Das Chaos im Geschäftsführer-Konflikt ist hausgemacht. Denn der ÖFB ist in zwei Lager gespalten. Die eine Seite stützt Hollerer, die andere Neuhold. Der im Frühjahr 2023 zum Präsidenten gewählte Klaus Mitterdorfer wollte die Sache schleunigst klären. Kurz nach seinem Amtsantritt verfasste er ein Schriftstück und analysierte darin auf drei Seiten den Konflikt aus seiner Sicht. Für Hollerer fiel das Schreiben vernichtend aus. Neuhold dagegen wurde durchwegs lobend erwähnt. Hollerer würde Projekte „erst nach Wochen bearbeiten und freigeben, weil sie aus den Zuständigkeitsbereichen“ von Neuhold kämen. Neuhold wolle „gestalten“, schrieb er, Hollerer dagegen werde im ÖFB als „Verwalter“ gesehen. Das gesamte Schreiben hatte diese Stoßrichtung. Ein eindeutiger Befund.
Mitterdorfer verschickte das Schreiben an zwei seiner Präsidiumskollegen: den Tiroler Vertreter Josef Geisler und den Oberösterreicher Gerhard Götschhofer – zwei erklärte Hollerer-Gegner. Die beiden drängten Mitterdorfer, den brisanten Inhalt im ÖFB-Präsidium zu präsentieren und eine Entscheidung zu treffen. Doch Mitterdorfer zögerte. Götschhofer wurde stutzig. „Als ich festgestellt habe, dass der Klaus Mitterdorfer sich nicht traut, diesen Bericht im Präsidium zu thematisieren, habe ich ihm vorgeschlagen, dass er einen externen Unternehmensberater hinzuzieht, damit ein Dritter darüber berichtet“, erzählte er profil.
Kärntner engagierte Kärntner – eine 100.000-Euro-Beratung ohne Mehrwert für den ÖFB
Der Kärntner Mitterdorfer engagierte das ihm bekannte Kärntner Unternehmen Pirzl und Partner. Dieses führte Gespräche mit Mitarbeitern, Abteilungsleitern, mit Mitterdorfer selbst sowie mehrmals auch mit Teamchef Rangnick. Ende August 2024 referierte man dann im Präsidium – und präsentierte eine eindeutige Erkenntnis, das allen im Gremium bekannt vorkam: Die beiden Geschäftsführer können nicht miteinander.
Eine Lösung war trotz der externen Expertise nicht in Sicht. Denn die Mehrheit im ÖFB-Präsidium steht hinter Hollerer. Der Großteil der Belegschaft sowie Teamchef Rangnick dagegen favorisieren Neuhold. Ende des Vorjahres kam es dann zu einem Streit unter den Entscheidungsträgern, in den auch Rangnick hineingezogen wurde. Denn Präsident Mitterdorfers Sicht hatte sich auf einmal grundlegend gewandelt. Nach wenigen Monaten im Amt hatte er „andere Erfahrungen als jetzt“, erklärte Mitterdorfer profil. „Nun würde eine Entscheidung auf einer anderen Grundlage fußen.“ Hollerer sei „in vielen Bereichen wertvoll für den ÖFB“. Im ÖFB vermuteten viele ein klägliches Motiv hinter dem Meinungsschwenk. „Ich werfe ihm vor“, erklärte Götschhofer, „dass er den Inhalt seines Berichtes nicht thematisieren will, weil er der Mehrheit des Präsidiums nicht gefällt.“ Rangnick und Mitterdorfer entzweite die Frage. Der Teamchef konnte nicht verstehen, warum nun auch Neuhold in der Schusslinie stand, wenn laut Mitterdorfers ursprünglicher Analyse doch klare Verfehlungen Hollerers vorlägen. „Er war nicht in der Lage, zu erklären, warum sich seine Meinung komplett gedreht hatte. Das konnte niemand nachvollziehen“, betonte Rangnick vor wenigen Wochen im profil.
Schließlich kam es doch noch zu einer Entscheidung. Und, wie üblich im ÖFB, zu einem Kompromiss.
Kündigung mit Hintertür
Im Oktober 2024 wurde Mitterdorfer während einer Präsidiumssitzung per Beschluss beauftragt, die Dienstverhältnisse von Neuhold und Hollerer aufzulösen. Doch Klarheit brachte das nicht. Denn in einer ÖFB-Aussendung wurde kurz darauf ergänzt, dass „in weiterer Folge mit Beiden Gespräche über eine mögliche weitere Beschäftigung im ÖFB innerhalb der neuen Struktur zu führen“ seien. Auf profil-Nachfrage bestätigte Präsident Mitterdorfer, dass er beide Herren gefragt habe, „ob sie sich vorstellen können, in einer anderen Aufgabenstellung für den ÖFB weiterzuarbeiten“.
Wochenlang zögerte Mitterdorfer danach mit dem angekündigten Rauswurf. Im November 2024 trat er dann überraschend als ÖFB-Präsident zurück – und setzte in einer letzten Amtshandlung noch die Kündigung um. Das Paradoxe: Gleichzeitig wurden die beiden Geschäftsführer in ihren Ämtern belassen – weil der ÖFB keinen Ersatz parat hatte.
Bartosch: „Wir müssen die Kündigungen rückgängig machen, damit der ÖFB handlungsfähig bleibt“
Eigentlich wollte der Fußballbund in diesen Wochen eine Lösung finden. Doch nun erklärt der neue Präsident Wolfgang Bartosch im profil-Gespräch: „Wir müssen die Kündigungen der beiden Geschäftsführer rückgängig machen, damit der ÖFB handlungsfähig bleibt“. Die wichtige WM-Qualifikation steht an und im März finden die entscheidenden Spiele für den Nations-League-Aufstieg in Gruppe A statt. Neuhold müsse die Rahmenbedingungen planen – und Hollerer den ÖFB auf dem internationalen Parkett vertreten, erklärt Bartosch. „Ich kann ja nicht mit zwei Gekündigten arbeiten, die sich in Wahrheit um einen neuen Job umschauen müssen und nicht mehr voll beim ÖFB sind.“
Ob das alles eine Dauerlösung sei? „Beide sind für sich sehr gut – das Miteinander ist das Problem“, erklärt Bartosch. Die verfahrene Situation geht also – trotz Unternehmensberatung – in die nächste Runde.
„Ich glaube nicht, dass da irgendjemand einen Überblick hatte, was das am Ende kostet“
Nun stellt sich die Frage: Hat es die kostspielige Expertise dafür tatsächlich gebraucht? Die Einbeziehung eines Beraters soll jedenfalls laut profil-Informationen im ÖFB-Präsidium beschlossen worden sein – aber: ein Preisrahmen wurde dabei nicht festgelegt. Eine schriftliche Dokumentation der Ergebnisse soll es laut Bartosch ebenso wenig geben. „Das Präsidium hat keine schriftliche Unterlage diesbezüglich.“ Einige Präsidiumsmitglieder zeigen sich jetzt erstaunt über die hohen Kosten. „Ich glaube nicht, dass da irgendjemand einen Überblick hatte, was das am Ende kostet“, betont einer gegenüber profil. Und ein anderer sagt: „Es war uns nicht bewusst, dass sich eine Rechnung in dieser Höhe entwickeln wird. Noch dazu, wo das Ergebnis der Untersuchung eh allen bewusst war. Ich frage mich schon, wozu es das alles gebraucht hat.“
Präsident Bartosch: „Die Frage, ob das alles effizient war, ist berechtigt“
Dabei wäre im ÖFB gerade Sparen angesagt. Für das abgelaufene Jahr wurde zwar ein Umsatzplus verbucht. Aufgrund des Trainingszentrum-Baus in Wien-Aspern fürchten einige im Fußballbund jedoch, dass die Betriebs-Kosten bald explodieren könnten. Im Präsidium wurde zuletzt um jeden Euro gefeilscht. Die Landesverbände wollten mehr Geld aus der Bundessportförderung und von den Millionen-Prämien der Europameisterschaft. Ein Konflikt zwischen den Entscheidungsträgern und Teamchef Rangnick entwickelte sich. Einige Landespräsidenten waren dem Teamchef jeden neuen Mann in seinem Betreuerstab neidig.
Die 100.000 Euro-Rechnung für den Unternehmensberater ist vor diesem Hintergrund kein Pappenstiel. Der neue Präsident Bartosch erklärt auf profil-Nachfrage: „Ich hätte keinen Unternehmensberater genommen“. Nachsatz: „Die Frage, ob das alles effizient war, ist berechtigt“.
Laut profil-Informationen fühlte Bartosch bereits bei ÖFB-Vertretern vor, ob sie sich vorstellen könnten, dass Hollerer und Neuhold einfach in ihren Funktionen weitermachen. Damit würde alles beim Alten bleiben. Fast alles: Die 100.000 Euro-Rechnung an den Unternehmensberater muss der ÖFB natürlich trotzdem bezahlen.