Christian Fuchs (Leicester City) in Aktion

What the Fuchs!

Ballsaison - die profil-Fußallkolumne von Wolff-Christoph Fuss.

Drucken

Schriftgröße

Vor einigen Wochen haben wir uns hier schon einmal mit der Thematik Leicester City beschäftigt. Es ging um das Ende eines Märchens: die Meisterschaft im vergangenen Jahr, dann der jähe Abstiegskampf in der Liga und schließlich die Trennung von Trainer Claudio Ranieri. Das sollte der Beweis sein, dass Märchen nicht unbedingt ein Happy End haben müssen. Idealerweise lernt man aber etwas aus ihnen. Im Fall von Leicester ist es vielleicht, dass alles Schöne einmal zu Ende gehen muss oder dass jedem Ende ein neuer Anfang innewohnt. Ja, ich weiß, das hat fast ein wenig die Geschmacksrichtung Thekenphilosophie. Wenn man sich dann auch noch vergegenwärtigt, dass der neue Trainer Shakespeare heißt, dann klingt das nach Thekenphilosoph mit Promille. Wenigstens heißt der Shakespeare aus Leicester mit Vornamen Craig. Und er gerät ganz sicher nicht in den Verdacht, sich zwischen Tragödie und Komödie literarisch zu verausgaben. Wie sein Namensbruder scheint er jedoch einen Hang zum Drama zu haben, wenn auch zum fußballerischen.

Das alte Märchen endete unschön und wird prompt von einem neuen Märchen abgelöst: Unter Craig Shakespeare gewinnt Leicester nur noch. Zudem ist man der letzte in der Champions League verbliebene Vertreter der teuersten Liga der Welt - nicht Arsenal, nicht Tottenham, nicht Manchester City, von Manchester United, dem FC Chelsea oder Liverpool ganz zu schweigen. Es klingt wie ein Komödienstoff , ist aber romantische Realität. Da tigern die einen durchs europäische Unterholz, die Blauen aus London und die Reds von der Anfield Road befinden sich gar in einem Sabbatical. Es ist, als ob dem Märchen des Vorjahres jetzt das Krönchen aufgesetzt wurde - nur dass zwischendurch mal eben der Stecker gezogen wurde und Shakespeare den Club wieder an den Strom angeschlossen hat.

In nahezu spielerischer Leichtigkeit hat Christian Fuchs die englisch-amerikanische Lebensweisheit, die nicht ganz der Etikette entspricht, kraft seines Nachnamens entschärft und dadurch salonfähig gemacht.

Auch Frankreich hat mit Paris St. Germain nicht mehr das teuerste Geschmeide im Wettbewerb, mit dem AS Monaco aber immerhin das Fürstentum entsandt. Die italienische Serie A schickt wie immer den sperrigen Ältestenrat von Juventus Turin. Die Bundesliga wird von den beiden besten deutschen Mannschaften aus München und Dortmund vertreten. Das größte Kontingent unter Europas Besten bietet wieder einmal die erste spanische Liga auf: Real Madrid, Atlético Madrid und den FC Barcelona. Die Katalanen spielen seit jeher leichtfüßigen Philosophenfußball, nach dem Comeback gegen Paris glaubt man aber auch dort mittlerweile an Märchen. Atlético stellt die Blaumannfraktion unter den Spaniern, im tiefen Glauben an Trainer Diego Simeone und vor allem daran, dass das Schicksal nach zwei verlorenen Finals in den vergangenen drei Jahren jetzt endlich bereit ist, Gerechtigkeit walten zu lassen.

Dass sich nicht alle vier teilnehmenden Spanier für das Viertelfinale qualifizierten, hatte im Übrigen mit Leicester City zu tun, die gegen Sevilla zum ersten Mal seit Anfang der 1960er-Jahre wieder eine K.o.-Runde im Europapokal erfolgreich überstanden. Jetzt kommt die nächste spanische Mannschaft: Vorjahresfinalist Atlético Madrid. Erwartet werden Zweikämpfe, die man in ganz Europa hört. Vermutlich müssen beide Teams vor dem Anpfiff durch den Metalldetektor.

Die passende Einstellung nicht nur zu diesem Spiel liefert Christian Fuchs, der österreichische Haus-und-Hof-Philosoph in Diensten des englischen Vorjahresmeisters. "No Fuchs given" ist mittlerweile ein eingetragenes Markenzeichen. In nahezu spielerischer Leichtigkeit hat er die englisch-amerikanische Lebensweisheit, die nicht ganz der Etikette entspricht, kraft seines Nachnamens entschärft und dadurch salonfähig gemacht. "No Fuchs given" bedeutet so viel wie, sich nicht allzu viel aus gewissen Schwierigkeiten zu machen, sondern beharrlich seinen Weg zu gehen. So wurde diese Mannschaft aus Gestrandeten, Desperados und anderswo Gescheiterten englischer Meister und letzter Hoffnungsträger der Insel im europäischen Königsfußball. Shakespeare hat diese Mentalität wieder freigelegt. Wenn dies das Motto sämtlicher diesjähriger Viertelfinals ist, hat die ganze Welt was davon.

WOLFF-CHRISTOPH FUSS kommentiert wöchentlich die Topspiele der deutschen Bundesliga und der UEFA Champions League live auf Sky.