Rapid-Bosse, Alexander Wrabetz (li.) und Michael Tojner (re.) verkündeten zum Trainingsstart, dass Rapid für ein großes Aufrüsten das Geld fehlt. In der Mitte Stadtrat Peter Hacker.
Fußball

Wie Rangnick Rapid helfen wollte

Der zuletzt erfolglose SK Rapid Wien wollte in der Sommerpause groß aufrüsten – nun ist plötzlich doch kein Geld da. Der Rekordmeister wird zum Mittelständler. Dabei wollte sogar Teamchef Ralf Rangnick dem Verein laut profil-Recherchen unentgeltlich helfen. Doch auch daraus wurde nichts.

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Rapid war lange auf einer Mission: der Mission 33. Zur Erklärung: Der Rekordchampion hat insgesamt 32 Meisterteller gewonnen. Den letzten aber vor 15 Jahren. Die Saisonen seither vergingen nach dem immer gleichen Muster: erst der Kampfschrei, dann die Kapitulation. Red Bull Salzburg sei übermächtig, hieß es schließlich. Verärgerte Anhänger schrieben vor einem Jahr auf ein Transparent: „Voller Fokus auf den Sport, sonst seid ihr demnächst alle fort“. Es kam zu einem Fan-Aufstand, die Bosse wurden zum Rücktritt gedrängt. Rapid dürfe nicht noch weiter schrumpfen, lautete die Ansage. Alles habe sich ab sofort „dem sportlichen Erfolg unterzuordnen“, betonte der neu gewählte Klubpräsident, Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz.

Große Ankündigungen folgten: Der Umsatz (zuletzt knapp 50 Millionen Euro) solle innerhalb von drei Jahren um zehn Millionen erhöht, die Mittel für den Sportbereich von knapp 20 auf 30 Millionen aufgestockt werden. Doch die Zeit drängt, Rapid rutscht sportlich ab. Zuletzt war man nicht mehr bloß Zweiter, sondern Vierter. Auch Sturm Graz und der LASK haben den Rekordmeister überholt. Alles kein Dilemma, hieß es. Für „markante Verstärkungen“ werde im Sommer „das Geld da sein“, verkündete Wrabetz. Doch nun ist alles anders. Nach dem Kassasturz des neuen Wirtschafts-Geschäftsführers Marcus Knipping steht fest: Es ist doch kein Geld da. Wird aus dem Rekordmeister ein Mittelständler?

Die knappe Antwort lautet: ja. Man wolle erst mal „unter die ersten sechs“, verkündete Trainer Zoran Barišić vor wenigen Tagen. Ein Saisonziel, das auch Provinzklubs wie der Wolfsberger AC formulieren. Vor ihrer Wahl betonten die neuen Bosse noch: Rapid soll immer in den Top 3 sein. Nun erklärte Sportchef Markus Katzer: „Es bringt nichts, wenn man sagt, wir wollen Meister werden oder den dritten Platz angreifen.“ Das wäre „ein Himmelfahrtskommando“. Man müsse „ehrlich zu den Leuten sein“. Und: „Ab und zu tut die Wahrheit weh“.  „Vor ein paar Monaten“, so Katzer, sei er jedenfalls „noch davon ausgegangen, dass die Rahmenbedingungen anders sind.“ 

Das Problem: Im Verein regierte zuletzt das Prinzip Hoffnung. Der Anhang hoffte auf eine Mitgift der neuen Bosse, etwa vom vermögenden Unternehmer Michael Tojner – doch der musste eben erst 50 Millionen Euro in seinen Batteriekonzern Varta pumpen. Das meiste Geld kann im Fußballgeschäft (neben Sponsoreneinnahmen) mit Transfers und im Europacup verdient werden. Deshalb wurde im Verein ein Cup-Triumph Anfang Mai herbeigesehnt – damit wären ein Europacup-Fixplatz und Millionen-Einnahmen verbunden gewesen. Doch den Titel holte Sturm Graz. Rapid muss nun in zwei beschwerliche Qualifikationsrunden. Letztes Jahr scheiterte man daran, weshalb jetzt Geld fehlt. 

Im Verein hat man zuletzt verzweifelt nach Einsparmöglichkeiten gesucht – aber nicht genügend gefunden, um groß investieren zu können. Ein wenig Geld konnte in die Scoutingabteilung gesteckt werden, kolportierte 700.000 Euro in einen 27-jährigen Serben. Nun soll der eine oder andere Kicker veräußert werden, um noch an Spielkapital zu kommen. Der beste Mann im Kader, Torschützenkönig Guido Burgstaller, ist 34 Jahre alt. Er kann nicht mehr teuer verkauft werden, sondern bloß noch in Sportlerpension gehen. 

Fehlende Rohdiamanten

Rapid verfügt über ein schönes Stadion und ein neues Trainingszentrum. Infrastrukturell ist man gut aufgestellt – nur inhaltlich hapert es. Es gibt keine moderne Spielweise, und auch das Scouting produziert zu viele Flops. Sturm Graz dagegen hat Anleihen bei RB Salzburg genommen: Rohdiamanten werden aufgestöbert, so wie der Däne Rasmus Højlund, der um zwei Millionen Euro erworben und um 17 Millionen verkauft wurde. Zuletzt konnte ein 20-jähriger Spanier von Atlético Madrid verpflichtet werden. Bei Rapid steht im Raum, den bald 33-jährigen Ex-Rapidler Stefan Schwab zurückzuholen. „Es gibt Vereine, bei denen das Geld lockerer sitzt“, betonte Trainer Barišić. Bei Rapid verfolge man „eine andere Philosophie. Dieser Weg ist steiniger, härter. Und es wird möglicherweise dauern, aber er ist der beste.“ Faktisch führte er erst einmal ins Mittelmaß – ohne große Perspektive. Der aktuelle Rapid-Kader ist 25 Millionen wert, jener von Sturm Graz das doppelte. Dabei hatte Rapid in den letzten Jahren mehr Geld zur Verfügung, rangierte bei den Umsatzzahlen klar auf dem zweiten Platz hinter Salzburg. Für den Sportbereich wurden pro Jahr etwa 20 Millionen aufgewandt, mehr als in Graz oder Linz.

Geplant wurde der aktuelle Rapid-Kader (der gerade entrümpelt wird) von Zoran Barišić, einem Ex-Rapid-Spieler, der lange als Sportchef fungierte, im Herbst das Traineramt übernahm, mit seinem selbst zusammengebauten Kader aber nur auf dem vierten Platz landete. Im Verein werkt eine komplette Rapid-Mannschaft vergangener Tage: Geschäftsführer, Sportchef, Trainer, Kaderplaner, Tormanntrainer, Nachwuchstrainer – alle spielten einst für Rapid. Für den Rapid-Fußballgott Steffen Hofmann wurde gar ein neuer Posten geschaffen – statt zwei Geschäftsführern gibt es nun drei. Einen für Wirtschaft, einen für Sport – und einen für Hofmann. Rapid II wird vom einstigen Fanliebling Stefan Kulovits trainiert – ohne Erfolg, zuletzt stieg man in die dritte Liga ab. Bald soll auch der langzeitverletzte Rapidler Christopher Dibon einen Posten im Klub erhalten.

 

„Es bringt nichts, wenn man sagt, wir wollen nächstes Jahr Meister werden oder den dritten Platz angreifen. Das wäre ein Himmelfahrtskommando."

Markus Katzer, Rapid-Sportdirektor

Immerhin beim neuen Wirtschafts-Geschäftsführer hat man „weit über den Tellerrand geblickt“, betonte Wrabetz stolz. Marcus Knipping war kein Rapid-Spieler, sondern über 20 Jahre Finanzdirektor beim deutschen Spitzenklub Borussia Dortmund. Seit 1. Juni ist er im Amt, seine erste Amtshandlung: riskante Aufrüstpläne stoppen.

Im Verein vermuten manche, die Armut werde jetzt bewusst lauthals verkündet, um den Boden für ein bisheriges No-Go zu bereiten. Der Milliardär Tojner bringt weiterhin, wie von profil Ende April berichtet, sein „Partner-Modell“ ins Spiel. Drei Investoren sollen dabei je zehn Prozent der SK Rapid GmbH für insgesamt

30 Millionen Euro erwerben. Doch Rapid ist ein Mitgliederverein, Fans haben ein gewichtiges Wort, sie sollen dem Vernehmen nach einen Teilverkauf mehrheitlich ablehnen. Einige im Präsidium stehen ohnehin auf der Bremse. Rapid stünde einfach zu schlecht da, heißt es – das alles würde „einem Notverkauf“ gleichkommen.

Rangnick bot Hilfe an

Hilfe wäre beinahe von unerwarteter Seite gekommen. Laut profil-Recherchen soll Teamchef Ralf Rangnick im Winter, noch bevor alle Posten bei Rapid besetzt waren, dem Verein unentgeltlich seine Hilfe angeboten haben. Rangnick, so erzählt man in der Branche, habe als Teamchef ein Interesse daran, den österreichischen Fußball weiterzuentwickeln – und bietet Bundesligaklubs immer wieder seinen Rat an. „Ich bin Teamchef von Österreich“, betonte er zuletzt im profil, „und als solcher will ich, dass Rapid, Austria, Sturm oder der LASK zu den besten Versionen ihrer selbst werden.“ Rangnick soll Rapid wertvolle Ratschläge und sein internationales Netzwerk in Aussicht gestellt haben, was die Suche von fähigem Personal (vom Trainer bis zum Scout) betrifft. Als kleine Gegenleistung soll ein gelegentliches Antreten des Nationalteams im Rapid-Stadion diskutiert worden sein. Wrabetz und Tojner sollen laut profil-Recherchen offen dafür gewesen sein, dadurch gute Einnahmen erhofft und Zuversicht signalisiert haben – doch dann gab es Fan- und Anrainerproteste. Das Rapid-Stadion blieb dem ÖFB-Team verschlossen. Es stünden „zahlreiche Pflege- und Regenerationsmaßnahmen für den Rasen auf der Agenda“, verlautbarte der Verein.

Die Rapid-Familie muss sich nun selbst aus dem Schlamassel ziehen. Im Fußballgeschäft seien Gelder im Spiel, „die wir nicht haben“, sagte Wrabetz zuletzt. „Daher müssen wir auf etwas setzen, das wir schon haben: den Kampfgeist und den Nachwuchs.“ Einige Nachwuchsspieler wurden nun nach oben beordert – obwohl Wrabetz erst kürzlich im „Kurier“ angemerkt hatte, „dass aktuell aus dem Nachwuchs nicht die nötigen Verstärkungen zu den Profis wechseln“. Trainer Barišić setzt indes auf alte Tugenden: Er kündigte die „härteste Vorbereitung aller Zeiten“ an. Nachsatz: „Das wird kein Honigschlecken.“

Gerald Gossmann

Gerald Gossmann

Freier Journalist. Schreibt seit 2015 für profil kritisch und hintergründig über Fußball.