Österreichs Sportler und die Politik: Das große Schweigen
An LeBron James lag es nicht. Der Basketball-Superstar von den Cleveland Cavaliers hatte sich so richtig ins Zeug gelegt, um der demokratischen Präsidentschafstkandidatin Hillary Clinton zum Sieg über Donald Trump zu verhelfen. Noch zwei Tage vor der Wahl hatte er sich bei einer Wahlkampfveranstaltung im "Swing State“ Ohio, wo James als Ikone gilt, demonstrativ an Clintons Seite gezeigt. Geholfen hat es bekanntlich nichts – Ohio ging ebenso an Trump wie nahezu alle anderen umkämpften Bundesstaaten. Der Rest ist bekannt.
LeBron James stand mit seinem Engagement nur an der Spitze einer ganzen Reihe an NBA-Profis, die für Hillary Clinton bzw. gegen Donald Trump Position bezogen. Gregg Popovich, als Trainer fünfmaliger Meister mit den San Antonio Spurs, zeigte sich nach Trumps Wahlsieg fassungslos: "Mir ist immer noch schlecht. Nicht, weil die Republikaner gewonnen haben. Sondern wegen des ekelhaften Tenors, Tons und den ausländerfeindlichen, homophoben, rassistischen und frauenfeindlichen Aussagen", so der angesehene Basketball-Fachmann. Stan Van Gundy, Headcoach der Detroit Pistons, formulierte es ähnlich: "Mir fällt es heute schwer in die Halle zu gehen mit dem Wissen, dass die meisten Zuseher – vor allem in diesem Bundesstaat (Anm.: Michigan) - für Trump gestimmt haben. Dafür habe ich überhaupt kein Verständnis.“
Doch auch Trump hatte prominente Unterstützer aus dem Sport-Lager. Allen voran NFL-Star-Quarterback Tom Brady schwärmte immer wieder öffentlich für die "Make America Great Again“-Kampagne des streitbaren Milliardärs. Auch Wrestler Hulk Hogan, Ex-Schwergewichts-Weltmeister Mike Tyson und Basketball-Enfant-Terrible Dennis Rodman plädierten öffentlich für den Republikaner. Mit der NASCAR, immerhin Veranstalter der populärsten Motorsport-Rennserie Amerikas, schlug sich sogar ein ganzer Verband auf die Seite Trumps. "Mr. Trump wird die amerikanische Politik für immer verändern. Seine Führungskraft und Stärke werden dringend benötigt", machte NASCAR-Boss Brian France (wie zahlreiche Fahrer) keinen Hehl daraus, wem er seine Stimme geben würde.
Wenn ich einer Minderheit angehören würde, hätte ich vor Trump wohl Angst. (Markus Rogan)
Angesichts derartiger Lagerbildungen wäre es naheliegend, eine politische Spaltung des US-Sports zu diagnostizieren. Markus Rogan, Österreichs erfolgreichster Schwimmathlet und mittlerweile als Psychologe in den USA tätig, sieht dies nicht ganz so: "Es ist eher eine Spaltung in der Gesellschaft. Trump hat auf dem Rücken von weißen, untergebildeten Männern gewonnen. Clinton hat auf Grund ihrer reduzierten Fähigkeit, Menschen emotional zu überzeugen verloren.“ Dass es aufgrund der unterschiedlichen ethnischen Zusammensetzung der diversen Profi-Ligen - rund dreiviertel der NBA-Profis sind schwarz - auch politische Unterschiede gibt, liegt jedoch auf der Hand. "Wenn ich einer Minderheit angehören würde, hätte ich vor Trump wohl Angst“, meint Rogan.
Doch nicht nur der aufgeheizte Wahlkampf selbst motivierte in den USA Sportler, sich vermehrt politisch zu äußern. Colin Kaepernick, Quarterback der San Francisco 49ers, sorgte in den vergangenen Wochen für Aufsehen, weil er sich weigerte, beim Singen der Nationalhymne aufzustehen. Sein Beweggrund: Die USA seien derzeit ein Land, das viele schwarze Menschen als Bürger zweiter Klasse behandle. Solange dies der Fall sei, werde er protestieren. Kaepernicks Protest schlug derart große Wellen, dass sich sogar Präsident Barack Obama dazu äußerte.
Mir fällt auf, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, immer vorsichtiger werden, wenn es darum geht, ihre Meinung zu äußern. Speziell, wenn diese polarisieren könnte. (Peter Hackmair, Ex-Fußball-Profi und ORF-Experte)
Während in den USA also wieder eine Politisierung der Spitzensportler zu beobachten ist, ist in Österreich das Gegenteil der Fall. Im Unterstützungskomitee des Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen befindet sich kein einziger aktiver Sportler. Auch für seinen Kontrahenten Norbert Hofer hat sich kein aktiver Sportler öffentlich ausgesprochen. "Mir fällt auf, dass Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, immer vorsichtiger werden, wenn es darum geht, ihre Meinung zu äußern. Speziell, wenn diese polarisieren könnte“, sieht Peter Hackmair, ehemaliger Bundesliga-Profi und mittlerweile ORF-Fußball-Experte, im profil-Interview die Situation. Die Recherche zu diesem Beitrag gibt ihm tendenziell recht. "Stehe nicht zur Verfügung“ oder "bin völlig unpolitisch“ waren häufig die Reaktionen von aktiven Sportlern auf Interviewanfragen zum Thema. Hackmair ist trotzdem überzeugt, dass es Sportler gäbe, die eine klare Meinung zu politischen Themen hätten, aber nur darauf warten würden, dass jemand voranschreitet. Der ehemalige Fußballer habe sich selbst erst nach dem Ende seiner Karriere für politische Themen zu interessieren begonnen. Mittlerweile engagiert sich Hackmair stark für Flüchtlinge und macht auch kein Geheimnis daraus, dass er bei der Bundespräsidentenwahl Van der Bellen seine Stimme geben wird.
Wir raten davon ab, politisch Position zu beziehen. (ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel)
Peter Schröcksnadel, Präsident des Österreichischen Skiverbandes, empfiehlt hingegen keinem Sportler, sich politisch zu äußern: "Wir leben in einer Demokratie - da kann natürlich jeder sagen, was er will. Wir raten aber davon ab, politisch Position zu beziehen.“ Wer sich für einen Kandidaten oder eine Partei ausspräche, habe automatisch alle anderen gegen sich, so Schröcksnadel. Das sei dem Image in der Öffentlichkeit nicht förderlich. Der aktuell populärste Athlet im Skiverband, Marcel Hirscher, sprach sich im Sommer 2015 für die Aufnahme von Flüchtlingen aus. "Damit habe ich kein Problem gehabt“, meint der ÖSV-Präsident. Auf die Frage, ob es dadurch zu Konflikten mit Sponsoren oder Verbandsinteressen kommen könnte, meint Schröcksnadel diplomatisch: "Das muss jeder für sich selbst entscheiden.“
Marcel Hirscher unterstütze via Facebook Flüchtlinge
Die Angst, Sponsoren sowie Entscheidungsträger in den Verbänden und der Politik zu vergrämen, dürfte viele Sportler davon abhalten, sich politisch zu äußern. Die österreichischen Strukturen mit Förderungen, Verbänden, sowie engen Verbindungen von Vereinen und Politik ermutigen nicht gerade dazu, eine Sportler-Karriere für politische Überzeugungen aufs Spiel zu setzen. Zudem hat sich in Österreich im Vergleich zu den USA nie eine ernsthafte Debatte entwickelt, die Sport als Teil der Gesellschaft begreift, der sich nicht abseits von politischen Entscheidungen abspielt. Im Vergleich zu den USA – man denke an Muhammad Ali, Tommie Smith (Anm.: Olympiasieger in Mexiko 1968 - bekannt geworden durch eine „Black Power“-Geste bei der Siegerehrung) oder eben LeBron James – fehlen hierzulande auch die Vorbilder. "Es müsste ein sehr populärer Sportler den ersten Schritt machen und sich zu einem politischen Thema äußern. Dann würden sich das andere auch trauen“, glaubt Peter Hackmair.
Markus Rogans Einschätzung, warum sich die USA und Österreich in dieser Hinsicht so unterscheiden: "Amerikanische Politiker haben eigentlich keinen Einfluss auf den amerikanischen Sport. Österreichische Politiker haben aber einen relativ großen Einfluss auf den österreichischen Sport.“ Amerikanische Politiker seien auf der Weltbühne mächtig und im US-Sport ohnmächtig, österreichische Politiker wiederum auf der Weltbühne ohnmächtig und im österreichischen Sport mächtig, so der Weltmeister und zweifache Olympia-Silbermedaillen-Gewinner. Sein Fazit: "Als österreichischer Sportler beziehungsweise als österreichische Sportlerin kannst du daher nur verlieren, wenn du dich für einen Politiker stark machst.“
Doch gerade der Sport sollte eines klar machen: Wer immer nur Angst hat zu verlieren, kann auch nichts gewinnen.