Interview

Wie kann man die Hoffnung bewahren, Herr Blom?

Der Historiker und Philosoph Philipp Blom weiß, wie Hoffnung funktioniert. Und wie sie gelingen kann – trotz aller Nachrichten, die dagegen sprechen. Im Gespräch erklärt er außerdem, warum Populisten so erfolgreich sind und weshalb Smartphones die Revolution wohl nicht verhindern werden.

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Im Gespräch mit Philipp Blom stößt jedes Aufnahmegerät unweigerlich an seine Grenzen. Das liegt weniger an der turbulenten Hintergrundkulisse seines Wiener Stammcafés, sondern schlicht an der Überfülle der Geschichten und Ideen, die er, bei Milchkaffee und Buttersemmel, druckreif assoziiert. Blom ist als Autor, Vortragender und Radiomoderator wohl das, was man einen public intellectual nennt. Einer, der die Großthemen der Zeit, die grundlegenden Debatten in wohlgesetzten Argumenten erläutern und erhellen kann, auch wenn er selbst am Ende des Gesprächs ein wenig mit der Sprunghaftigkeit seiner Ausführungen hadert. Vor Kurzem veröffentlichte der Historiker und Philosoph den Essayband „Hoffnung“, in dem er – in Briefen an einen anonymen jungen Menschen – erkundet, wie sich unter dem Eindruck von Klimakrise, Artensterben und Demokratieverdruss diese Hoffnung sinnvoll bewahren lässt. Er nennt sie, im Untertitel seines Buches, übrigens „ein kluges Verhältnis zur Welt“.

Während dieses Interview stattfindet, geht gerade die Weltklimakonferenz in Baku …

Blom

… gekapert von der Öllobby, abgehalten neben einem Ölfeld …

… mit einem Minimalkompromiss zu Ende. In Washington wird eine Regierung gebildet, die sich die liberale Demokratie nicht gerade auf die Fahnen schreibt. In Osteuropa fliegen Mittelstreckenraketen, die Wirtschaft steht vor der nächsten existenziellen Krise.

Blom

Und in Palästina werden immer noch jeden Tag Zivilisten ermordet.

Während die israelischen Geiseln immer noch in der Gefangenschaft der Hamas sitzen. Zusammengefasst: Wir stehen gerade wie Dante vorm Höllentor, über dem steht: „Lasst alle Hoffnung fahren.“

Blom

Ich würde mich gegen diese Vorstellung wehren, und zwar aus dem einfachen Grund, dass es sich hier um ein theologisches Denkmuster handelt. Wir leben längst in einer postchristlichen Kultur, aber die Schienen, auf denen unsere Vorstellungen verlegt sind, verlaufen immer noch auf einer christlichen Trasse: Wir können über die Zukunft nur nachdenken als Apokalypse oder als Paradies. Wir gehen entweder in die Hölle oder in den Himmel. In Wahrheit ist Geschichte aber immer ein Sich-Durchwurschteln. Manchmal geschieht das unter schwierigeren Umständen und manchmal unter einfacheren.

Im Moment erscheinen sie jedenfalls nicht rasend einfach zu sein.

Blom

Im Moment werden die Umstände sogar mit Sicherheit schwieriger. Deswegen würde ich es gern so formulieren: Nein, wir gehen nicht in ein Inferno, aber es besteht auch kein Zweifel, dass unsere Zukunft schwieriger und schmerzvoller sein wird, als es unsere jüngere Vergangenheit war.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur und ist seit 2020 Textchef dieses Magazins.