Gerichtsurteil

Zum Superwahljahr ein Wahllokal: Das Wiener „Sägewerk“

Im Jahr 2024 werden viel Wahlen stattfinden. Passend dazu können Sie im „Sägewerk“ die Zutaten selbst bestimmen.

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Wenn Sie die aktuelle profil-Ausgabe gelesen haben, wird Ihnen ein Umstand nicht entgangen sein: Im Jahr 2024 wird es ganz schön viele Möglichkeiten geben, Kreuze auf eine Wahlkarte zu kritzeln. Falls Sie nun noch einen Schritt weiter gehen und den Zauber der Demokratie auch beim Essen spüren wollen: In der Restaurantkette „Die Bausatzlokale“ könnten Sie Ihr Eldorado finden.

Dort kann man sich nämlich so gut wie alles selbst zusammenwählen. Seinen Ursprung hat das Projekt in Graz, dort existiert es bereits seit 1997. Mittlerweile findet man verschiedenste Bausatzlokale auch in Kärnten und Wien, hier zum Beispiel im 9. Bezirk: Im „Sägewerk“ in der Währinger Straße stehen die Wahlkarten und Kugelschreiber schon auf den Tischen bereit. Jetzt gilt: entscheiden, entscheiden, entscheiden. Man wählt zwischen verschiedenen Grundgerichten und kreuzt dann zusätzliche Zutaten an, die drauf- oder reinkommen sollen. Während der Wartezeit kann man sich dann vom Interieur Furcht einflößen lassen. Die vielen Sägevariationen an den Wänden erinnern doch sehr deutlich an eine beliebte Horrorfilmreihe, in der eine Säge eine einschneidende Rolle spielt. Das Lokalmotto wiederum („Das Leben ist ein Bausatz“) klingt eher nach „Forrest Gump“-Fortsetzung. Auch die Preise sind angenehm tief, die Uni-Nähe spielt offensichtlich eine Rolle. Die Zielgruppen sind klar: Studierende – und Fans von Kalendersprüchen.

Dann kommt zum Glück aber auch schon der unter Hochdruck zusammengekreuzelte Minisalat – mit Sardellen, Karotten, Zwiebeln und Sonnenblumenkernen (Bild oben). Besonders wagemutig war die Wahl definitiv nicht, daran orientiert sich wohl die Präsentation. Der Salat kommt recht altbacken im Suppenteller daher und hat zu viel Balsamico abbekommen. Das zweite als Vorspeise gedachte Gericht findet dann mit einer Zeitverzögerung von zehn Minuten den Weg zum Tisch: ein Mini-Spätzle-Pfandl plus Champignons, Knoblauch, Lauch und Schnecken. Das Pfandl ist wirklich gelungen, und es sind ausreichend Schnecken vorhanden. Passt.

Wie so oft im Leben ist man nach getroffener Entscheidung nicht sicher, ob nicht doch etwas anderes klüger gewesen wäre. So ergeht es mir mit dem Burger (Bild ganz oben). Der wird zwar recht ansprechend präsentiert, die Pommes kommen im Miniatur-Fritteusen-Gitter, direkt angrenzend die gewählte Barbecuesauce (das Pommes-Gitter grätscht so ständig in den Saft hinein). Doch: Der Burger selbst ist trocken, das Sesam-Bun schmeckt nach Fließband, das Fleisch ist ein festes, sehr durchgebratenes Laberl.

Die Pizza (Bild unten) macht dann aber alles wieder gut. Sie ist unscheinbar, schmeckt ausgezeichnet und kommt mit viel Belag (in diesem Fall mit frischem Rucola und Tomaten) aus der Wahlkabine. An dieser Stelle hätte man auch ein kleines Abenteuer wagen können und sich Haribo-Goldbären oder Ananas auf die Pizza bestellen können. Aber Ananas auf einer Pizza? Dann lieber die Säge.

Der Dessert-„Baukasten“ lässt den Gast zwischen hausgemachten Waffeln und Cheesecake entscheiden. Letzterer wird, dank kluger Wahl, von fertiger Schokosauce und Erdbeerjoghurt begleitet. Das wird zwar nicht zur Führung in der nationalen Cheesecake-Hochrechnung ausreichen, fällt aber ebenfalls solide aus.

Vorläufiges Endergebnis: Das Sägewerk kann man bedenkenlos in die engere Wahl nehmen, wenn man gut und unspektakulär essen und sich um etwa 20 Euro pro Kopf einen netten Abend zimmern möchte.

Empfehlung: Setzen Sie aufs richtige Pferd!
Stimmung: Die Qual der Wahl.
Preisverhältnis: Im Leben bekommt man zwar nichts geschenkt – im Sägewerk aber vieles ganz fair bepreist.

Sägewerk Wien (auch in Graz, Villach und Wolfsberg)
Währinger Straße 21, 1090 Wien

Stephan   Graschitz

Stephan Graschitz

ist als Chef vom Dienst bei profil tätig.