Wenn man sich mit Gerda Rogers trifft, dann geht es ziemlich zackig. Die Frau redet schnell und viel, eine Pointe reiht sich an die nächste. Sie bleibt zwar nicht immer bei ihrer Storyline, aber das macht gar nichts, man muss auch nicht jede Geschichte zu Ende bringen, den Witz mit ihrer zweiten Ehe, die sie sich hätte sparen können, wenn sie sich nur früher für Astrologie interessiert hätte, den versteh ich auch so. Kurz nach ihrer Scheidung von Ehemann zwo hat sie die Sterne für sich entdeckt, das war vor 35 Jahren. Seit 32 Jahren hat sie eine eigene Sendung auf Ö3-die "Sternstunden": "Ich habe damit sogar einen Rekord aufgestellt. Es gibt niemanden in Europa, der länger eine Sendung moderiert als ich", sagt sie, und sie wirkt jetzt nicht so, als würde sich das rasch ändern. "Ich habe gute Gene. Ich arbeite gerne, und ich habe auch nicht vor, damit aufzuhören. Würde das ganz Österreich so sehen wie ich und so lange arbeiten, dann wären wir vermutlich das reichste Land der Welt, weil wir ganz wenig Pensionen auszahlen müssten." An dieser Stelle sollte man vielleicht erwähnen, dass Rogers bereits 81 ist. "Liebe, Partnerschaft und Beruf, das wollen die Leute wissen", sagt Rogers jetzt: "Würden wir es zulassen, dann hätten wir bei den 'Sternstunden' wahrscheinlich acht Mal hintereinander die Frage: Ich bin verlassen worden, wann kommt der Nächste? Aber das können wir natürlich nicht machen, da kriegen die Hörer und ich ja einen Vogel." Seit sie die Sendung macht, haben sich die Themen nicht geändert, und das werden sie auch nicht, meint sie. "Ist er mir treu?", "Wie lange muss ich allein bleiben?" oder "Soll ich wirklich den Job wechseln?" Diese Fragen werden niemals alt, sagt Rogers, und sie haben immer Konjunktur, egal ob draußen eine Weltwirtschaftskrise herrscht oder jeder dahergelaufene Schulabbrecher mit Dachbodenausbauten reich wird, ob Corona die Welt in Atem hält oder Russland ein Nachbarland überfällt. Und das Spannende ist: Rogers hat nicht nur immer eine Antwort, sie gibt sie auch. Deutlich, laut und ohne Zwischentöne. Mag sein, dass Verhaltenstherapeuten 30 Stunden brauchen, um jemand dazu zu bringen, seiner Putzfrau zu kündigen, Rogers bringt jemand in zwei Minuten dazu, sein ganzes bisheriges Leben anzuzünden, sie muss ihn dafür noch nicht mal gesehen haben, Vorname, Geburtszeit und Geburtsort genügen. Und dann spielt es wieder Roxette: "It must have been love." "Das ist eine enorme Verantwortung", sagt sie, "ich gehe damit nicht leichtfertig um, aber die Menschen sagen mir immer: 'Reden Sie nicht drum herum, sagen Sie mir die Wahrheit.'" Und Rogers meint das wirklich ernst.
Hier im Danieli sitzt eine Frau, die mit sich absolut im Reinen ist. Ihre Spaghetti alle vongole (27,80 Euro) verputzt sie in der gleichen Höchstgeschwindigkeit, mit der sie sonst spricht, die kleinen Muschelschalen schlagen dabei aneinander wie lustige kleine Kastagnetten. Sie sagt, dass sie niemandem böse ist, wenn er an Astrologie nicht glaubt, dann klappern die Muscheln wieder im Takt: "Ich bin ja auch keinem böse, wenn er nicht zum Heilpraktiker geht, obwohl ihm das Kreuz wehtut. Ich verurteile niemanden für das, was er macht und woran er glaubt, ich verurteile nur, wenn sich jemand darüber aufregt, dass andere daran glauben." Und noch etwas ist ihr wichtig: "Man darf natürlich nicht zu hohe Erwartungen stellen: Genauso wenig wie der Therapeut mir die Frau zurückbringt, kann ich erwarten, dass mich die Sterne reich machen",sagt sie: "Ein bisschen was muss ich selbst schon auch tun." Gerda Rogers ist gut gebucht. Sie sitzt nicht nur bei Ö3, sondern gibt auch persönliche Beratungen per Mehrwertnummer um 2,18 Euro die Minute oder in ihrer Praxis um 70 Euro. Man kriegt bei ihr auch ein "Express Horoskop". Um 120 Euro beantwortet sie einem dann zwei Fragen zu "konkreten Themen wie Liebe, Leben, Job und Finanzen",auf der Website gibt es auch noch die "große Lebensanalyse", die kostet gerade einmal 65 Euro, und man bekommt dafür 30 Seiten Astrozeugs, in Farbe und "mit goldenem Rogers-Logo" am Cover. "Es kommen auch immer wieder Manager mit dem Privatjet zu mir",sagt sie jetzt, René Benko hat aber offenbar nicht dazugehört. "Viele Personalchefs legen mir die Horoskope von Bewerbern vor, und ich schaue dann, wer am besten passt." So genau möchte ich lieber nicht wissen, welche Firmen das Recruiting Gerda Rogers überlassen, man sieht sich ja vielleicht doch einmal am Supermarktregal wieder.
Gerda Rogers ist nie allein, und das ist nicht nur im übertragenen Sinn zu verstehen. Wo auch immer sie auftritt, hat sie seit einiger Zeit einen Begleiter dabei, auch bei unserem Mittagessen: Ihr Manager Clemens Trischler sitzt dabei, er macht für sie auch Social Media und lebt mit ihr in einer ganz besonderen Symbiose, die dafür sorgt, dass er öfter auch meine Fragen beantwortet. Das wird vor allem dann lustig, wenn Rogers über ihre Anfänge in der Astrologie vor 35 Jahren erzählt und Trischler ihre Sätze weiterspricht-er ist gerade mal 31. Aber für Rogers passt auch das ganz gut. "Wenn du alt bist, dann umgib dich mit jungen Leuten", sagt Rogers jetzt: "Alte Leute erzählen sich nur, wie es den Enkelkindern geht, und reden sonst über Krankheiten." Und was soll Rogers, die am 1. Jänner 82 wird, das interessieren, vor allem, wenn man ihr sowieso keine Neuigkeiten erzählen kann, weil sie alles weiß. Apropos Neuigkeiten: Nachdem Donald Trump die US-Wahl ja nicht gewinnen wird (Saturn und so, Anm.),sieht es ganz gut für Joe Biden aus. "Der wird gewinnen", sagt Rogers: "Ich habe ihn früher ja auch ganz gut gefunden, aber jetzt würde ich sagen, dass er für den Job eigentlich zu alt ist." Biden wurde im November 81.
Ristorante Danieli
Was man hier isst: Nudeln mit Meeresfrüchten
Was man wissen muss: Dass es einen Keller gibt, in dem die Promis sitzen
Was man hier auf jeden Fall machen muss: Die stilsichere Einrichtung im Keller bewundern
Was man noch sagen muss: Wirt und Mitarbeiter sind durch die Bank italienische Originale
Was TripAdvisor-Rezensenten nicht so schätzen: "Die Wortmeldungen des Chefs an seine Mitarbeiter und sehr laut."
Himmelpfortgasse 3,1010 Wien
Mo-So 11.30-23 Uhr
01/5137913
danieli.at