Vodka, Gin und Co: Trockene Zeiten für Spirituosen
Eine erfreuliche Nachricht für Mediziner: Österreich trinkt weniger. Aber diese Entwicklung macht an einer anderen Stelle nachdenklich: bei den Schnapsbrennern. Während sich viele nach der weihnachtlichen Völlerei dem „Dry January“ hingeben, um im Januar bewusst auf Alkohol zu verzichten, sieht sich die Verkaufsseite mit einem vermeintlich geschäftsschädigendem Gesundheitstrend konfrontiert: Der Alkoholkonsum nimmt ab.
Hinter dem „Dry January“ steckt mehr als die bloße Erholung von den Feiertagen. Er ist Ausdruck eines neuen, bewussteren Umgangs mit Alkohol. Während sich die Generation der Millennials noch durch „Komasaufen“ einen unrühmlichen Ruf gemacht hat, beschreitet die Generation Z einen anderen, besonneneren Weg. Für immer mehr junge Menschen gilt es bewusster Alkohol zu konsumieren - oder zu „genießen”, wie man in der Spirituosenwirtschaft dazu sagt.
Ernüchterung
Die jährlichen Alkoholerhebungen zeigen überdeutlich: Der Trend geht nach unten – sowohl national als auch international. Laut der VIVID-Fachstelle für Suchtprävention ist der Konsum in den letzten 40 Jahren um 20 Prozent gesunken. Im Jahr 2014 trank der durchschnittliche Österreicher noch rund 12,6 Liter Reinalkohol pro Jahr, 2022 waren es etwa 11 Liter. Dieser Rückgang zeigt sich quer durch alle Altersgruppen, obwohl der Alkoholkonsum in Österreich nach wie vor doppelt so hoch ist wie im internationalen Vergleich.
Besonders bemerkenswert ist, dass junge Menschen weniger trinken als je zuvor. Laut der ESPAD-Befragung 2019 des Gesundheitsministeriums vervierfachte sich der Anteil abstinenter Jugendlicher innerhalb von acht Jahren von vier auf 15 Prozent. Für die Spirituosenbranche war die Attraktivität bei jungen Konsumenten über Jahre ein zentrales Ziel, um sie langfristig an einer Marke halten zu können. Bereits die heimische Bierwirtschaft hat auf den neuen Gesundheitstrend reagiert: Kleinere Dosen und alkoholfreie Biere gehören inzwischen zum Standardsortiment. Wie reagieren jedoch die Hersteller von Vodka, Gin und Co?
Weniger Promille
„Wir beobachten seit Jahren vor allem im Bereich Spirituosen einen Rückgang im Konsum“, sagt der Unternehmensberater und Handelsanalyst Andreas Kreutzer. Während der Corona-Lockdowns konnte die Branche durch das Mischen eigener Cocktails zu Hause noch kurzfristig profitieren, doch seit 2022 dominiert wieder der langfristige Abwärtstrend.
„Der Markt verändert sich. Und mit ihm die Erwartungen der Konsument:innen“, sagt Christopher Roles, Sales Direktor des Spirituosenvertriebs Pernod Ricard in Österreich. Der französische Konzern vertreibt weltweit bekannte Marken wie Chivas Regal, Beefeater oder Absolut Vodka. Statt auf „traditionelle Mengensteigerungen“ passe sich der Konzern auf die neuen Bedürfnisse der Kundschaft an.
Wie ernst Spirituosenhersteller Trends nehmen, kann auf den Getränkekarten der eigenen Stammbar beobachtet werden. Gin-Destillerien sprießen seit Jahren förmlich aus dem Boden, die Nischen-Drinks Whiskey und Rum lassen sich von ihrer Zwangsheirat mit Cola scheiden und Wermut blickt wehmütig auf die goldene James Bond-Ära zurück. Spirituosen spiegeln den Zeitgeist wider, aber hinter ihnen stehen globale Konzerne, die um Marktanteile kämpfen.
Alkoholfreie Alternativen und Ready-to-Drink-Produkte zeigen ein zweistelliges Wachstum sowohl im Volumen als auch im Wert der letzten drei Jahre.
Klasse statt Masse
„Für uns ist es essentiell, auf sich ständig wandelnde Trends mit strategischer Diversifikation zu reagieren“, betont Roles. Denn Getränketrends seien schnelllebig, als Spirituosenvertrieb gelte es sich mit verschiedenen Produkten wie Gin, Vodka und Whiskey breit aufzustellen, „diese Vielfalt ermöglicht es, flexibel auf sich wandelnde Konsumtrends zu reagieren und Abhängigkeiten von einzelnen Kategorien zu minimieren.”
Dazu gehören auch alkoholfreie Spirituosen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen. „Alkoholfreie Alternativen und Ready-to-Drink-Produkte (Anm.: vorgemischte Cocktails für unterwegs) zeigen ein zweistelliges Wachstum sowohl im Volumen als auch im Wert der letzten drei Jahre“, betont Roles.
Dass weniger konsumiert wird, bedeutet aber nicht, dass gar nicht mehr getrunken wird, wie volle Bars und Diskotheken beweisen. Die Spirituosenbranche setzt inzwischen auf „Premiumisierung“. Die Marke sei für viele Produzenten ein Alleinstellungsmerkmal, aber auch traditionsreiches und etabliertes Prestige, das an die Kundschaft attraktiv kommuniziert werden kann.
Kampf um die Marktanteile
„Wenn der Markt schrumpft, nimmt der Wettbewerb unter den Herstellern zu“, erklärt Andreas Kreutzer. Doch nicht alle Hersteller würden dadurch verlieren, vielmehr verändern sich die Marktanteile, so der Unternehmensberater.
Der Umbruch zeigt sich am besten am Beispiel Gin. Diese vergleichsweise einfach herzustellende Spirituose muss nicht lange reifen, was Produzenten kurze Produktionszeiten und deshalb geringere Herstellungskosten ermöglicht. Das eingesparte Geld fließt in Marketingmaßnahmen, um den Absatz zu steigern.
Für Konsumenten bedeutet das: Hinter jedem neuen Trendcocktail steht ein erbitterter Kampf um Marktanteile. Für den Branchenexperten steht fest: Der Spirituosenmarkt ist gesättigt. Es geht nur noch um die Verteidigung von Marktanteilen in einem schrumpfenden Markt.
Kreutzer sieht die Ära der Cocktails am Zenit, aber die Traditionsmarken wären bereits am Erschließen neuer Märkte. Laut dem Handelsexperten sei Trinken auch Ausdruck eines aufsteigenden Lebensstils wie in Asien, wo gerade die international etablierten Marken auf einen aufstrebenden Mittelstand treffen.