ZARA-Chefin Claudia Schäfer über Hass im Netz: "Nicht resignieren"
INTERVIEW: INES HOLZMÜLLER
profil: Wie wird die Beratungsstelle "#GegenHassimNetz" angenommen? Schäfer: Seit dem Start Mitte September haben wir rund 550 Hasspostings bearbeitet, sowie die Melder – sofern gewünscht – über mögliche Vorgehensweisen beraten, strafrechtlich relevante Inhalte zur Anzeige gebracht, beziehungsweise um Löschung bei den Providern angesucht. Außerdem überwachen wir für die EU-Kommission auch die Einhaltung des "Code of Conduct" gegen Hass im Netz, wofür wir gezielt auf Facebook, Twitter und YouTube nach illegalen Hassinhalten für den Raum Österreich gesucht haben.
profil: Was wird am häufigsten gemeldet? Schäfer: Meistens handelt es sich um Verhetzung, Beleidigung sowie die Verbreitung von Hass und Gewalt – im nicht strafrechtlich relevanten Bereich.
profil: Wer ist besonders von Hass im Netz betroffen? Schäfer: Seit der sogenannten Flüchtlingskrise gibt es sehr viel Hass und Hetze gegen Geflüchtete. Vor allem Frauen sind zunehmend betroffen und oft gleich mehrfach, wenn sie etwa Kopftuch tragen und dann zusätzlich – aufgrund einer Zuschreibung zur Gruppe der Geflüchteten – nochmal abgewertet werden. Zudem beobachten wir auch anlassbezogene Spitzen, wie zum Beispiel vermehrten Antisemitismus anlässlich der Causa Silberstein. Generell gibt es nach polarisierenden Nachrichten oder Pressemeldung immer einen riesigen Output.
profil: Wer meldet Postings und Kommentare? Eher Betroffene oder Zeugen? Schäfer: Meistens melden sich mitlesende User bei uns. Wir gehen aber auch davon aus, dass sich viele Leute als Zeugen melden, weil sie sich nicht als Opfer deklarieren wollen. Man gibt damit etwas über sich selbst preis oder outet sich als Angehöriger einer bestimmten Gruppe.
profil: Braucht es ein "Opfer", damit die Behörden gegen Hassposter tätig werden? Schäfer: Nein, bei strafrechtlich relevanten Inhalten wird die Staatsanwaltschaft ohnehin tätig. Geht es aber zum Beispiel um Beleidigungen, müssen die Betroffenen schon den ersten Schritt setzen. Viele fühlen sich schon besser, wenn wir sie beraten und sie bestärken, dass sie im Recht sind und nicht "überempfindlich" reagieren. Dann stellt sich natürlich die Frage, ob man tatsächlich einen Prozess auf sich nehmen will. Verliert man diesen, kann das auch kostspielig werden.
profil: Wie reagieren Hassposter, wenn sie mit ihrem Falschverhalten konfrontiert werden? Schäfer: Hassposter sind oft überrascht, vor allem, weil Inhalte im Netz oft als rechtlich "minderwertiger" wahrgenommen werden. Das stimmt natürlich nicht. Das Bewusstsein für das Thema ist durch die mediale Debatte allerdings sehr stark angestiegen.
profil: Wer sind die Täter? Schäfer: Wir recherchieren grundsätzlich nicht zu den Tätern, wir sind ja keine Ermittlungsbehörde. Aus Studien wissen wir aber, wer stark beteiligt ist – und das deckt sich punktuell mit unseren Beobachtungen: Bei rechtspopulistischen Inhalten etwa helfen vor allem Männer, die zwischen Mitte 20 und Mitte 30 sind, den Postings Reichweite zu verleihen.
Die Menschen sollen sich nicht damit abfinden.
profil: Unternehmen Social-Media-Plattformen zu wenig gegen solche Inhalte? Schäfer: Die Initiative der EU-Kommission hat hier sehr viel ausgelöst. Man könnte immer sagen, es ist zu wenig, aber sie bemühen sich schon sehr. Facebook hat bei den letzten Monitorings sehr gute Löschraten erzielt, das hat sich wirklich stark verbessert. Bei unserer letzten Überprüfung hat Facebook 86% der illegalen Inhalte gelöscht. Schlusslicht für den Raum Österreich wurde Twitter.
profil: Was kann man als Social-Media-User selbst gegen Hass im Netz tun? Schäfer: Hilfreich ist es immer, wenn man eine Gegenposition einbringt. So kann die Debatte beeinflusst und jenen, die nur mitlesen, auch eine andere Perspektive aufgezeigt werden. Den Opfern hilft es jedenfalls, sich mit ihnen zu solidarisieren. Wichtig ist es auch, nicht zu resignieren, und Hass und Hetze ständig zu thematisieren. Die Menschen sollen sich nicht damit abfinden.
profil: Wird im Bildungsbereich genug auf das Thema eingegangen? Schäfer: In den Schulen könnte man sicher noch gezielter zum Thema arbeiten. Vieles spielt sich mittlerweile in geschlossenen Räumen, zum Beispiel in WhatsApp-Gruppen ab, die man ja nicht offen einsehen kann. Man muss Kinder so weit sensibilisieren, dass sie auch mit gewissen Dingen "rausrücken" und zum Beispiel Kettenbriefe mit Drohungen mit einer Vertrauensperson besprechen und nicht einfach weiterschicken. Darauf Einfluss zu nehmen, wird in Zukunft eine riesige Herausforderung sein.