Zwei Gänge mit … Alexander Wrabetz
Alexander Wrabetz ist jünger geworden, man sieht das auf den ersten Blick. Nein, nicht so absurd jung wie Harald Vilimsky, der zuletzt so viele neue Haare bekommen hat, dass man sich nicht nur als Feministin Sorgen machen musste: Ist hier schon wieder ein zutiefst verunsicherter Mensch dem gesellschaftlichen Druck erlegen? So ist es bei Wrabetz natürlich nicht, aber trotzdem hat er sich in den vergangenen Monaten verändert. Er sieht frischer aus, sehr viel frischer als in seinen Jahren als ORF-Generaldirektor.
Die Osteria „Mangia e Ridi“ in der Kurrentgasse in der Wiener Innenstadt an einem heißen Julitag: Alexander Wrabetz kommt pünktlich, weißes Hemd, Sommerhose, Ledermokassins. Er sieht so entspannt aus, wie nur jemand aussehen kann, der wenig Stress und trotzdem keine Sorgen hat. Die Osteria ist sein Lieblingsitaliener, sagt er, und zwar nicht nur, weil er nicht weit davon entfernt wohnt: Das Essen hier ist authentisch kalabresisch und trotzdem nicht überzogen, außerdem muss man nicht gleich mit der halben Stadt reden, nur weil man spontan Lust auf ein paar Nudeln hat, so wie zum Beispiel ums Eck im Fabios. Wir bestellen Thunfischcarpaccio mit Steinpilzen und Parmesan, Vongole und Wolfsbarsch, dazu Wasser, und Wrabetz erzählt, dass er in seiner ORF-Zeit kein großer Business-Luncher war. Dafür war ihm die Zeit zu schade.
Mehr als 20 Jahre war Wrabetz beim ORF, 15 davon als Generaldirektor, dreimal hintereinander bekam er einen Vertrag für den wohl politischsten Job, den man als Medienmensch in diesem Land haben kann. Erst an Sebastian Kurz und seiner türkisen Medienmachtmaschinerie biss auch er sich die Zähne aus.
Mehr als 20 Jahre war Wrabetz beim ORF, 15 davon als Generaldirektor, dreimal hintereinander bekam er einen Vertrag für den wohl politischsten Job, den man als Medienmensch in diesem Land haben kann. Er schaffte das, weil er mit allen konnte und sich über die Jahre ein Netzwerk in alle Parteien aufgebaut hat, obwohl er seit den frühen 1980er-Jahren SPÖ-Mitglied ist. Erst an Sebastian Kurz und seiner türkisen Medienmachtmaschinerie biss auch er sich die Zähne aus, und deswegen hat er seit Jänner 2022 mehr Tagesfreizeit als jemals in seinem Erwachsenenleben zuvor.
Und was macht er damit? Wrabetz ist im Frühjahr 63 Jahre alt geworden, das ist kein Alter: Mit 63 musste Joe Biden noch 16 Jahre warten, bis er zum ersten Mal US-Präsident werden konnte, Silvio Berlusconi wurde danach noch drei Mal italienischer Ministerpräsident, und als Richard Lugner 63 war, ging seine aktuelle Begleiterin noch zur Schule. Dementsprechend ist wohl auch Alexander Wrabetz derzeit in einer Zwischenphase, im Warteraum für die nächste größere Aufgabe. Eine Zeit lang gab es Gerüchte, Wrabetz könnte SPÖ-Parteivorsitzender werden, zumindest offiziell hat er derartige Gerüchte aber immer dementiert, und mittlerweile ist der Job ja eher nicht mehr vakant.
„Ich habe Rapid“, sagt Wrabetz. Seit Dezember ist er Präsident von Österreichs populärstem Fußballverein: „Der Verein war nach dem Rückzug des alten Vorstands in einer schwierigen Situation, zwei Lager sind wie zwei Züge aufeinander zugefahren, da ist man an mich herangetreten und hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Aufgabe zu übernehmen.“ Wobei sich die Frage stellt, welche Art von Zügen das wohl war. So weit, wie der einstige Vorzeigeverein derzeit vom modernen Fußball entfernt ist, können es eigentlich nur Nostalgiezüge gewesen sein.
Wir bestellen Thunfischcarpaccio mit Steinpilzen und Parmesan, Vongole und Wolfsbarsch, dazu Wasser, und Wrabetz erzählt, dass er in seiner ORF-Zeit kein großer Business-Luncher war. Dafür war ihm die Zeit zu schade.
Wrabetz stochert in seinem Wolfsbarschfilet, er wird es am Ende nicht ganz aufessen. „Es war nicht mein Lebensziel, Rapid-Präsident zu werden“ sagt er jetzt, und so wie er das sagt, besteht kein Zweifel, dass er das ernst meint. Wrabetz mag Fußball, das bitte nicht falsch zu verstehen, er mag Rapid, auch, weil „es hier ein bisschen wie beim ORF ist. Jeder Österreicher kennt den Verein, jeder hat eine Meinung, manchmal ist sie positiv, manchmal negativ, aber definitiv lässt der Verein niemand kalt.“ Aber er sagt selbst, dass er in die Aufgabe reingestolpert ist: „Ich wusste am Anfang nicht, wer im Umfeld des Vereins zu welcher Fraktion gehört.“ Mittlerweile hat er aber einen guten Überblick, und den braucht er auch. Der Verein hat irgendwie den Anschluss verloren, international sowieso, aber auch in Österreich dümpelt Rapid in der Belanglosigkeit. Markus Katzer, der aktuelle Rapid-Sportchef, hat deswegen kurz vor Saisonstart gesagt, dass man sich in diesem Jahr lieber nicht zu viel erwarten sollte. „Das ist natürlich auch schwierig“, sagt Wrabetz dazu: „Unrealistisch an ein Ziel heranzugehen, ist schlecht. Unambitioniert zu starten, ist aber noch schlimmer.“ Was hat er beim ORF gelernt, das jetzt auch für Rapid gilt? „Drei Dinge: Man muss auch Niederlagen einstecken können. Das Publikum hat immer recht. Und es geht nichts ohne Emotionalität.“
Wrabetz stochert in seinem Wolfsbarschfilet, er wird es am Ende nicht ganz aufessen. „Es war nicht mein Lebensziel, Rapid-Präsident zu werden“ sagt er jetzt, und so wie er das sagt, besteht kein Zweifel, dass er das ernst meint. Wrabetz mag Fußball, das bitte nicht falsch zu verstehen, er mag Rapid, auch, weil „es hier ein bisschen wie beim ORF ist. Jeder Österreicher kennt den Verein, jeder hat eine Meinung, manchmal ist sie positiv, manchmal negativ, aber definitiv lässt der Verein niemand kalt.“
Wenn Wrabetz über Fußball spricht, dann macht er das überraschend langsam, aber nicht, weil er stets nach den richtigen Worten sucht, sondern weil er manchmal den Gedanken verliert und nicht mehr weiß, wo er eigentlich hinwollte. Er ist kein Fußball-Experte, das ist ganz offensichtlich, aber vielleicht will er das auch gar nicht sein. Sein Vorbild als Rapid-Präsident ist Rudi Edlinger. Der ehemalige SPÖ-Finanzminister war nach seiner Zeit in der Spitzenpolitik für zwölf Jahre vor allem der lustige erste Fan des Vereins – und hat im Hintergrund dafür gesorgt, dass dann, wenn das Geld knapp wurde, die Stadt Wien weitergeholfen hat. Unter Edlinger wurde Rapid übrigens zuletzt Meister.
Für Edlinger war Rapid so etwas wie die Krönung seiner Laufbahn. Ob das bei Wrabetz auch so wird, ist noch nicht ganz klar. Ob er vielleicht doch in die Politik will? Wir sind mit dem Essen fertig, Wrabetz bestellt noch einen Espresso. Er hat jetzt leider nur noch wenig Zeit. Ja, er hat bei der Mitgliederbefragung gewählt. Für wen er gestimmt hat, will er nicht sagen. Dass Andreas Babler jetzt häufig davon spricht, „Politik für unsere Leute“ machen zu wollen, gefällt ihm jedenfalls nicht so gut: „‚Unsere Leute‘, das ist mir zu paternalistisch. Das ist jetzt die Bundespartei und keine Jugendorganisation, in der derjenige, der die reinste Lehre vertritt, am Ende gewinnt.“ Die SPÖ muss seiner Meinung nach weiterhin breit aufgestellt sein. „Als SPÖ hat man immer 19, 20 Prozent, je nach Wahlbeteiligung. Das sind die Stammwähler. Wenn man Wahlen gewinnen will, muss man aber darüber hinaus ein Angebot machen.“ Genau das war das Rezept der SPÖ, wenn sie erfolgreich war, auch unter Kreisky, sagt Wrabetz, und: „Von allen Personen, die jetzt in der Diskussion waren, bin ich der Einzige, der Kreisky persönlich kannte.“ Was das für Wrabetz’ Zukunft heißt? Wir bezahlen. Wrabetz steht auf, er muss zum nächsten Termin. Vielleicht gehe es schneller als gedacht, murmelt er: „Aber im Moment habe ich Rapid.“