Birgit Fenderl und Anneliese Rohrer

Was man von Müttern und beim Frühstücken lernen kann

Neue Bücher von zwei ORF-Journalistinnen.

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Der ORF hat es nicht immer leicht – mit seinem Publikum nicht, mit der Politik noch weniger. Und dann ist auch noch die Arbeit, die seine Journalistinnen und Journalisten jeden Tag leisten, so unangenehm flüchtig. Es ist also kein Wunder, wenn zwei ORF-Journalistinnen, die bis auf den Arbeitgeber nicht besonders viel gemeinsam haben, nämlich die "ZIB"-Moderatorin Birgit Fenderl und die Ö3-Talkshowbetreiberin Claudia Stöckl, fast gleichzeitig Bücher veröffentlichen, in denen es vor allem auch darum geht, etwas zu bewahren: Wissen, Sinn, Gefühle.

Bruchlinien und Missverständnisse

Fenderl hat zusammen mit der Journalistin Anneliese Rohrer ein Buch über "die Mutter aller Beziehungen" geschrieben, also jene zwischen Müttern und Töchtern. "Die Mutter, die ich sein wollte. Die Tochter, die ich bin" beruht auf einer gemeinsamen Rauchpause (vor langer Zeit, als man noch rauchte) und erkundet schwieriges Gelände. Es geht um Rollenbilder, psychologische Hinterlassenschaften, Schuld- und Glücksgefühle und wie sie mit dem Sinn des Lebens zusammenhängen. Fenderl und Rohrer lassen Mütter über ihre Töchter reden und diese über jene; einige von ihnen kennt man aus den Medien, die meisten nicht. Sie berichten von Bruchlinien zwischen Personen, Generationen und Kulturen, sprechen von Lebensentwürfen und Sichtweisen, die sich verändern oder eben nicht.

Nicht alle dieser Geschichten sind angenehm, es geht auch um Gewalt und Missverständnisse, um verpasste Chancen und ­späte Reue. Die deutsche Verteidigungsministerin und siebenfache Mutter Ursula von der Leyen sagt: "Das Schlimmste im Rückblick war das schlechte Gewissen." Das Schöne daran: Wenn man das weiß, kann man das Schlimmste verhindern.

"Habe ich mein Lied gesungen?"

Und man kann natürlich Claudia Stöckl zuhören, die im Sonntagvormittagsradio seit über 20 Jahren Frühstücksgespräche mit prominenter Besetzung und intimer Thematik führt und nun endlich die Zeit gefunden hat, die Essenz aus 1000 Gesprächen zu destillieren. "Interview mit dem Leben" geht locker aufs Ganze, handelt von Selbstbewusstsein und -zweifeln (Harald Schmidt: "Wie’s schlecht geht, weiß ich selber"), vom Glück und vom Scheitern der Liebe (Senta Berger: "Es ist eben schwierig, zu erkennen, dass der andere unveränderbar ist"; Rainhard Fendrich: "Selbst die Ivana hat dem Trump den Tower gelassen"), vom Trost (Natascha Kampusch: "Vergebung ist, dass man den Zustand der anderen sehen kann").

Claudia Stöckl

Man muss nicht, kann es aber mit Matthias Strolz sagen: "Wir werden eines Tages auf unser Leben zurückblicken und uns fragen: Habe ich mein Lied gesungen?" Alternativ bietet sich eine Sentenz von Elyas M’Barek an: "Das waren aber jetzt viele Wörter. Ich bin sehr erschöpft."

Birgit Fenderl, Anneliese Rohrer Die Mutter, die ich sein wollte. Die Tochter, die ich bin. Braumüller Verlag, 264 S., 18,99 EUR

Claudia Stöckl Interview mit dem Leben. Verlag Ecowin, 232 S., 20 EUR

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.