Balkan

Gratiszeitung „Heute” bringt bezahlte Anzeige der Republika Srpska

Ein Inserat auf „Heute.at” zeigt, wie sich ein unter Druck stehender Politiker aus Bosnien und Herzegowina Legitimität im Ausland erkaufen möchte.

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Versucht sich ein unlängst verurteilter Politiker aus dem Balkanstaat Bosnien und Herzegowina Legitimität in einer österreichischen Boulevardzeitung zu erkaufen? Und zwar mit einer Werbeeinschaltung, die in weiten Teilen Fakten verzerrt? 

Auf „Heute.at” findet sich seit dieser Woche eine entgeltliche Anzeige unter dem Titel „Republik Srpska: Schutz der Autonomie und Rechte”. Dazu das Foto eines Mannes, der vielen aus der in Wien zahlenmäßig stark vertretenen bosnischen und serbischen Diaspora ein Begriff sein dürfte. 

Wer ist Milorad Dodik? 

Zu sehen ist Milorad Dodik, der Präsident der „Republika Srpska“ (RS), eine der beiden Entitäten in Bosnien und Herzegowina. Der Politiker pflegt enge Verbindungen zu Russland und droht seit Jahren damit, die RS vom bosnischen Gesamtstaat abzuspalten. 

Ende Februar wurde Dodik von einem Gericht in Sarajevo erstinstanzlich verurteilt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, darf er in den nächsten sechs Jahren kein politisches Amt ausüben. Zusätzlich sieht das Urteil eine einjährige Haftstrafe vor, die allerdings in eine Geldstrafe umgewandelt werden könnte. 

Worum geht es im Urteil? 

Warum ist Dodik überhaupt ins Visier der Justiz geraten? Kurz zusammengefasst: Weil er verfassungswidrige Gesetze in der „Republika Srpska” durchgesetzt hat. Konkret hat Dodik angeordnet, Entscheidungen des bosnischen Verfassungsgerichts auf dem Territorium seiner Entität zu ignorieren. Nach seiner Verurteilung ging Dodik sogar noch einen Schritt weiter. An diesem Mittwoch, wenige Tage nach der Veröffentlichung der Anzeige auf der Webseite von „Heute”, hat Dodik ein Gesetz unterzeichnet, das Polizei und Justiz des bosnischen Zentralstaats aus „seinem” Landesteil verbannt. Bürgerinnen und Bürgern, die weiterhin für die Institutionen des Zentralstaats arbeiten, droht seitdem eine fünfjährige Haftstrafe. Dodik, der die Sezession bisher immer nur rhetorisch angedroht hat, setzt damit konkrete Schritte in diese Richtung. 

In Bosnien und Herzegowina könnte der Streit um das Gerichtsurteil jedenfalls eine schwere Staatskrise auslösen. Dodik nennt das Urteil gegen ihn politisch motiviert und hat angekündigt, es nicht anerkennen zu wollen. Jetzt, so scheint es, möchte er der Welt seine Version der Geschichte erzählen. Wo wir wieder bei der bezahlten Anzeige in der „Heute” wären. 

Botschaft an die Ahnungslosen"

Die Anzeige soll im Wesentlichen einen Aufruf zur Achtung des Dayton-Abkommens von 1995 darstellen. Dieses beendete den Krieg zwischen Bosniaken, Kroaten und Serben auf dem Gebiet des heutigen Staates Bosnien und Herzegowina. Es legte auch das Fundament für den Aufbau des Staatsapparats und die Unabhängigkeit von Bosnien und Herzegowina.

In der Anzeige wird außerdem die Bedeutung von „Frieden und Zusammenarbeit” im Land betont. Das sind auffallend versöhnliche Töne, die mit Dodiks sonstiger Rhetorik leider wenig zu tun haben, sagt der Politologe Vedran Džihić vom Österreichischen Institut für internationale Politik (oiip). 

„Die Anzeige gibt sich im Ton neutral. Aber darin ist vieles faktisch falsch. Es ist eine Botschaft an die Ahnungslosen”, so der Beobachter. Dodik wolle mit der Anzeige gewissermaßen den Spieß umdrehen und sich als das wahre Opfer stilisieren. 

In der Anzeige heißt es, dass das Verfahren gegen den Präsidenten die „verfassungsmäßigen Rechte und Institutionen der Republika Srpska schwächen” könnte. In Wahrheit, so Džihić, sei es umgekehrt: Milorad Dodik sei „derjenige, der die Verfassung mit zahlreichen Schritten in Frage stellt.” Er wurde verurteilt, weil er verfassungswidrige Gesetze verabschiedet und das Dayton-Abkommen missachtet hat.

Dazu findet sich in der Anzeige kein einziger Satz. 

Noch etwas fällt auf: Die Verurteilung des Individuums Dodik wird mit einem Angriff auf die gesamte Teilentität gleichgesetzt. „Das ist eine post-faktische Argumentation”, sagt Džihić, „denn nicht die gesamte Republika Srpska, sondern allein Dodik steht auf der Anklagebank.” 

Woher kommt die Anzeige?

Aber wer hat die Anzeige überhaupt geschaltet? Dodik wird das wohl kaum als Privatperson getan haben. 

Eine Anfrage von profil an die Geschäftsführung von „Heute” zum Hintergrund der Anzeige bleibt bis zur Veröffentlichung des Artikels unbeantwortet. Am Ende der Anzeige ist lediglich der Satz zu finden, dass es sich um eine Einschaltung der Republika Srpska handelt. Es bleibt aber unklar, welche Institution oder welches Ministerium das Geld bereitgestellt hat. 

Džihić kann diese Frage auch nicht beantworten, weist aber darauf hin, dass die Republika Srpska eine regionale Wirtschaftsvertretung in Wien unterhält, die „de facto ein verlängerter Arm von Dodik im Ausland” sei. Vor allem Städte wie Wien seien mit ihrer großen ex-jugoslawischen Diaspora von Bedeutung. 

Dazu kämen Verflechtungen und Sympathien für die Freiheitliche Partei (FPÖ). Nach der Verurteilung Dodiks veröffentlichte der freiheitliche EU-Abgeordnete Harald Vilimsky eine Presseaussendung. Er spricht von einer „juristischen Hexenjagd” gegen Dodik und bezeichnet das Urteil als „politisch motiviert”. Dahinter vermutet Vilimsky einen „Angriff auf die Autonomie der Republika Srpska.” Eine ähnliche Argumentation wird in der Heute-Anzeige wiedergegeben. 

„Dodik setzt auf die rechtskonservative Allianz, die in Europa entsteht. Das beginnt bei Viktor Orbán, seiner schützenden Hand in Brüssel und reicht bis zu Robert Fico in der Slowakei oder der FPÖ in Österreich”, sagt Džihić. Auch in US-Präsident Donald Trump setzt Dodik Erwartungen: „Er hofft, dass durch die neue globale Weltordnung eine autoritäre Achse zwischen Putin, Trump und den europäischen Rechten entsteht.” 

Die Anzeige erinnert den Politologen an den post-faktischen Ton, den auch Trump bedient: „Derjenige, der in Bosnien und Herzegowina mit dem Feuer spielt, inszeniert sich selbst als Feuerwehr. Und ruft andere dazu auf, mit dem Zündeln aufzuhören.” 

Laura Schatz

Laura Schatz

seit Februar 2025 Volontärin im Digitalteam und im Auslandsressort.

Franziska Tschinderle

Franziska Tschinderle

schreibt seit 2021 im Außenpolitik-Ressort. Studium Zeitgeschichte und Journalismus in Wien. Schwerpunkt Südosteuropa / Balkan.