Verletzte nach Zusammenstößen von Fangruppen in Marseille
Der englische Fan soll nach Polizeiangaben mit einer Eisenstange am Kopf getroffen worden sein. Drei weitere Menschen sollen schwere, aber nicht lebensbedrohliche Verletzungen erlitten haben. An den gewalttätigen Auseinandersetzungen waren nach übereinstimmenden Berichten französischer Medien neben englischen und russischen auch französische Randalierer beteiligt. Laut Laurent Nunez, Polizeipräfekt von Marseille, sollen sich rund 500 Krawallmacher gegenübergestanden sein, sechs Randalierer wurden festgenommen.
Auf Fernsehbildern und Internetvideos war zu sehen, wie verschiedene Gruppen an unterschiedlichen Stellen um den alten Hafen der Mittelmeerstadt mit Stühlen oder Eisenstangen aufeinander losgingen. Zudem wurde mit Flaschen oder anderen Gegenständen geworfen. Sicherheitskräfte gingen gegen die Randalierer vor und setzen dabei auch immer wieder Tränengas und Wasserwerfer ein.
Nach ersten Zusammenstößen in den vergangenen Tagen hatte die Polizei angekündigt, weiter hart bei Ausschreitungen durchzugreifen. Vor dem Spiel der Engländer gegen Russland (Spielbeginn 21.00 Uhr) seien 1.200 Polizisten in der Stadt mobilisiert, sagte Nunez. Auch auf der Fanmeile sollen die Anhänger beider Mannschaften getrennt werden. "Die Russen kommen in einen Bereich und die Engländer in einen anderen", kündigte Nunez im Sender BFMTV an.
Allerdings kam es auch im Stadion zu Ausschreitungen. Kurz vor dem Ende der Partie gingen russische und englische Fußball-Anhänger im Stade Velodrome aufeinander los. Auslöser waren russische Zuschauer, die hinter dem Tor von Englands Keeper Joe Hart auf in einem benachbarten, neutralen Block sitzende englische Fans losstürmten.
Einige Zuschauer mussten in Panik über Absperrungen in den Innenraum springen, um sich in Sicherheit zu bringen. Zumindest zu Beginn dieser Ausschreitungen war keine Polizei zu sehen. Die wenigen postierten Ordner waren mit den Geschehnissen sichtlich überfordert. Es waren die ersten Ausschreitungen während dieser Titelkämpfe in einem Stadion. Schon während der Partie, bei der Russland in der Nachspielzeit noch den 1:1-Ausgleich erzielte, waren einige Male Leuchtraketen aus dem russischen Block abgefeuert worden.
Für nach dem Spiel war die Polizei laut Nunez ebenfalls auf Zusammenstöße am alten Hafen vorbereitet. Es gebe dabei sicher die üblichen Provokationen zwischen den einzelnen Gruppen. "Wir werden sehr konsequent vorgehen", kündigte der Polizeipräfekt an.
Bereits am Donnerstag und Freitag war es mehrfach zu Zusammenstößen mit englischen Fans in Marseille gekommen. Die Polizei setzte dabei am alten Hafen jeweils Tränengas ein. Die Behörden schätzen die Auseinandersetzungen dabei noch als kleinere Zwischenfälle ein.
Kevin Miles, Chef der englischen Fanvereinigung, sagte am Samstag dem englischen Sender Sky Sport News: "Es waren einige bedauerliche Szenen, das kann man nicht leugnen." Doch sei dies eine Minderheit der Fans. "Die große Mehrheit hat eine großartige Zeit, sie sind laut, haben eine Party und genießen das tolle Wetter."
Miles sieht englische Fans auch als Opfer von Attacken. "Es waren Gruppen von Einheimischen und Gruppen von Russen, die hierherkommen und die Gewalt gestartet haben", sagte Miles. Einige Engländer hätten sich verteidigt. Auch Alkohol spiele dabei eine Rolle. "Es gibt englische Fans, die deutlich zu viel getrunken haben und nicht wissen, wie sie sich in solchen Situationen verhalten sollen."
Randale englischer Fans hatte es ebenfalls in Marseille während der Weltmeisterschaft 1998 gegeben. Damals hatten sich zumeist betrunkene Anhänger der Three Lions über zwei Tage heftige Auseinandersetzungen mit einheimischen Jugendlichen und tunesischen Fans geliefert. Dutzende Menschen wurden verletzt.
Die Europäische Fußball-Union sieht derzeit keine Sanktionsmöglichkeiten gegen die EM-Teams aus England und Russland. "Die UEFA kann nur disziplinarisch aktiv werden, wenn die Vorfälle im Stadionbereich passieren", sagte ein Sprecher der Deutschen Presse-Agentur am Samstag.
Zuvor hatte der Verband mit einem kurzen Statement reagiert. "Die UEFA verurteilt entschieden die Vorfälle in Marseille. Menschen, die sich an solchen Gewaltakten beteiligen, haben keinen Platz im Fußball", hieß es am Samstagabend von den EM-Organisatoren. Auch Innenminister Cazeneuve verurteilte die Ausschreitungen scharf.