Ungarisches Wunder hält an: Storck-Team praktisch durch
Den Blick auf die Tabelle konnte Ungarns deutscher Trainer Bernd Storck schon vor dem Abendspiel zwischen Portugal und Österreich genießen. "Vier Punkte - wenn mir das vor dem Turnier jemand gesagt hätte, ich hätte es nicht für möglich gehalten", sagte Storck am Samstagabend in Marseille nach dem 1:1 seiner Mannschaft gegen Island.
Bei der Rückkehr ins Teamquartier in Tourrettes lohnte sich das Anschauen des Tableaus für Storck und seine Spieler dann am späten Abend noch viel mehr. Denn durch das Unentschieden der beiden Gruppenfavoriten bleiben die Ungarn überraschend Tabellenführer der Gruppe F und stehen damit bei ihrer ersten EM-Teilnahme seit 1972 dicht vor dem Achtelfinaleinzug.
Gegen Portugal reicht den Magyaren am Mittwoch bereits ein Punkt. "Daran denken wir ab morgen, heute freuen wir uns erst einmal", sagte Storck. "Ich bin verdammt stolz auf meine Mannschaft."
Die Mannschaft um den 40-Jährigen Turnier-Oldie Gabor Kiraly ist bisher die große Überraschung des Turniers. Vier Tage nach dem glanzvollen 2:0 gegen Österreich taten sich die im Vorfeld bisweilen als schwächster Teilnehmer eingeschätzten Ungarn gegen den EM-Neuling Island zwar sehr schwer, in der Schlussphase erzwangen sie aber doch noch den Ausgleich.
Die Isländer, die mit ihrem simplen, aber effektiven "Kick and Rush"-Ansatz in der Qualifikation schon den WM-Dritten Niederlande zermürbt hatten, brachten mit nahezu jedem langen Ball Unruhe in den Strafraum der Ungarn und hatte auch gute Möglichkeiten. In der Abwehr unterlief den Nordmännern bis zur 88. Minute kein Fehler, dann allerdings traf Birkir Mar Saevarsson nach einer Hereingabe des eingewechselten Nemanja Nikolic ins eigene Tor. Gylfi Sirgurdsson hatte Island mit einem umstrittenen Foulelfmeter in der ersten Hälfte in Führung gebracht.
"Meine Mannschaft hat immer an sich geglaubt und nie aufgegeben", erklärte Storck. "Es war Glück, aber sehr verdient. Wir haben dominiert und versucht, Chancen herauszuspielen. Wir waren aber im letzten Drittel nicht sehr genau und Island hat sehr clever verteidigt." Ungarn war 1938 und 1954 Vize-Weltmeister und 1964 EM-Dritter, hatte sich aber seit 1986 nicht mehr für ein Großereignis qualifiziert.
Zur Belohnung spendierte der 53-jährige Teamchef seinen Profis am Sonntag nach der Vormittagseinheit einen halben freien Tag. Die Familien kommen ins schmucke Quartier in der Provence rund eine Dreiviertelstunde von Nizza entfernt. "Das haben sich die Jungs redlich verdient", sagte Storck.
Island erging es wie zuvor schon einer Handvoll Teams bei diesem Turnier: Durch ein spätes Tor wurde man noch um schon sicher geglaubte Punkte gebracht. "Wir wollten natürlich gewinnen und waren so nah dran. Wenn du siehst, wie traurig die Jungs in der Kabine sitzen, dann war dieses Remis für uns wie eine Niederlage", sagte Stürmer Kolbeinn Sigthorsson nach der Partie.
"Ich hoffe, wir können im letzten Spiel einen Sieg holen. Wir haben ein Team mit Charakter und werden bis zum Schluss fighten", versprach der "Man of the Match" gegen Ungarn vor der alles entscheidenden Partie gegen Österreich. Nur mit einem Sieg am Mittwoch in Saint-Denis wäre man fix weiter - im Gegensatz zu Österreich hätten die Isländer (zwei Punkte) allerdings auch mit einem Remis noch die Chance, zumindest als Dritter weiterzukommen.