Südtiroler Burgunderbraten: Foxy Lady
Vielleicht hat es auch ein bisschen mit saisonal selektiver Wahrnehmung zur Weinlesezeit zu tun, jedenfalls habe ich in letzter Zeit den Eindruck, dass Weintrauben, aus denen man traditionell Wein herstellt, ein zarter kleiner Trend geworden sind. Da und dort-auf Märkten und im besseren Lebensmittelhandel-liegen nicht mehr bloß auf Kernlosigkeit gezüchtete, mit katastrophalem ökologischen Fußabdruck aus Übersee und Südafrika importierte Zuckerkugeln (euphemistisch Tafeltrauben genannt),die nach nichts schmecken, sondern auch kleine dickschalige, dunkelviolette Beeren, deren Duft an die traubengeschwängerte Luft in einem herbstlichen Winzerhof erinnert. Ich habe bereits Früchte der Rebsorten Pinot Noir und Blaufränkisch erspäht; die häufigsten aber sind jene der Sorte Isabella.
Isabella ist eine besondere Spezialität: uralt, ursprünglich aus fernen Ländern und dennoch längst in unseren Breiten verwurzelt. Sie ergibt keinen hochwertigen Wein, denn sie neigt zu sogenannten Fox-Tönen, die in der Önologie als erdig oder sogar an Katzenurin erinnernd beschrieben werden. Isabella ist also eine Foxy Lady, aber trotzdem vielfältig verwendbar, nämlich sowohl als Tafel-,Marmeladen-und Weintraube. Im Jahr 1816 wurde in den USA eine Rebsorte erzüchtet, der man den Namen der Spenderin der Pflanzen gab; Isabella Gibbs hieß die Lady. Und das Produkt der Kreuzung war überaus robust: frosthart, ertragreich und vor allem resistent gegen die Reblaus. Deshalb gelangte Isabella im 19. Jahrhundert auch in unsere Breiten, in denen der Schädling den Weinbau praktisch zum Erliegen gebracht hatte. Zwar wurde die Sorte meist als Unterlage für gängige Pfropfrebsorten verwendet, doch im Burgenland und in der Steiermark zog man sie auch als Direktträger, aus deren Beeren der Uhudler gekeltert wird. In Italien ist Isabella übrigens auch gern gesehen; dort macht man aus ihr einen süßlichen Sprudel namens Fragolino, der so heißt, weil die Trauben geradezu kitschig nach Walderdbeeren riechen (italienisch: la fragola-die Erdbeere).
Ich habe mir in der Vitaminstation 2, dem wunderbaren Wiener Gemüsesalon von Evgin Sutrak in der Leopoldstädter Vorgartenstraße, Isabellatrauben besorgt. Und darüber hinaus die knapp zwei Kilo Pinot Noir vom Spalier an der Südwand meines Hauses gelesen. Und während ich Traube um Traube abschnitt, fiel mir plötzlich Herbert Hintner ein, der Doyen der modernen Südtiroler Küche, den ich vor Jahren in seiner Küche in Eppan bei Bozen besuchte-zufällig auch zur Lesezeit. Hintner zeigte mir damals seinen speziellen Trick beim Burgunderbraten: Er goss nämlich nicht nur mit Blauburgunder auf, sondern warf ganz nonchalant auch noch einige dicht mit Trauben versehene Rispen der Sorte in den Bräter.
Das will ich auch tun. Zu meinen Lieblingsteilen für einen ordentlichen Rindsbraten gehört das Schulterscherzel, ein kompakter saftiger Muskel, der von einer milchglasigen Gallertschicht durchzogen ist, die einer Sauce Kraft und Rückgrat verleiht. Den Braten von etwa 1,5 bis 2 Kilo bestreiche ich mit Dijonsenf, brate ihn im Bräter in etwas Butterschmalz von allen Seiten kurz und scharf an und salze dabei. Dann macht er Platz für eine Handvoll Mirepoix (gewürfelte Karotten, Sellerie, Petersilwurzel und Zwiebel, zu gleichen Teilen gemischt). Wenn das Gemüse leichte Röstspuren zeigt, gebe ich 1/2 EL Tomatenmark, 1 Lorbeerblatt, 1 Stück Sternanis, 1 daumengroßes Stück Zitronenschale, je 1 TL Piment und schwarzen Pfeffer, je 2 Zweige Rosmarin und Thymian zu, röste kurz weiter und gieße eine Flasche Pinot Noir (0,75 Liter) dazu. Und kurz danach folgen einige Rispen Burgundertrauben. So wandert der Braten - mit Deckel oder Alufolie abgedeckt - ins 150 Grad heiße Backrohr, wo er knapp drei Stunden schmort. Die Trauben drücke ich gelegentlich mit einer Bratenschaufel aus. Wenn das Fleisch zart und saftig ist, nehme ich es heraus und halte es in Folie gewickelt warm. Die Sauce reduziere ich bei großer Hitze auf dem Herd etwas ein, drehe sie anschließend durch die Flotte Lotte und schmecke mit 1 TL Balsamico ab.
Nächste Woche: würzig süße Trauben im Glas für Kipferl und Käse.