Inzwischen ist die Amerikanerin mit dem stark aufmunitionierten Gesicht sogar unter die Buchautorinnen gegangen. Unter dem Titel „Sprinkle Sprinkle“ gibt sie Tipps, „wie du einen Versorger findest und einen Staubigen vermeidest“. Erstaunlicherweise werten manche US-Frauenzeitschriften (ebenso wie die meisten Betroffenen) den Sugarbabe-Trend nicht als Bankrotterklärung des Feminismus und irritierenden Backlash in die finstersten Phasen weiblicher Abhängigkeit, sondern als Zeichen der Selbstbestimmung, Ermächtigung und eines weiterentwickelten „Dump him“-Feminismus, wie ihn Britney Spears vorlebte, als sie nach der Trennung von Justin Timberlake ein T-Shirt mit der Aufschrift „Dump him!“ trug. Wenn einer also nicht „sprinkled“ und verdächtig viel Staub auf seinen Kreditkarten angelegt hat: bloß kein langwieriges Lamento, sondern auf zum nächsten Daddy-Typen mit lockerer Spendierhose. Unter den Sugar-Sisters werde, wie die „Zeit“ analysierte, „Lohnarbeit im Spätkapitalismus“ nicht nur „hinterfragt, sondern auch abgelehnt“. Der Kampf um die Gleichberechtigung habe sich, so sind sich die Sprinkleistas ziemlich einig, als äußerst mühsam und noch immer nicht ganz ausgefochten erwiesen. Beim Machtstreben in einer von männlichen Idealen geprägten Gesellschaft um CEO-Posten und Vorstandssitze seien Frauen im Hintertreffen; besser also, sich oder vielmehr den eigenen Körper zum Machtinstrument zu transformieren, und dabei bloß nicht vergessen, dass das Konzept nur dann funktioniert, wenn die Emotionen draußen bleiben.
Emotionsunternehmen
„Liebe ist kälter als das Kapital“, nannte der kürzlich verstorbene deutsche Dramatiker René Pollesch eines seiner Theaterstücke und bezeichnete sich selbst als einen „großen Antiromantiker“, denn dauerhafte Liebe, die sich gleich einer Naturgewalt einstelle, entspreche einem „anachronistischen Ideal“ und sei mit den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr vereinbar. „Alle sozialen Beziehungen, wie Leute miteinander umgehen, sind plötzlich Emotionsunternehmen. Soziale Beziehungen sind nur noch Dienstleistungen“, heißt es in dem frühen Pollesch-Stück „Heidi Hoh arbeitet hier nicht mehr“.
„Hypergamie“ lautet der Terminus für Beziehungen, die einem der Beteiligten einen Aufstieg in eine höhere soziale oder finanziell bessergestellte Klasse ermöglichen. Das sei, so sind die Sugarbabes überzeugt, viel ehrlicher und weniger verschlagen als Beziehungen, in denen solche Motive zwar nie ausgesprochen, aber eben doch gedacht und gelebt werden.
Noch brutaler formuliert es der Amerikaner Brandon Wade, der es mit Dating Sites wie „Seeking Arrangement“, „Seeking Millionaire“, „Whatsyourprice“ oder „Carrot Dating“ zum Multimillionär gebracht hat: „Das Konzept der Liebe an sich ist eher für arme Leute. Und wo sollen Arme Reiche sonst treffen?“
Kritiker bezeichnen Wades Online-Konstrukte als „virtuelle Bordelle“, Wade selbst nennt es die „Vermittlung von Win-win-Beziehungen für beide Seiten.“ Loser seien quer durch alle Altersgruppen keine Option für „Frauen, die einen Plan haben“. Wade, 54, hat vor zwölf Jahren die damals 21-jährige Tanya geheiratet, mit der er bis heute zusammen ist, und sabotiert damit sein eigenes Geschäftsmodell: „Ich hatte vorher nicht an die wahre Liebe geglaubt, mit Tanya habe ich sie gefunden.“
In Österreich belegt der ehemalige Bauunternehmer Richard Lugner, demnächst 92 Jahre alt, das Rollenfach des nationalen Sugardaddys mit bizarren öffentlichen Liebesspektakeln. Die Damen, über die man zunehmend den Überblick verloren hat, sind in der Regel ein halbes Jahrhundert jünger als „Mörtel“ und bekommen Tiernamen verpasst. Ehefrau Nummer 4, Christina „Mausi“ Lugner, konstatierte in einem profil-Interview: „Der Richard braucht dieses Kasperltheater wie Sauerstoff.“ Diesen Samstag kommt es zur sechsten Eheschließung („Spatzi“, eine pfälzische Frohnatur, ist inzwischen schon wieder Scheidungsgeschichte) mit „Bienchen“, einer 42-jährigen Baumarktangestellten namens Simone Reiländer, die der nimmermüde Tycoon als „meine Nachfolgerin“ aufbauen möchte. Auf die Frage, aus welchem Pool Richard Lugner seine Kandidatinnen rekrutiere, antwortete der Reiche für Arme in einem profil-Interview anlässlich seines Neunzigers: „Die bewerben sich von selbst. Ich brauch ka Agentur. Außerdem bin ich ein schüchterner Bursche, ich trau mich nicht einmal, nach einer Telefonnummer fragen, wenn mir ane g’fallt.“
Geld als Geschlechtsorgan
Dass Männer mit Geld (die dieses „gerne wie ein Geschlechtsorgan zum Einsatz bringen“, so der Geldphilosoph André Kostolany) dem klassischen Tauschgeschäft „Jugend gegen Sicherheit“ nachgeben, scheint wenig verwunderlich.Superstars in der Liga von Brad Pitt, 60, (zurzeit mit der Schmuckdesignerin Ines de Ramon, 31, liiert), Leonardo DiCaprio, 49, (bekannt dafür, dass seine wechselnden Gefährtinnen kaum älter als 25 sind) oder dem Franzosen Vincent Cassel, 57, der kürzlich auf dem roten Teppich in Cannes mit sichtbarem Trophäenstolz mit seiner neuen Liebe, dem brasilianischen Model Nara Baptista, 27, posierte, die ihrer Vorgängerin Tina Kunakey, ebenfalls 27, täuschend ähnlich sieht, sind mit fortschreitender Lebensphase fast nie mit Gefährtinnen ihrer eigenen Altersgruppe anzutreffen.
Darwinistisches Erbe
Die Anthropologin Helen Fisher ortet in solchen Konstellationen puren „Darwinismus“: „Das Design der Natur ist erzkonservativ. Was sich die Natur vor zwei Millionen Jahren ausgedacht hat, kann man mit einem Jahrhundert Emanzipation nicht so leicht von ihrer Festplatte löschen.“In der Urgeschichte der Menschheit besaß das Paarungsprinzip „älterer Mann und junge Frau“ eine evolutionsbiologische Rechtfertigung. Der Steinzeit-Mann war bei der Wahl seiner Zukünftigen vom Selektionskriterium der erfolgversprechendsten Gebärfähigkeit getragen, zusätzlich sollten die Frauen alt genug sein, um die Kinder autonom versorgen zu können, falls er bei der Mammutjagd sein Leben lassen sollte. Die Lebenserwartung eines Steinzeitdaddys überschritt jedoch in der Regel nicht das 33. Lebensjahr.Die weibliche Jugend, die derart als Ablenkungsmanöver von der männlichen Vergänglichkeit fungiert, verfügt in der Regel über ein Hüfte-zu-Taille-Verhältnis von eins zu 0,7, wie der texanische Evolutionsbiologe David Buss in einer Studie über die Prinzipien der Partnerwahl feststellte, bei der 10.047 Personen aus 37 Kulturen auf sechs Kontinenten befragt wurden. Ansonsten sollten schimmerndes Haar, volle Lippen, eine kleine Nase und wippende Hüften vorhanden sein.
Überraschenderweise scheinen Humor und ein Ivy-League-Abschluss am männlichen Stimulations-Chart nicht auf.„Wir funktionieren noch immer wie Neandertaler“, konstatierte Buss: „Nur die äußeren Bedingungen haben sich etwas geändert.“ Das heißt im Klartext: Ob Industriebosse aus Frankfurt, Grundschullehrer aus Großbritannien oder Ackerbauern im Sudan – die männliche Paarungsenergie wird vorrangig durch optische Reize und kaum durch Charakter, Status und Bildung auf Touren gebracht.Im Sinne der Gleichstellungsdebatte ist es natürlich zu begrüßen, dass ältere Frauen dieser Tage längst ohne Häme mit wesentlich jüngeren Männern an der Hand durch die Landschaft ziehen dürfen. Die Verhältnisschieflage ist aber nach wie vor gewaltig und steht – laut deutschen Statistiken – eins zu zehn im Vergleich zu den Männern. Und haltbare Romanzen wie die des mutmaßlich neuen James Bond, Aaron Taylor-Smith, 33, der die 24 Jahre ältere Regisseurin Sam Taylor-Wood bei den Dreharbeiten zu einem John-Lennon-Film im Alter von 18 Jahren kennengelernt hatte und mit ihr eine Familie gründete, haben eher Seltenheitswert. Demi Moore musste in eine Nervenklinik eingewiesen werden, nachdem der 16 Jahre jüngere Ashton Kutcher mit einer altersadäquaten Romanze durchgebrannt war.Dass junge Frauen zunehmend mit einer gewissen Selbstverständlichkeit auf wesentlich ältere Männer zugehen, hat aber auch den Grund, dass der Altersschnitt ihrer eigenen Väter höher ist: Eltern kriegen generell immer später Kinder, Männer gründen nach einer Trennung oft eine Zweit- oder sogar Drittfamilie. Und in wirtschaftlich schwierigen Zeiten hat der etablierte Versorger wieder große Attraktivität gewonnen.
Das Paarungsverhalten der Österreicher:innen scheint, so eine Studie des „Generations and Gender Programme“ der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2023, eher risikoarm, was die Altersunterschiede betrifft: Bei 69 Prozent der 8000 befragten Personen betrug die Alterskluft weniger als fünf Jahre, bei 29 Prozent nur ein Jahr oder weniger. Bei Paaren mit niedrigem Bildungsniveau war der Unterschied in Jahren am größten. Inwiefern sich homosexuelle Paare hier mit heterosexuellen vergleichen lassen, konnte in dieser Studie nicht festgestellt werden, US-Studien besagen jedoch, dass große Altersunterschiede bei homosexuellen Paarkonstellationen häufiger sind als bei heterosexuellen. Die Hollywood-Schauspielerin Sarah Paulson etwa, 49, ist bereits seit einigen Jahren mit ihrer Kollegin Holland Taylor, 81, glücklich liiert.
Beim Sexualverhalten von Schimpansen dürfte übrigens kein Altersbashing von Weibchen existieren: Forscher der Harvard University konstatierten nach Beobachtungen in Uganda, dass ältere Schimpansinnen von jüngeren Artgenossen deutlich öfter zur Paarung aufgefordert werden als junge Weibchen. Das sei, so die Wissenschafter, eventuell mit dem promisken, auf Kurzzeitbindungen gepolten Sexleben der Primaten zu erklären. Dabei spiele das Alter der Weibchen eine weniger große Rolle als bei Langzeitbindungen, in denen mit einer Partnerin der Arterhalt garantiert werden müsse. Charles Darwin wäre entsetzt – schließlich war er der festen Überzeugung, dass nur die Männchen seitenspringend durch den Dschungel fetzen, während die Weibchen artig Brutpflege betreiben.„Blödsinn“, erklärt die weltweit renommierte Affenforscherin Sarah Blaffer Hrdy: „Die sind an Seitensprüngen genauso interessiert wie die Männchen. Darwin hat eben nie Affenweibchen in der freien Wildbahn beobachtet.“