Damals in Zubrowka

Wes Andersons Kunstkomödie „Grand Budapest Hotel“: Damals in Zubrowka

Kino. Wes Andersons exquisite Kunstkomödie „Grand Budapest Hotel“

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Im Kino des amerikanischen Wunderkammerregisseurs Wes Anderson findet Unglaubliches statt, werden Spektakel überstilisierter Welten entfesselt, in denen nicht nur Sonderlinge Befremdliches tun, sondern auch Fragen der Filmform sehr praktisch erörtert werden: Andersons achter Film, „Grand Budapest Hotel“, erfreut erneut als Orgie der abgezirkelten Kameraparallelfahrten und Choreografien, der Texttafeln, Animationen und Miniatur-Actionszenen, alles auf Basis einer geradezu wahnhaft fein ziselierten Ausstattung (Production-Designer: Adam Stockhausen). Im Wiener Votivkino wird der Film am Dienstag dieser Woche, drei Tage vor seinem Kinostart, als profil-Vorpremiere zu sehen sein.

In einem luxuriösen osteuropäischen Alpenhotel, lauschig gelegen in der fiktiven winterlichen Republik von Zubrowka, setzt diese Geschichte an. Ein eleganter Concierge und Erbschleicher – Ralph Fiennes brilliert mit dem Grenzgang zwischen edlen Manieren und abgründiger Psyche – gerät in einen Mordfall und an eine Kriminellenfamilie, zugleich auch ins Labyrinth einer als Kinderspiel getarnten Kunstanstrengung: Aus dem Staunen über die präzisen Bildkompositionen und Kinoformatvariationen man nicht mehr heraus. (Um einen Eindruck von der kunstvollen Verspieltheit des Anderson’schen Universums zu bekommen, sei übrigens folgende Website herzlichst anempfohlen: www.akademiezubrowka.com)
Wes Anderson ist ein Meister der Verdichtung: Der Ideenreichtum, den er in einen einzigen Film gießt, könnte für 20 weitere reichen. Die in Rückblenden verschachtelte Erzählung führt aus der Gegenwart ins Jahr 1968, von dort aus weiter in die frühen 1930er-Jahre. Distanznahme und sinnliche Überforderung gehören zu Andersons Strategie. So bricht in sein Kinderuniversum gelegentlich recht rabiat die nackte Gewalt, nehmen Faschismus und Kommunismus unschön Gestalt an, während die klassischen Aromastoffe Screwball und Slapstick in eigenwilligen Verhältnissen neu vermischt und verkostet werden.

Stefan   Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.