaltungen, „die abertausende Menschen in ihren Bann ziehen und eine perfekte Werbung für das gesamte Land Österreich sind.“ Entlarvender Nachsatz: „Irgendwie ist das so, als ob ein Obsthändler seine Äpfel absichtlich verfaulen lassen würde. Aber dennoch Geld damit verdienen will.“
Der "Krone"-Sportchef meint damit: Journalisten sollen weniger kritisch hinterfragen, sondern mehr bejubeln, damit man sich den Ast, auf dem man gemütlich sitzt, nicht absägt. Und das Millionen-Produkt nicht beschädigt. Der Journalist soll als Marketingfachkraft agieren oder als Tourismuswerber, nicht als Kontrolleur.
Im Sportjournalismus ist Verhaberung immer noch zu spüren. Es ist ein kumpelhaftes Milieu. Reporter klatschen nach Interviews mit verschwitzten Fußballern ab, ballen auf der Pressetribüne nach Siegen die Fäuste, sind oft mehr Fan denn Kritiker. Viele fürchten in der kleinen Szene durch kritische Texte ihren guten Zugang zu Vereinsfunktionären und Pressesprechern zu verspielen. Wer jeden Tag Zeitungsseiten befüllen muss, ist auf Interviews und eine gute Kooperation angewiesen. Von Pressesprechern hört man zuweilen hinter vorgehaltener Hand, dass Journalisten auf die Vereine angewiesen sind. Nicht umgekehrt.
Deshalb zeigen sich Sportfunktionäre oft erschreckt, wenn nach einem Gespräch mit einem Journalisten nicht der erwartete PR-Text erscheint, sondern eine kritische Geschichte. Viele Sportjournalisten weisen die ihrem Berufsbild zugeschriebene Kontrollfunktion aber von sich. In der "Sportwoche" stand einst eine Kritik an „Journalisten, die sich selbst allzu gern zur kritisch-intellektuellen Kontrollinstanz emporschwingen.“ Und der einstige "Krone"-Sportchef Rober Sommer schrieb: „Während etwa in unserem nördlichen Nachbarland zwischen Journalisten und Stars oft emotionslose Distanz herrscht, die gelegentlich sogar durch tiefes Misstrauen begründet ist, gehen unsere Mitarbeiter mit den meisten Sportlern freundschaftlich um.“
Funktionäre, die sich über Jahrzehnte an derartige Schmeicheleien gewöhnt haben, hadern verständlicherweise mit kritischen Fragen.
Es sind Blätter mit Millionenauflage, die als Medienpartner von Sportvereinen diese Kultur der Verhaberung mitgeprägt haben und Sportfunktionäre bei jeder kritischen Frage nach Majestätsbeleidigung rufen lassen. „Wir dürfen über eine glänzende Bilanz bei dieser glänzenden Weltmeisterschaft in Tirol jubeln. Neun Medaillen (fünf für die jüngst viel geschmähten "Krone“-Adler)“, schrieb die "Kronenzeitung" zuletzt.
Funktionäre, die sich über Jahrzehnte an derartige Schmeicheleien gewöhnt haben, hadern verständlicherweise mit kritischen Fragen. Sie betrachten Journalisten als PR-Vehikel, weil sie das auch allzu oft sind.
ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt erklärte im öffentlich-rechtlichen ORF ganz nüchtern, warum die kritische Berichterstattung notwendig ist: Die Schlagzeilen gebe es, weil es ein Problem gibt. Und das löst man eben nicht mit Zudecken. In der Regel gilt: Wenn ein Verein kritische Fragen abblockt, bedeutet das meist, dass er keine guten Antworten hat.
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profil begleitete den, mittlerweile des Doping überführten, Langläufer Johannes Dürr im vergangenen Jahr bei seinem - letztlich erfolglosen - Versuch, in den Spitzensport zurückzukehren.