Will haben, will sein: Über Neid
Bevor Ian Fleming als James-Bond-Erfinder durchstartete, fristete er ein Dasein als Spion und Journalist. Als Redakteur der Londoner „Sunday Times“ hatte er in den 1950er-Jahren die brillante Idee, der E-Klasse britischer Schriftsteller Geschichten zu den sieben Todsünden abzuverlangen. In seinem Intro-Text geriet der spätere 007-Schöpfer in Laster-Euphorie: „Wie öde wäre das Leben ohne diese Sünden, wie langweilig wären wir alle, hätten nicht viele unseren Charakter geprägt.“
Tatsächlich würde dem Shakespeare-Personal von Lady Macbeth bis Othello, aber auch sämtlichen Hollywood-Perfiden wie Batmans Joker, Schneewittchens Stiefmutter oder Hannibal Lecter ohne dieses Sündenregister der Antriebsmotor fehlen: Wollust, Habgier, Zorn, Völlerei, Hochmut, Trägheit (der Langeweiler unter den Todsünden) und eben Neid, der sich in der Rache und Zerstörungswut der zu kurz Gekommenen manifestieren kann, sind auch in der Realität die Trigger-Gefühle für die meisten aller Verbrechen. Zu verdanken haben wir diese offizielle Hitparade menschlicher Abgründe Papst Gregor dem Großen (540 bis 604 n.Chr.), der als besonders intolerant galt.
Tatsächlich hatte besonders jenes Gefühl, das uns regelrecht auffressen kann und unseren Teint gelb werden lässt, in den letzten 15 Monaten reichlich Nahrung. In einer Phase, in der die darwinistische Theorie vom „Survival of the fittest“ so wörtlich wie noch nie in diesem Jahrhundert zu nehmen war, kroch der Neid in den unterschiedlichsten Ausformungen wie ein Spaltpilz durch die Gesellschaft. Und warf ständig neue Fragen auf: Warum steckten einige das Virus so locker wie eine Erkältung weg, während andere über Wochen intubiert werden mussten? Wer von den Genesenen hatte die meisten Antikörper? Und warum? Wer kassierte bei den Entschädigungsfonds am meisten ab? Wer drängelte sich in den Impfschlangen unrechtmäßig vor? Wer musste sich mit dem Image-Verlierer unter den Impfstoffen AstraZeneca zufrieden geben?
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