Warum alle wissen wollen, wo Prinzessin Kate ist
Das Internet braucht nicht viel, um sich ordentlich in etwas hineinzusteigern. Vor kurzem redeten noch alle über eine gescheiterte Willy-Wonka-Ausstellung in Glasgow – mit einem KI-Foto hatte man bei der Bewerbung der Veranstaltung etwas nachgeholfen – keine zwei Wochen später liegt der Fokus auf Prinzessin Catherine, früher Kate Middleton. Wir bleiben also im Vereinigten Königreich und auf Umwegen auch bei einem manipulierten Bild. Aber von vorne.
Am 25. Dezember 2023 sieht die Öffentlichkeit Prinzessin Kate das letzte Mal. Sie besucht zusammen mit ihrem Ehemann Prinz William und ihren drei Kindern den Weihnachtsgottesdienst in Sandringham. Im neuen Jahr gibt der Palast bekannt, dass sich Kate einer geplanten Operation „im Bauchraum“ unterzogen habe. Genaue Details zum Eingriff gibt es keine, es sei jedenfalls kein Krebs, alles wäre gut verlaufen und Kate würde sich bis Ostern zurückziehen und erholen. Um die anhaltenden Spekulationen zu entkräften – „Ist mit Kate alles in Ordnung?“ – veröffentlichte der Palast diese Woche, passend zum britischen Muttertag, ein Foto der Prinzessin zusammen mit ihren Kindern auf Social Media. „Vielen Dank für eure freundlichen Wünsche und eure anhaltende Unterstützung in den letzten zwei Monaten. Ich wünsche allen einen schönen Muttertag. C“, steht in der Bildbeschreibung, fotografiert habe laut Bildtext Prinz William. Die Botschaft: Alles ist gut.
Nun, wirklich aufgegangen ist dieser Plan nicht. Wegen Manipulationsverdacht zogen mehrere internationale Bildagenturen das Foto zurück. „Bei näherer Betrachtung scheint es, dass die Quelle das Bild in einer Weise manipuliert hatte, die nicht den Fotostandards von AP entsprach. Das Foto zeigt beispielsweise eine Inkonsistenz in der Ausrichtung der linken Hand von Prinzessin Charlotte“, heißt es unter anderem in einer Stellungnahme der Nachrichten- und Presseagentur Associated Press (AP). Mittlerweile räumte der Palast „kleinere Anpassungen“ ein, auf Twitter entschuldigte sich Kate persönlich: „Wie viele Amateurfotografen experimentiere ich gelegentlich mit der Bearbeitung. Ich möchte mich für die Verwirrung entschuldigen, die das Familienfoto, das wir gestern geteilt haben, verursacht hat. Ich hoffe, dass alle Feiernden einen sehr schönen Muttertag hatten. C“. Das Originalfoto veröffentlicht der Palast jedoch nicht.
Endlich wieder was für alle
Zurück zum Internet. Dort geht es seit der Fotoveröffentlichung nämlich rund. Grafikdesigner:innen drehen Videos zu den Photoshop-Fehlern, Influencer analysieren die Biographie von Prinz Harry auf eventuelle Hinweise, es gibt jede Menge Verschwörungsmythen, jede Menge Witze. Kate ist im Netz überall, einerseits weil der Algorithmus, hat man einmal Interesse für ein Thema gezeigt, nicht aufhört, Nachschub vorzuschlagen. Andererseits weil wir Menschen für diese kollektiven Ereignisse recht einfach zu gewinnen sind. Mittlerweile schneiden Soziale Netzwerke den Content, ja sogar die Werbung, direkt auf uns zu, man soll das sehen, was einem gefällt, möglichst lange in der App bleiben, bestenfalls noch etwas kaufen. Da werden die einzelnen Filterblasen immer kleiner, die Feeds immer persönlicher, das Internet immer enger. „Happenings“ wie das gephotoshopte Foto von den Royals brechen das auf, denn dann reden ausnahmsweise wieder alle über das gleiche – jeder versteht die Witze.
„The Crown“, aber in echt
Dazu kommt: Jeder kann mitmachen. Alle können ihre Verschwörungstheorien online zur Debatte stellen, Archivbilder ausgraben und mit dem aktuellen Foto vergleichen, alte Interviews neu interpretieren. Das britische Königshaus bietet dafür eine ideale Projektionsfläche. Jeder kennt die Skandale (Prinzessin Diana, Harry und Meghan, Prinz Andrew und die Epstein-Akten), Identifikationspersonen sind die Royals sowieso keine und seit der Netflix-Serie „The Crown“ gibt es zusätzlich zur realen Ebene auch immer eine fiktionale, auf der wir die Königsfamilie betrachten. Schon lange sind sie nicht mehr nur die „Royal Family“, sondern auch Hauptcharaktere eines Dramas; egal was sie machen, wir filmen innerlich mit. Wenn, zum Beispiel, Meghan und Harry Oprah Winfrey ein Interview geben, sieht man die restlichen Royals in Gedanken schon die Lippen aufeinanderpressen.
Deshalb machen wir uns über die Photoshop-Fehler des Palastes lustig, als wären sie ein komödiantisches Element im Erzählstrang. Und über den Aufenthaltsort und Gesundheitsstatus von Kate wird in True-Crime-Podcast-Manier spekuliert, als hätte es gerade einen fesselnden Plottwist gegeben. „The Crown“ mag in der Realität abgedreht sein, in unseren Köpfen läuft die Serie aber weiter.