Stefanie Sargnagel: Was ich vom Leben gelernt habe
Für einen guten Witz muss man nicht über Leichen gehen. Die Prämisse ist noch immer: Die Texte sind nur witzig, wenn ich aufschreibe, was ich mir denke. Leider geht das nicht immer. Gegenüber vielen Menschen, denen ich im Alltag begegne, wäre das unhöflich.
Heute schreibe ich verhaltener. Meine Postings ändern sich, weil sich mein Leben ändert. Ich schreibe nicht mehr so viel über andere Menschen. Meine Familie, über die ich immer viel geschrieben habe, spare ich mittlerweile vollkommen aus. Das fühlt sich nicht mehr richtig an.
Wenn man die ganze Zeit in der Arbeit verbringt, hat man irgendwann keine Geschichten mehr zu erzählen. Ich muss aufpassen, dass ich nicht irgendwann nur noch von einem Termin zum nächsten hetze.
Meine Texte werden moralisierender. Das hängt damit zusammen, dass ich heute für ein breiteres Publikum schreibe. Es geht viel um Feminismus und gegen Rechts. Das war früher nicht notwendig, weil mich ohnehin nur ein linkes Publikum gelesen hat.
Verkatert schreibt man die lustigsten Texte. Das Sprachzentrum ist noch ein wenig waach, man fühlt sich elend, ist melancholisch. Das ist eine gute Kombination für skurrile Texte. Leider habe ich zu trinken aufgehört.
Je mehr das Schreiben zu einem Job wird, umso weniger lustig finde ich meine Texte. Früher musste ich selbst oft lachen, wenn ich wild in die Tasten gehaut habe. Heute kommt das nur noch selten vor.
Mein Rückzugsort ist die Gruppe. Es tut mir gut, wenn ich nicht immer im Mittelpunkt stehe. Ich genieße es, Teil der Burschenschaft Hysteria zu sein. Für meine kommende Lesetour nehme ich mir Supportleser mit.
Männern wird mehr zugestanden als Frauen. Mir ist das erst bei meinem zweiten Buch „Fitness“ aufgefallen, das breiter rezipiert wurde. Plötzlich war mein Aussehen Thema, mein Gewicht, mein Geschlecht und dass ich Fäkalwörter verwende. Mir war damals nicht bewusst, wie reaktionär die Welt noch immer ist.
Ich lebe nicht in einer Welt, in der Mädchen kein Dosenbier trinken. Immer wieder muss ich in Texten über mich ‚Sie kokettiert mit typisch männlichen Verhaltensmustern’ lesen. Wo kommt diese Vorstellung her? Wer sagt so etwas? Natürlich trinken Frauen Dosenbier!
Je mehr Reichweite man hat, umso blöder werden die Kommentare. Es gibt Fans der ersten Stunde, die meine Texte nicht mehr lesen, weil sie die Facebook-Kommentare nicht mehr aushalten. Anfangs habe ich noch sehr viel gelöscht und Leute geblockt, mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ich mit meinen Texten nicht nur ein Stammpublikum erreiche.
Abschrecken lass ich mich nicht. Auch eine Kampagne der „Kronenzeitung“ schafft das nicht. Ich habe mich auch nie bedroht oder eingeschüchtert gefühlt. Es ist eher so, dass eine derartige mediale Eskalation wahnsinnig kräfteraubend und erschöpfend ist. Ich habe einfach keine Lust, soviel Dreck zu lesen. In denke mir nur: Lasst mich einfach in Ruhe! Die Pappn lass ich mir aber nicht verbieten.
Wenn die FPÖ so viel Energie und Mühe darauf verwendet, eine Hetze gegen mich zu starten, hat meine Arbeit doch mehr Wirksamkeit, als mir bisher bewusst war. Ich war der Meinung, dass ich nur ein kleiner Clown im Internet bin. Anscheinend stören bestimmte Gruppen meine Witze so sehr, dass sie versuchen, mich loszuwerden. Das stachelt natürlich an.
Wenn ich Natur habe, stört mich soziale Isolation nicht. In meiner Zeit als Klagenfurter Stadtschreiberin habe ich gelernt, dass ich ganz gut alleine zurechtkomme. Ich war im letzten Jahr viel im Wald und am See unterwegs. In Wien stört es mich extrem, wenn ich mal zwei Tage niemanden treffen kann. Wenn man den ganzen Tag so viele fremde Gesichter sieht, muss man sich mit Freunden treffen.
In kleineren Orten sind die Menschen offener. Man redet mehr miteinander. Ich habe in meiner Zeit in Klagenfurt durchwegs positive Erfahrungen gemacht. Ich wurde ständig auf der Straße angesprochen, wurde zu Vernissagen und Kulturveranstaltungen eingeladen. Damit hatte ich nicht gerechnet.
Man darf die Menschen am Land nicht unterschätzen. Künstlerisch tut sich einiges in der Provinz. Es gibt mehr linke 60-jährige Ö1-Hörer, als man glauben mag.
Einen schriftstellerischen Lebensplan brauche ich nicht. Das Schreiben ist mir einfach passiert. Mir ist nur wichtig, dass ich mein humoristisches Zeug durchziehen kann. Am Liebsten würde ich meine Zeit ja mit Nichtstun verbringen. Auf der anderen Seite bin ich froh, dass ich jetzt von meiner Kunst leben kann.
Als Künstlerin wird man zur Projektionsfläche. Stefanie Sargnagel hat sich zu einer Antiheldin, einer Art Stand-up-Comedy-Figur entwickelt. Sie knüpft an realen Erlebnissen an, ist aber stilisiert und übertrieben, humoristisch überhöht. Die Leute projizieren alles Mögliche auf mich, das hat mit meiner realen Person kaum noch etwas zu tun.
Ich bin keine Außenseiterin. Ich war immer mitten im Geschehen, habe aber nie ganz dazugehört. Das war in der Musikszene so, aber auch bei den Linksradikalen. Die Rolle der Beobachterin habe ich schon immer gerne eingenommen.
Mittlerweile weiß ich, welche Knöpfe ich drücken muss, damit sich mein Publikum amüsiert. Meine Lesungen haben sich in den letzten Jahren zu einer Art Kabarettabend entwickelt. Ich weiß, welche Texte gut funktionieren und an welchen Stellen viel gelacht wird. Mit dem neuen Material ist das schwierig.