Gewalt gegen die Seele: Wie die Pandemie den Psychoterror in Beziehungen und Familie verstärkt
Plötzlich ist er in ihr Leben gedonnert. Mit vollem Karacho. Da stand der Charismatiker mit dem Fünftage-Bart und versprach alles, was sie sich insgeheim je von einem Mann gewünscht hatte. Dem „love bombing“, wie der Fachterminus für die Verführungskünste der Narzissten heißt, ist die schüchterne Anwältin Tony (Emanuelle Bercot) ausgeliefert. Sie kann ihr Glück so sehr nicht fassen, dass sie vor den zerstörerischen Kräften, die hinter diesem Liebes-Tsunami stehen, die Augen verschließt. Giorgio, überbordend von Vincent Kassel gespielt, beherrscht die Dramaturgie der Manipulation perfekt: Mit der Schnellspur-Taste werden Liebesschwüre getätigt, es regnet Blumensträuße und Besuche in exquisiten Restaurants, mit Pomp wird geheiratet, ein Kind gezeugt.
Langsam und schleichend schnappt die Falle zu: Denn bald empfindet der Mann die Idylle als zu einengend und hält die Frau mit einem Schlagabtausch von kaltem Desinteresse, perfiden Kränkungen und dramatischen Versöhnungen bei der Stange. Am Ende ist die Frau eine Hülle ihrer selbst, mit zertrümmertem Selbstwert, die sich nur mit der Hilfe von Psychopharmaka durch ihre Tage schleppt. „Ich liebe dich. Aber akzeptiere, dass ich das anders ausdrücke, als du dir das wünscht“, sagt der Mann, der ihr einen emotionalen Kerker gebaut hat. Das französische Filmdrama „Mein ein, mein alles“ der Regisseurin Maïwenn Le Besco ist eine Bilderbuchstudie eines manipulativen Katz-und-Mausspiels. Die deutsche Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki (siehe Interview ) kennt diese Choreographie nur zu gut: Nachdem sich solche Menschenfresser ihre Opfer gefügig gemacht haben, „kann sich der Strick schon sehr bald enger drehen“.
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