Gerichtsurteil

Zum Jahr des Drachen: Das „Shanghai-Restaurant“ in Wien

Demnächst startet China ins Jahr des Drachen. Höchste Zeit, um das Glück im Wiener China-Klassiker „Shanghai“ zu suchen.

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Am 10. Februar ist es so weit: In der Volksrepublik China wird das Jahr des Drachen (ganz genau: des Holzdrachen) eingeläutet. Laut den einschlägigen Plattformen soll dieses vor allem Glück und Reichtum bringen, aber orientieren wir uns doch lieber an einem Eckpfeiler, der nicht direkt aus dem Reich der Mythen stammt: Das „Shanghai“ ist, ganz echt, ein Klassiker unter Wiens China-Restaurants.

Eröffnet wurde es bereits 1963 am heutigen Standort in der Jasomirgottstraße im 1. Wiener Gemeindebezirk. 2021 hat man das Lokal neu gedacht, die spektakulär kitschige Holzeinrichtung von 1963 ist erhalten geblieben. So weht ein dezent verstaubtes Flair durch das „Shanghai“ – und das ist gar nicht negativ gemeint. Die Servicebrigade ist ausnehmend professionell, durchaus sehr elegant gekleidet, man zieht es mit der Oldschoolhaftigkeit durch. Küchenchef Cao ist da schon etwas experimentierfreudiger.

Am deutlichsten wird das bei der an einen Schlachtschmaus beim Dorfwirt erinnernden knusprig gebackenen Blunzen-Frühlingsrolle. Wie bekommt man eine Blutwurst auf das gehobene Niveau des Lokals? Man serviert sie mit Saiblingskaviar! Damit die fischige Salzigkeit des Kaviars nicht zu viel Raum einnimmt, präsentiert man diesen auf einem pikant-süßen Wasabi-Mango-Beet – so harmonieren Blutwurst und Fischeier. Eigentlich fast wie beim Surf and Turf, nur halt ohne Hummer und Rind.

Eine ähnliche Kombination dann bei der Vorspeise. Quallen (Bild oben) haben sich auf den Speisekarten Mitteleuropas noch nicht so wirklich durchgesetzt; schade eigentlich, denn sie sind nicht nur ein Eiweißlieferant erster Güte, ihre geleeartige, beinahe knorpelige Beschaffenheit und ihr nur dezenter Eigengeschmack verbinden sich wunderbar mit allerlei Drumherum. In diesem Fall handelt es sich um fein gewürfelte Entenbrust, Paprika, Chili, etwas Ingwer und viel Koriander.

Die für den Hauptgang aus dem Wok kommenden Black-Tiger-Riesengarnelen (Bild unten) wurden mit Shiitake-Pilzen und ein paar Granatapfelkernen  aufgebrezelt – die reinste Geschmacksexplosion aus Schärfe und Säure, gepaart mit einer auflockernden Portion gedämpftem Reis. Wirklich sehr gelungen. Nicht ganz in derselben Liga spielt die knusprige gebackene Ente: Sie ist an manchen Stellen einfach zu teigig. Das lässt sich durch den knackigen  Gemüsesockel, hauptsächlich aus Zwiebel und Brokkoli bestehend, locker verschmerzen.

Nicht sehr gewagte These: Es zieht einen nicht unbedingt wegen der Desserts in chinesische Restaurants. Dem Klischee nach rechnet man mit einer gebackenen Banane mit Vanilleeis oder einem Fruchtsalat. Nicht so im „Shanghai“: Hier kommt es beim gebackenen Vanilleeis mit Erdbeeren und weißem Miso zum Einsatz sämtlicher in einem Gästeraum zulässiger Pyrotechnik-Elemente (Bild ganz oben). Die gebackene Eiskugel, mit echter Bourbon-Vanille versetzt, wird mit großer Geste flambiert, der Herr Servierchef kann gerade noch seine Augenbrauen retten. Allgemeine Erheiterung, geschmacklich auch ganz gut. Viel Hitze, Eis trotzdem noch erkennbar.

Chinesisches Neujahrs-Fazit: Im „Shanghai“ bekommt man alles, was man sich von einem chinesischen Lokal erwarten möchte – ein bisschen feiner, ein bisschen kreativer und auch ein bisschen schöner präsentiert. Am Ende kommen dann auch noch ein paar Glückskekse zur Rechnung. Mit „Sieh den Tatsachen würdevoll ins Auge“ kann ich eher weniger anfangen, dann schon lieber: „Packen Sie das Glück beim Schopf.“

Stimmung: China²
Empfehlung: bei Enten-Phobie meiden, bei Pyromanie reservieren
Preisverhältnis: durchaus gehoben, aber nicht überteuert
Shanghai Restaurant, Jasomirgottstraße 6, 1010 Wien; shanghai.at 

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.