TikTok-Star Austrian Kiwi: „Don’t worry Austria, I like you“
Österreich, ein Land der Unfreundlichkeit? „Dieses Vorurteil hat mich verärgert“, sagt Jonny Balchin, neuseeländischer TikTok-Star mit Wahlheimat Salzburg, über eine Schlagzeile, die in den letzten Tagen das Sommerloch dominiert hat. Denn er liebe nicht nur das Land, sondern vor allem auch die Leute. Stein des Anstoßes: Laut einer aktuellen Studie mit Expats, also Menschen, die im Ausland leben und arbeiten, ist Österreich zwar ein Land mit einer sehr hohen Lebensqualität, aber mit sehr unfreundlichen Menschen. Weltweit haben mehr als 12.000 Menschen an der Umfrage, die jährlich vom Netzwerk „Expat Insider“ durchgeführt wird, teilgenommen.
Für Balchin ist das Thema ein gefundenes Fressen – und aus der Negativschlagzeile wird kurzerhand ein viel geklickter Comedy-Sketch (Titel: „Don’t worry Austria, I like you“). Denn für den 25-Jährigen, den man im Netz als Austrian Kiwi kennt und der pointierte Videos über die Eigenheiten der österreichischen Volksseele macht, sei das Ganze ein großes Missverständnis, schlicht ein Kommunikationsfehler. Die Österreicher, so Balchin, seien eben gerne ein wenig frech, „Lauser“, wie er es sagt – und diese Art des Humor werde eben nicht von allen Menschen sofort verstanden. Und da kommt sein Alter Ego ins Spiel. Denn wer könne Österreich der Welt nicht besser erklären, als ein Zugezogener vom anderen Ende der Welt, den es zufällig auf einen Bauernhof nach Salzburg verschlagen hat?
Ein Zoom-Anruf zwischen Wien und Salzburg-Land. Jonny Balchin, ein grundsympathischer Weltenbummler mit freundlichem Blick und ansteckendem Lachen, sitzt in einem Salzburger Bauernhof, der von den Eltern seiner Freundin Maria geführt wird. Da drüben, sagt der 25-Jährige, dreht sich im Kreis und zeigt in alle möglichen Richtungen, wohne der Opa, im Nachbarhaus die Schwester seiner Freundin mit ihrem Mann, ein Haus weiter die Tante mit Cousins und Cousinen, überhaupt sei die ganze Nachbarschaft voller Familie. Ihm gefällt das. Aber, Stichwort Willkommenskultur: Ist er, der Neuseeländer, den es zufällig nach Salzburg verschlagen hat, nicht womöglich in einer komfortablen Position als andere Menschen, die es sich nicht aussuchen konnten? Er könne nur davon berichten, wie er hier in Salzburg, und da vor allem am Land, aufgenommen wurde – und da hätte er fast nur gute Erfahrungen gemacht. In den größeren Städten, meint er, könne es schon ein wenig unsympathischer ablaufen.
In seinen Videos, die er auf TikTok und Instagram als Austrian Kiwi veröffentlicht, nimmt Balchin typisch österreichische Eigenheiten aufs Korn; persifliert die Trinkfreudigkeit („Bier ist in Österreich wie eine Religion“), den Fleischkonsum und die Liebe zum Bargeld, aber auch die Schwierigkeiten, am Magistrat als Nicht-Österreicher ernst genommen zu werden. Balchin schlüpft dafür in verschiedene Rollen; gibt den naiv-sympathischen Neuseeländer in den Alpen, aber auch den typischen Österreicher, der von veganem Essen nichts wissen will und die Probleme des Alltags lieber mit Schnaps löst. Der Trick bei Balchin: Hier wird nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit viel Empathie auf die landesspezifischen Eigenheiten geschaut. Das Geheimnis seines Erfolgs sei es, dass die Menschen sich in seinen Videos wiederfinden könnten. Dafür folgen ihm auf TikTok und Instagram gut eine halbe Million Menschen. Mit seinen Videos erreicht er Millionen Aufrufe.
Der große Unterschied zwischen Österreich und seiner Heimat, und das war auch der größte Kulturschock, sei, dass die Menschen in Neuseeland sich nicht um die Belange der anderen Menschen kümmern würden. Es sei den Menschen vollkommen egal, erzählt er, welches Haus man baue, welchen Job man mache und ob der Rasen gemäht sei, oder eben nicht. Man solle, so seine Kiwi-Einstellung, die Menschen ihr Leben so leben lassen, wie sie es für richtig halten. In Neuseeland gäbe es für diese Lebensweise den Ausdruck „She’ll be right“, was man in Österreich mit „passt schon“ übersetzen würde.
Die Geschichte von Austrian Kiwi beginnt auf Reisen. In seiner Heimat hat er sich einen Abschluss in Business Management geholt und möchte erstmals raus aus dem Inselstaat. Heißt: Frei sein und die Welt sehen. In Südostasien, irgendwo zwischen Kambodscha und Thailand probiert er sich als Content Creator, fängt mit einem Freund einen Podcast an, versucht sich an einem Video-Blog und lernt eine Salzburgerin kennen. Jonny Balchin ist 21, als er nach Österreich kommt. Die ersten Wochen lebt er auf dem Bauernhof seiner Freundin, lernt die Eigenheiten der Menschen kennen – und bleibt erstmal. Das war 2019. Das Jahr vor Corona. Ganze drei Jahre wird er seine Familie nicht sehen können, verpasst Hochzeiten und Geburtstage. Denn die Corona-Strategie der damaligen Ministerpräsidentin Jacinda Ardern war besonders restriktiv („Da gab es viel Drama“). Nicht einmal Einwohner konnten eine Zeit lang in ihr Land zurückreisen, erzählt Balchin.
Schwierige Zwischenfrage an den gut gelaunten Comedian: Müsste er, der so viele junge Menschen erreicht (seine Hauptzielgruppe ist zwischen 20 und 30 Jahren alt), in Zeiten der multiplen Krisen, nicht auch schwierigere Themen in seinen Videos besprechen? Nein, meint Balchin, dafür kenne er sich in diesen Fragen zu wenig aus. Er halte nichts davon, seine Meinung zu Themen zu veröffentlichen, über die er nicht genug Wissen habe. Für ihn sei es wichtiger, erzählt er, den Menschen, die sich seine Videos ansehen, eine gute Zeit zu geben und sie zum Lachen zu bringen – das gebe ihm viel mehr Sinn im Leben. Und: Seine Videos seien der beste Weg, die Welt zumindest ein wenig zu einem besseren Ort zu machen. Denn überhaupt, will er festhalten, gehe es ihm darum, den Menschen klar zu machen, dass man nicht alles zu 100 Prozent richtig machen müsse. Sein Lifestyle, so nennt er es mit diesem typischen Akzent, den man aus seinen TikToks kennt, sei das Durschwurschteln – und die Erkenntnis, dass man positiv vom Leben überrascht wird, wenn man Dinge mit einem guten Herzen angehe.
Denn eines sei klar: Mit seiner Comedy wolle er lieber auf der sympathic side of life bleiben, erzählt er. Und es sei auch nicht sein Ziel, besonders edgy zu sein. Daher wird es wohl keine Videos über Religion geben, aber auch über Veganismus, über Transgender- und LGBTIQ+-Themen will er keine Späßchen machen: „Ich will mit meinen Witzen niemanden schaden.“ Dazu gehöre auch, dass sich die Sensibilität für Sprache in den letzten Jahren stark verändert habe – und es sei durchaus möglich, gleichzeitig die 16- und 55-Jährigen zu erreichen. Mit Hass-Kommentaren muss sich Balchin auf seinen Kanälen derweil nicht herumschlagen, erzählt er. Das liege wohl daran, meint er, dass er in fast allen seinen Videos alle Charaktere gleich selbst spiele. Da entstehe eher eine Diskussion, als dass sich die Menschen aufregen würden.
Einen next step geht Austrian Kiwi seit kurzem auch mit Werbungen. Denn wie auch bei anderen Influencern ist die enorme Reichweite vor allem auch für Unternehmen interessant. Bisher hat er für Stiegl-Bier, Samsung und die Salzburger Verkehrsbetriebe Werbung gemacht; seit kurzem sieht man auch eine Kooperation mit der Erste Bank. Am Anfang, erzählt Balchin, sei das noch ziemlich aufregend gewesen, dass plötzlich Betriebe Interesse an seinen Videos gefunden hätten. Heute sei es wichtig, Werbepartner auch danach auszuwählen, ob sie zur Community passen.
Mit zunehmender Bekanntheit (und ja, er werde mittlerweile auf der Straße oder im Bierzelt auf seine Videos angesprochen) steige natürlich auch seine Verantwortung gegenüber Fans und Followern. Und das lässt ihn heute auch über seine „Sauf ma“-Videos nachdenken. Denn was sage er dem 16-Jährigen, der vielleicht sein erstes Bier trinkt, mit diesen Videos? Daher zeige er seine Videos noch so vielen Freunden wie möglich, bevor er sie veröffentlicht. Und seine Freundin habe da ohnehin ein gutes Gespür, wenn er womöglich die Grenze des guten Geschmacks überschreite.
Er frage sich oft, erzählt er, ob er auch noch in 20 oder 30 Jahren solche Videos machen werde. Richtig vorstellen könne er sich das nicht. Da bleibe er aber pragmatisch. Denn wenn ihn das Schreiben, Filmen, Spielen und Editieren seiner kleinen Sketches nicht mehr glücklich machen sollte, dann würde er einfach etwas anderes probieren.
Mit seiner Freundin, für die er vor vier Jahren nach Österreich gezogen ist, hat er zwei Jahre in Salzburger Stadt gelebt, erzählt er, der erst küzrlich von einer längeren Neuseeland-Reise heimgekehrt ist. Heute leben die beiden wieder auf dem Bauernhof der Schwiegereltern. Aktuell sei das schön, meint er, aber irgendwann brauche er seine eigenen vier Wände, um auch in Ruhe arbeiten zu können. Denn immer wieder passiere es, erzählt er noch, dass beim Filmen plötzlich der Opa oder der Postler im Garten stehe und verwundert frage, was er da, verkleidet womöglich mit pinker Perücke, überhaupt mache und warum er einen bestimmten Satz mindestens 20 Mal wiederhole. Das führe durchaus zu Verwirrung, sagt er lachend.