Was Frauen wollen (und wer sie davon abhält)

Internationaler Frauentag: Was Frauen wollen …

… und warum sie es immer noch nicht kriegen. Populisten in aller Welt stellen mühsam erkämpfte Frauenrechte wieder infrage. Die Retro-Welle rollt, die Einkommensschere klafft. Elfriede Hammerl erklärt, wie es dazu kommen konnte - und warum es trotzde

Drucken

Schriftgröße

Was ist mit dem Homo sapiens passiert? Verbannt vom Antlitz der Erde und durch eine Horde Troglodyten mit gewaltaffinem Paarungsverhalten ersetzt? Also wirklich. Es gibt Tage, an denen würde sich die altgediente Frauenrechtlerin am liebsten die Decke über den Kopf ziehen und sich abmelden von der Welt. In Russland stimmt die Duma mit überwältigender Mehrheit für einen Gesetzesentwurf, der prügelnde Ehemänner und Väter künftig vor strafrechtlicher Verfolgung bewahrt - es sei denn, der Gewalttäter schlägt öfter als ein Mal im Jahr zu oder das Opfer ist so schwer verletzt, dass es ins Krankenhaus muss.

Die USA haben jetzt einen Präsidenten, dessen Frauenverachtung Teil seiner Trademark ist. Was für ein herzzerreißender Anblick, als nach Trumps Inauguration die schöne, kluge, lebendige, eloquente Michelle Obama in den Hubschrauber stieg, der sie wegbrachte aus Washington, D.C., und statt ihr die starre Melania Trump als First Lady zurückblieb, eine menschengroße Puppe, die sich marionettenhaft an der Hand ihres Gatten bewegt und zu der einem vor allem einfällt, dass sie ungeniert, weil ahnungslos, eine Michelle-Obama-Rede plagiiert hat. Auch die Obamas hielten Händchen, als sie vom Kapitol herunterkamen, aber an ihnen wirkte es als liebevolle Geste. Bei den Trumps sah es aus, als führe der frisch inthronisierte Machthaber ein Requisit mit sich. Dass Frauen auf Melania T. in großer Zahl geradezu gehässig reagieren, erklärt sich aus dem Symbolgehalt dieses Bildes und nicht aus Neid oder Missgunst. Das First Couple Trump verkörpert eine Rollenverteilung, die jede halbwegs selbstbewusste und selbstbestimmte Frau auf die Palme bringen muss: Millionenschwerer Geschäftemacher demonstriert (finanzielle) Potenz durch den Ankauf einer Luxusgespielin. Schaut her, Frauen, signalisieren die Auftritte der Trumps, das ist das Beste, was ihr künftig erreichen könnt: schön zu sein und den Mund zu halten an der Seite eines mächtigen Mannes.

Die Menschenrechte der Frauen

Das altmodische Wort "Frauenrechtlerin“ wird hier bewusst verwendet. Denn genau darum geht es: um die Menschenrechte der Frauen, die immer wieder zur Disposition stehen, in weiten Teilen der Welt sowieso, aber nun auch schon wieder in Ländern, in denen Diskriminierung und Misogynie zumindest offiziell als geächtet galten.

Die Millionen Frauen, die (unterstützt auch von männlichen Mitmarschierern) am Tag nach Trumps Angelobung in Nordamerika, Europa, Australien und Neuseeland auf die Straße gingen, um gegen seine sexistischen Ansagen und seine ebensolchen politischen Vorhaben zu demonstrieren, reagieren nicht nur auf üble Sprüche und einzelne Maßnahmen wie die Streichung der finanziellen Unterstützung für die Non-Profit-Organisation Planned Parenthood, die in über 650 Kliniken medizinische Dienste für Bedürftige anbietet. Sie marschieren in Notwehr gegen einen Backlash, der schon seit Längerem spürbar ist und sich in der Etablierung von Trump und seiner Truppe skrupelloser weißer Landnehmer an der Spitze der US-Politik weithin sichtbar manifestiert.

Amerika ist weit weg, einerseits, aber das Unbehagen, das Frauen auch in London, Paris, Berlin, Frankfurt, München, Genf, Brüssel und Wien auf die Straßen trieb, rührt daher, dass wir die USA in gewisser Weise immer als vorbildlich angesehen haben. Betty Friedan, Gloria Steinem, Marilyn French waren die Ikonen meiner Jugend, und wenn auch das Elend der Vorortshausfrau, wie Friedan es in ihrem Weiblichkeitswahn beschrieb, nicht eins zu eins auf europäische Verhältnisse übertragbar war, die Rollenzuschreibungen waren uns trotzdem gut bekannt, und es war befreiend, gegen sie zu revoltieren. Die USA sind das Land selbstbewusster Frauen, die den Anspruch erheben, Kinder und Karriere zu vereinbaren, das Land, in dem Frauen an der Spitze von Weltkonzernen stehen (was der kapitalismuskritischen Europäerin immerhin gerechter vorkommt als rein männlich besetzte Männerklubs in den Vorstandsetagen), das Land, in dem Frauen den öffentlichen Diskurs selbstverständlich mitbestimmen und in dem ihnen ohne Wenn und Aber ein selbstbestimmtes Leben zugestanden wird.

Ja, selektive Wahrnehmung. Denn daneben waren die USA immer auch ein Land, in dem Frauen nach der Heirat nicht nur hinter dem Familiennamen, sondern auch hinter dem Vornamen ihres Mannes verschwanden (aus Katie Miller wird Mrs James J. Something), und das Land, in dem die brillante Anwältin Hillary Rodham als Gouverneursgattin Hillary Clinton an Keksebackwettbewerben teilnahm, um der Karriere ihres Mannes nicht zu schaden, und die ebenfalls brillante Juristin Michelle Obama als Präsidentengattin zur Vorzeigegärtnerin im Weißen Haus mutierte. Trotzdem. Die USA waren, so wurde es weltweit empfunden, eine Bastion der Frauenrechte. Und diese Bastion scheint mit dem Wahlsieg Trumps gefallen zu sein.

Das wiederum passt zur Welle von Retro-Mentalität, die seit geraumer Zeit auch über andere Teile der Welt rollt, in denen Gleichstellungspolitik bisher wenigstens in Ansätzen zur Basis-Agenda der jeweiligen Regierungen gehörte.

Kopftuch auf oder Kopftuch ab

Wie so oft wird der neue Kampf um die alte Vormachtstellung von den Möchtegern-Despoten über den weiblichen Körper ausgetragen. Das kennen wir seit Langem. Geburtenplanung in Verruf, Abtreibung streng verboten, Prügel nicht so schlimm (beziehungsweise sicher provoziert) und seit Kurzem auch noch Kopftuch auf oder Kopftuch ab, je nach dem Gusto der Anschaffer, denen es nicht um das Befinden der Frauen geht, sondern nur darum, ihnen den Herrn zu zeigen, entweder den muslimisch oder den antimuslimisch legitimierten.

Trump streicht Planned Parenthood das Geld, weil die Organisation im Ausland Frauen in Familienfragen berät und dabei auch den Schwangerschaftsabbruch als eine mögliche Option nennt. Der Klassiker also: Zwang zur Fruchtbarkeit. Trump tut das, um die Evangelikalen und die Pro-Life-Bewegung zufriedenzustellen, die ihm ihre Stimmen gegeben haben.

In Europa graben die Rechtsparteien den Knüppel Abtreibungsverbot aus, weil es gelte, die vermehrungsfreudigen MigrantInnen mit ausreichend volkseigenem Nachwuchs in die Schranken zu weisen. Wieder einmal sollen Frauen auf potenzielle Gebärmaschinen reduziert werden, die man dazu zwingen müsse, dieser Funktion gerecht zu werden. Da tritt dann in Österreich der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Hofer mit seinem Permanent-Lächeln vor die Wählerinnen und Wähler, nennt die Gebärmutter, die er offenbar als eine von der Frau abgekoppelte Location sieht, den "Ort mit der höchsten Sterbewahrscheinlichkeit in Österreich“ und fordert eine verpflichtende Bedenkzeit für Frauen, ehe sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen.

In Polen wiederum, wo Abtreibung mit ganz wenigen Ausnahmen bereits streng verboten ist, sollte kürzlich eine weitere Verschärfung des Gesetzes beschlossen werden. Der Entwurf sah vor, Abbrüche sogar bei Vergewaltigung und Inzest zu untersagen.

Hat beides nicht geklappt. Die Frauen sind noch einmal davongekommen. Hofer wurde nicht Bundespräsident, und in Polen hat das Parlament den Gesetzesentwurf in zweiter Lesung abgelehnt, allerdings erst auf Druck Zehntausender wütender Demonstrantinnen, die in allen polnischen Städten dagegen auf die Straße gegangen waren.

Was bleibt, ist die Angst vor neuen Verschärfungsversuchen - nicht, weil Frauen Abtreibung leichtherzig als probates Mittel der Geburtenkontrolle sehen, wie ihre Gegner behaupten, sondern weil sie im Fall einer Notlage selbstverantwortlich entscheiden wollen. Rigorose Abtreibungsverbote signalisieren einen Herrschaftsanspruch des Staates über den weiblichen Körper. Und davor haben Frauen Angst, jedenfalls alle, die genug Lebenserfahrung besitzen, um sich vorzustellen, was zwangsverordnete Mutterschaft bedeutet.

Der Kampf um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch war der Anfang der zweiten Frauenbewegung. Ich erinnere mich gut an die Anfeindungen, die damit verbunden waren. Und ich erinnere mich gut an die Situation vor der Fristenlösung. Wer Geld und Verbindungen hatte, konnte eine unerwünschte Schwangerschaft beenden lassen. Die dafür zur Verfügung stehenden Frauenärzte - offiziell oft streng katholische Verfechter des Paragrafen 144, der Abtreibung strafrechtlich verbot - verdienten sich damit eine goldene Nase. Wer niemanden kannte und kein Geld hatte, blieb auf der Strecke.

In Deutschland wurde der Abtreibungsparagraf 218 durch die beherzte Alice Schwarzer zu Fall gebracht. Auf ihre Initiative bekannten 374 prominente und unbekannte Frauen - unter ihnen Romy Schneider, Senta Berger, das damalige Supermodel Veruschka von Lehndorff und Alice Schwarzer selbst - in einer legendär gewordenen Ausgabe der Illustrierten "Stern“ 1971: "Wir haben abgetrieben!“

Wenn Frauen jetzt wieder kriminalisiert werden sollen, sofern sie die Kontrolle über ihr Leben - zu der auch die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft gehört - nicht an übergeordnete Instanzen abtreten, dann rüttelt das an der Grundfesten unseres Selbstverständnisses.

Der zweite Klassiker, um Frauen kleinzukriegen, ist der Einsatz körperlicher Gewalt und deren gesellschaftliche Tolerierung. Was die russische Prügelerlaubnis so bedrohlich macht, ist nicht nur der barbarische Akt, Misshandlung durch Reglementierung zu legitimieren, sondern die Tatsache, dass uns die Haltung dahinter alles andere als fremd ist. Eine Sprecherin der Partei Einiges Russland erklärte das neue Gesetz in der Duma so: "Kommt es in einer emotionalen Konfliktsituation zur Gewaltanwendung ohne die Absicht schwerer Körperverletzung, wird eine Strafverfolgung ausgeschlossen.“

Ja, das kennen wir. Die emotionale Konfliktsituation als Entschuldigung für gewalttätiges Ausrasten. Er hat sich halt geärgert. Er war halt aufgebracht. Wobei als plausibler Auslöser für den emotionalen Ausnahmezustand schon eine versalzene Suppe angesehen wurde, von einem Flirt der Ehefrau mit einem anderen Mann ganz zu schweigen. Inzwischen hat Österreich ein vorbildliches Gewaltschutzgesetz. Prügelnde Ehemänner können die Familie nicht mehr als Leo missbrauchen, in dem sie vor strafrechtlichen Konsequenzen sicher sind. Aber dem Gesetz gingen lange Jahre mühseliger Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit voraus, bis Justiz und Judikatur bereit waren, den häuslichen Gewalttäter als das zu sehen und zu behandeln, was er ist: ein Krimineller.

Die Troglodyten, männlich wie weiblich, geben dennoch keine Ruhe. Erst vergangenen Oktober rief eine FPÖ-Lokalpolitikerin zur Schließung der Frauenhäuser auf, weil sie an der "nachhaltigen Zerstörung von Ehen und Partnerschaften maßgeblich beteiligt“ seien. Familienverständnis à la Troglodyt: Solange misshandelte Frauen vor dem Misshandler nicht flüchten können, ist die Familie intakt.

Geschichte der Rückschläge und der Stagnation

Die Geschichte der Frauenbewegung ist auch eine Geschichte der Rückschläge und der Stagnation. In den vergangenen Jahren war viel blasierter Widerwille gegen sie angesagt. Nicht nur rechte Recken, militante Väterrechtler und alte Erzkonservative sprachen das F-Wort mit Würgereflexen aus, nicht nur smarte junge Männer hatten die Nase voll vom Gender-Gesudere, auch coole, lässige junge Frauen schwankten zwischen herablassendem Spott und somatischen Reizreaktionen, wenn sie mit dem anstößigen Begriff Feminismus konfrontiert wurden. Der Feminismus ekle sie an, schrieb Ronja von Rönne in der "Welt“ und bekam dafür prompt den Axel-Springer-Preis angetragen (den sie dann allerdings ablehnte), während Bestsellerautorin Charlotte Roche sich mit Alice Schwarzer anlegte, weil deren lustfeindliche Thesen ihr Vergnügen am Analverkehr geschmälert hätten. Andere weibliche Nachwuchstalente des Feuilletons übten sich ebenfalls im Alte-Emanzen-Bashing. Tenor: Die peinlichen Tanten sollen endlich den Hut nehmen, niemand braucht sie mehr. Die Geschichte der Frauenbewegung ist auch deshalb eine Geschichte der Stagnation, weil jede neue Frauengeneration sich von der vorigen distanziert. Die jungen Frauen sehen die gescheiterten Lebensträume ihrer Mütter, und anstatt die Rahmenbedingungen zu bekämpfen, an denen diese Träume gescheitert sind, bekämpfen sie lieber die alten Weiber. Ohnehin ist alt zu sein und Weib zu sein so ziemlich die schlimmste denkbare Kombi, wenn es um soziales Ansehen geht. Also rücken junge Frauen von alten Frauen ab, in der Hoffnung, dass sie das davor schützt, jemals so etwas Erbärmliches zu sein wie eine alte Frau.

Doch jetzt, auf einmal, bricht sich ein Zorn Bahn, der zeigt, dass vielen Frauen sehr wohl bewusst ist, wann es ans Eingemachte geht. Vielleicht sind sie ja auch schon sehr viel länger sehr viel wütender, als die Medien wahrhaben wollten. Denn abseits vom Feuilleton blieb die Einkommensschere zu Ungunsten der Frauen beharrlich offen, und entgegen der Behauptung, dass sie längst alles erreicht hätten, was zu erreichen sei, kämpfen sie im Alltag unentwegt mit zu vielen Pflichten und zu wenig Geld. Als gäbe es Paralleluniversen: In dem einen repräsentieren hochglanzgestyle Spitzenverdienerinnen die erfolgreiche Selbstvermarktung, die ihnen sogar eigene Zigarrenclubs beschert, im anderen tummeln sich junge Akademikerinnen in prekärer Beschäftigung, Alleinerzieherinnen an der Armutsgrenze, Teilzeitkräfte, die Teilzeit arbeiten, weil sie keinen anderen Job kriegen und/oder Kinder oder Alte versorgen müssen, sowie jede Menge Frauen in niedrig entlohnten Jobs - Supermarktkassierinnen, Arzthelferinnen, Friseurinnen, Serviererinnen. Lady’s Lounge versus wirkliches Leben.

Und da kommt jetzt ein aufgeblähter Mistkerl daher, der es fatalerweise geschafft hat, zum mächtigsten Mann der westlichen Welt zu werden, und spricht allen ihre Menschenwürde ab. Grab them by the Pussy! Das ist zu viel.

Ob und wie es weitergeht, ist schwer abzuschätzen. Der Zorn, der aufgelodert ist, kann eine Stichflamme sein, die vom gnadenlosen, jeden Widerstand niederknüppelnden Herrschaftsanspruch der reichen alten Männer erstickt wird. Vielleicht brennt er aber auch weiter und bringt Frauen, junge wie alte, dazu, sich wieder einmal dem Luftstrom des langen Atems tradierter Geschlechterrollen (wie es der jüngste Sozialbericht des österreichischen Sozialministeriums formuliert) entgegenzustemmen.

Eines hat sich jedenfalls gezeigt: Unser angeblich egalitäres Geschlechterverhältnis bloß durch fremde Kulturen bedroht zu sehen, wäre ein fataler Fehler. Die Probleme mit dem Import einer massiven Frauenverachtung aus Ländern, in denen das Nutztier höher geschätzt wird als der weibliche Mensch, die gibt es, und man darf sie nicht unter den Teppich kehren. Aber gerade diejenigen, die sich am lautesten darüber alterieren, wollen keine abendländische Frauenverehrung retten, sondern lediglich festschreiben, dass sie allein den Weibern zeigen, wo’s langgeht.

Auch in der Person von Donald Trump paart sich Sexismus mit Rassismus. Allerdings erspart er sich die Mühe des Argumentierens; in seinen Augen genügt es, dass er sich das vorrangige Recht auf jedwede Menschenbenützung einräumt. Es könnte sein, dass ihm alternative Fakten einen Strich durch die Rechnung machen.

Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 7 vom 13.2.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.