Zoran Barišić: "Ein Stadion spielt nicht Fußball"

Rapid-Trainer Zoran Barišić über grün-weiße Visionen, Vorbilder und was er mit 200 Millionen anstellen würde.

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INTERVIEW: CLEMENS ENGERT

profil: Sie haben in den letzten Wochen oft betont, dass Sie zufrieden wären, wenn Rapid in den nächsten Jahren immer das Sechzehntelfinale der Europa League erreichen würde. Darf es irgendwann auch einmal ein bisschen mehr sein? Barišić: Natürlich würde ich mich nicht dagegen wehren, wenn wir irgendwann einmal ins Achtel- oder Viertelfinale kommen würden. Ich wollte mit dieser Zielsetzung nur betonen, dass es vom Sportlichen und Finanziellen her schon als großer Erfolg zu werten ist, wenn man international überwintert. Bei Rapid hat es das ja schon seit langer Zeit nicht mehr gegeben.

profil: Was wäre Ihnen lieber: Sich für die CL zu qualifizieren und mit ein paar Punkten Gruppenletzter zu werden oder das Europa League-Achtelfinale zu erreichen? Barišić: Das ist eine Frage, die schwer zu beantworten ist. Um uns für die Champions League zu qualifizieren, müssten wir Meister werden, sowie die Champions League-Qualifikations-Runde und das Play-Off überstehen. Das wären riesengroße Erfolge, die ich doch gerne mitnehmen würde.

profil: Ihr Präsident Michael Krammer hat das ambitionierte Ziel ausgegeben, Rapid bis 2019 in die Top 50 Europas führen zu wollen. Ist diese Zielsetzung für Sie mehr Bürde oder Ansporn? Barišić: Es ist eine Vision, und Visionen sind wichtig, um das Bestmögliche zu erreichen. Ich glaube allerdings nicht, dass mir der Präsident den Kopf abreißen würde, wenn wir schließlich auf Rang 59 oder 61 landen. Man muss in der Öffentlichkeit ein bisschen vorsichtig sein, welche Ziele man formuliert – andererseits ist es als Verein unabdingbar, gewisse Ambitionen zu haben.

profil: Wie kann man dieses Ziel erreichen, wenn man gleichzeitig als Ausbildungsverein agieren muss? Barišić: Wir haben uns bei Rapid vor geraumer Zeit einer gewissen Philosophie verschrieben, der wir konsequent nachgehen. Das betrifft sowohl das Spielerische als auch die Transferpolitik. Nun ist es für uns wichtig, die nächsten Schritte auf diesem Weg zu gehen. Wir wollen perfekte Arbeit im Nachwuchsbereich abliefern und unser Scouting-System optimieren, um Spieler verpflichten zu können, die für uns leistbar sind und uns gleichzeitig sportlich weiterbringen. Das ist auch im Hinsicht auf etwaige Spielerabgänge wichtig: Sofort adäquaten Ersatz bei der Hand zu haben.

profil: Welchen Einfluss haben die Erfolge des österreichischen Nationalteams auf den heimischen Klubfußball? Barišić: Natürlich ist es für uns alle eine Freude, wie sich das Nationalteam entwickelt hat, weil es nun einmal das Flaggschiff des österreichischen Fußballs ist. Mit der souveränen EM-Qualifikation hat das Team ein Ausrufezeichen gesetzt. Das wirkt sich natürlich positiv auf unsere sportliche Reputation in Europa aus.

Es kann nicht sein, dass ein Verein aufgrund eines einzelnen Geldgebers aufsteigt und dann einfach von der Bildfläche verschwindet, wenn sich dieser zurückzieht.

profil: Wie kann es - im Soge des Nationalteams - gelingen, auch das Niveau in der heimischen Bundesliga dauerhaft anzuheben? Barišić: In diesem Zusammenhang ist natürlich der Bereich der Infrastruktur ganz wichtig. Das Lizenzierungsverfahren muss einfach einen gewissen Standard vorgeben, der dann einzuhalten ist. Ich fordere in diesem Bereich nicht nur eine Verbesserung der Rasenqualität, sondern auch die Einführung eines Einheitsballes für die Liga.

profil: Viele sehen es als Problem, dass immer mehr sogenannte „Dorfklubs“ in der obersten Spielklasse spielen. Barišić: Natürlich haben es Vereine wie Grödig oder der WAC auf sportlichem Wege in die Bundesliga geschafft. Es geht allerdings darum, in den Lizenzierungskriterien klar festzulegen, über welche Strukturen ein Bundesliga-Klub zu verfügen hat. Es kann nicht sein, dass ein Verein aufgrund eines einzelnen Geldgebers aufsteigt und dann einfach von der Bildfläche verschwindet, wenn sich dieser zurückzieht.

profil: Welchen Effekt erhoffen Sie sich durch das neue Stadion? Barišić: Ein Stadion spielt nicht Fußball. Ich gehe jedoch davon aus, dass die neue Heimstätte der Mannschaft und dem ganzen Verein sehr viel Energie geben wird. Wir wollen eine noch größere Heimmacht werden – gegnerische Mannschaften sollen sich ruhig ein bisschen eingeschüchtert fühlen, wenn sie zu uns kommen.

profil: Ist Rapid – aufgrund des hohen Zuschauerzuspruches und des neuen Stadions – der einzige Verein in Österreich, der in Zukunft wirklich konstant in Europa mitspielen kann? Barišić: Ich glaube, dass auch Red Bull Salzburg immer wieder eine Rolle in Europa spielen wird, weil sie einfach die wirtschaftlichen Voraussetzungen haben, um jedes Jahr in eine Gruppenphase zu kommen. Auch wir wollen dieses Ziel konstant erreichen – man darf jedoch nicht davon ausgehen, dass dies für Rapid etwas Selbstverständliches ist.

profil: Muss man ein guter Fußballer gewesen sein, um ein guter Trainer sein zu können? Barišić: Eindeutig nein. Es gibt mittlerweile viele sehr erfolgreiche Trainer, die keine große Karriere als Spieler hatten.

profil: Gibt es einen speziellen Trainertypus, dem Sie sich zugehörig fühlen? Barišić: Grundsätzlich hat jeder sein eigenes Konzept. Ich bewundere jedoch Trainertypen wie Arsene Wenger, die über längere Zeit bei einem bestimmten Verein tätig sind und nachhaltig arbeiten. Das war auch der Grund, warum ich damals das Angebot von Rapid angenommen habe: Weil mir die Möglichkeit gegeben wurde, etwas Längerfristiges aufzubauen. Wir haben uns von Grund auf eine Spielphilosophie überlegt und diese mittlerweile auch von der U-13- bis zur Kampfmannschaft vereinheitlicht. Das hat es bis dato bei Rapid in dieser Form noch nicht gegeben.

Es ist für mich sehr wichtig, dass Rapid eine in sich geschlossene Gemeinschaft bleibt und nicht ein einzelner Patriarch am Werk ist, der alles alleine bestimmen will.

profil: Sieht man sich nach der Arbeit mit der Mannschaft als Trainer auch noch jeden Abend Spiele aus internationalen Topligen oder der Champions League an? Barišić: Natürlich sehe ich mir auch viele Spiele an – speziell in der Champions League und Europa League. Wir wollen uns ja auch nach gewissen Trends richten. Es gibt dann durchaus immer wieder Szenen, die man am Computer speichert, um sie dann gemeinsam mit der Mannschaft zu analysieren.

profil: Tut es gut, dass man in Hütteldorf nicht unbedingt von den Launen eines einzelnen Geldgebers abhängig ist? Barišić: Ja. Es ist für mich sehr wichtig, dass Rapid eine in sich geschlossene Gemeinschaft bleibt und nicht ein einzelner Patriarch am Werk ist, der alles alleine bestimmen will.

profil: Was halten Sie von Vereinen wie Manchester City oder PSG, die mit Milliarden aus Katar quasi wahllos Spieler und Trainer verpflichten können? Barišić: Jeder soll es so machen, wie er es für richtig erachtet. Für mich stellen sich jedoch in diesem Zusammenhang zwei Fragen: Was geschieht mit dem Verein, wenn es diesen Geldgeber nicht mehr gibt? Und: Kann sich der Fan mit dem Klub immer noch so identifizieren wie vor der Übernahme? Tatsache ist, dass Fußball mittlerweile ein riesiger Wirtschaftszweig ist und solche Dinge deshalb immer öfter vorkommen werden.

profil: Wenn Sie – wie Pep Guardiola im nächsten Sommer bei Manchester City - 200 Millionen am Transfermarkt ausgeben könnten, wen würden Sie holen? Barišić: Lionel Messi. Mehr würde sich dann allerdings mit 200 Millionen auch nicht mehr ausgehen. Oder man könnte sich viele junge Spieler holen, die man ein paar Jahre später für das Doppelte wieder verkaufen kann. Das wäre auch ein Ansatz.

profil: Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann einmal auch die Austria zu trainieren? Barišić: Nein.

ZUR PERSON:

Zoran Barišić, 45, spielte in seiner aktiven Zeit unter anderem für Rapid (1993-1997) und den FC Tirol (1997-2001), holte viermal den österreichischen Meistertitel und stand 1996 im Finale des Europapokals der Cupsieger. Er absolvierte ein Länderspiel für das österreichische Nationalteam. Seit dem Frühjahr 2013 ist Barišić Chef-Trainer bei Rapid.