Franco Foda bei einer Trainingseinheit.
Fußball

ÖFB: Weil der Hase halt so läuft

Der ÖFB hält nun doch an Teamchef Franco Foda fest – nachdem er ihn öffentlich angeschossen hat. Das größte Problem des Verbandes bleibt der Verband.

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Ein Gnadenakt zauberte dem gedemütigten Franco Foda vor laufenden Kameras ein Lächeln ins Gesicht: Der Teamchef darf bleiben. Gelächelt hatte Foda schon lange nicht mehr. Daran waren empfindliche Niederlagen und interne Zankereien schuld, aber auch die offenherzige Art des neuen ÖFB-Präsidenten. Er wolle herausfinden, „welcher Trainer als Alternative zu Herrn Foda zu haben wäre“, verriet der 65-jährige Gerhard Milletich im ORF, noch ehe er in Amt und Würden war.

Andere Trainer wären aufgestanden und gegangen, hätten eine Tür eingetreten oder zumindest gebrüllt. Franco Foda beantwortete seelenruhig Journalistenfragen. Er habe das alles gar nicht richtig mitbekommen, seufzte der Deutsche. Foda sind Demütigungen nicht fremd: Bei seiner Präsentation vor vier Jahren zählte ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel zunächst alle Teamchef-Kandidaten auf, die ihm abgesagt hatten. Und nach der EM lobte sich Milletichs Vorgänger Leo Windtner selbst öffentlich für den Rapport, zu dem er Foda wegen dessen mangelhaften Führungsstils verdonnert hatte.

Fodas Pech ist zugleich sein Glück: Die Tollpatschigkeit des größten Sportverbandes des Landes. Im September, als Fodas Job nach den Niederlagen gegen Israel und Schottland akut wackelte, verhinderte ein einmonatiges Machtvakuum zwischen der Ablöse des alten und der Inthronisierung des neuen Präsidenten jegliche Konsequenz: Der scheidende ÖFB-Chef wollte Foda nicht mehr entlassen, der neue konnte noch nicht.

Milletich, der Unternehmer, ließ laut profil-Informationen in den ersten Tagen seiner Amtszeit eine Kalkulation erstellen: Was würde es kosten, den Teamchef und sein Trainerteam vor die Tür zu setzen (trotz ihrer Verträge, die im schlimmsten Fall bis Ende 2022 auszubezahlen wären)? Die Antwort lautete: Fodas Rauswurf bringt den Verband finanziell nicht um.

Nicht, dass das den ÖFB aus der Misere retten würde. Denn: Wer sucht einen neuen Teamchef? Sportdirektor Schöttel ist im Verband umstritten. Schon im März wurde dem ehemaligen Nationalteamspieler bei einer Präsidiumssitzung sein fehlendes Konzept vorgeworfen, das er dringend nachliefern möge, „um Kritik an der Direktion Sport entgegenzutreten“. Schöttel müsse erkennen, so ein hoher ÖFB-Funktionär im profil, „dass er stärker in die Pedale treten muss“.

Der neue Präsident suchte rasch neue Experten (obwohl er selbst vor vier Jahren für Schöttel als Sportchef votiert hatte). Als ehemaliger Obmann des SC/ESV Parndorf wisse er, „wie der Hase läuft“, erklärte Milletich in der „Krone“ – wobei er einräumte, „kein Fußball-Experte in dem Sinn“ zu sein.

In der heimischen Fußball-Szene können mittlerweile viele von einem vertraulichen Gespräch mit dem ratsuchenden Milletich berichten. Bald soll ein Experten-Gremium entstehen, das den Experten Schöttel berät, der dann wiederum die Herren im ÖFB-Präsidium instruiert.

Der ÖFB fühlte sich offensichtlich nicht gut genug gerüstet, um den Teamchef (und den Sportdirektor) vor die Tür zu setzen. Dann wäre der Verband alleine von Rechtsanwälten, Managern und Bürgermeistern abhängig, von ehrenamtlichen Funktionären, die im besten Fall bei Legenden und Fußballmanagern Rat suchen; sehr oft aber auf ihr Bauchgefühl vertrauen.

Während bei RB Salzburg unbekannte und preisgünstige (aber akribisch ausgewählte) Fachmänner zu Trainer-Helden aufsteigen, fiel dem ÖFB nie viel mehr ein als Schönwetter-Fans nach dem dritten Bier: Männer mit Mankos. Andreas Herzog neigt zu kindischen Wutausbrüchen, Peter Stöger zu Pessimismus (den er selbst Realismus nennt), Dietmar Kühbauer zu beidem. Oliver Glasner, der bei Eintracht Frankfurt nicht fest im Sattel sitzt und an Heimweh leiden soll, gilt da schon als Geheimtipp.

Wer bloß an der Oberfläche gräbt, hat früh Feierabend. Auch die versprochene Analyse des frühen Ausscheidens in der WM-Qualifikation wurde vertagt und durch Wehklagen und Ausreden ersetzt. So blieb dem ÖFB-Präsidenten nur noch die Hoffnung, dass der Teamchef in den letzten beiden (bedeutungslos gewordenen) Spielen „vielleicht erfolgreich ist“.

Und wie es der Teufel so will: Das war er. Über den Weltranglisten-80. Israel fegte Fodas Team 4:2 hinweg, über den 181. Moldau sogar 4:1. Gleich nach dem Abpfiff verkündete der hocherfreute Präsident: „Franco hat, glaube ich, das Vertrauen verdient.“

So schnell Milletich nach der Klatsche in Israel das Feuer auf den Teamchef eröffnet hatte, so rasch stellte er es nach dem aktuellen Sieg wieder ein. Dabei haben die letzten Spiele nichts am Ist-Zustand verändert: Österreich belegte hinter Dänemark, Schottland und Israel den blamablen vierten Platz in der WM-Qualifikations-Gruppe F. Foda konnte in vier Jahren gegen kein höherklassiertes Team gewinnen – und seine Übervorsicht verliert er nur dann, wenn ihm das Wasser bis zum Hals steht.

Für große Umwälzungen fehlte nach dem langen Zaudern die Zeit. So blieb dem Präsidenten nur, von guten Leistungen und „zweimal vier Toren“ zu schwärmen.

Der ÖFB hätte in den vergangenen zwei Monaten Gelegenheit gehabt, die Misere fachlich aufzuarbeiten und nachvollziehbar zu begründen, warum Foda der falsche – oder auch der richtige – Teamchef ist. Stattdessen hat man gegen die Nummer 80 der Weltrangliste Tore gezählt – und im Präsidium spontan entschieden. Weil der Hase nun einmal so läuft.

 

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.