Abfangjäger: Millionen Provisionen

Schwedens Justiz unter- sucht die Saab-Geschäfte

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Christer van der Kwast ist ein besonnener Mann. Journalisten gegenüber lässt er sich nicht in die Karten blicken. „Wir schauen uns die Engagements von BAE-Systems und Saab ganz genau an“, brummt der Schwede ins Telefon. „Jedes Detail ist für uns interessant.“ Als profil den Chefankläger der Antikorruptionsabteilung der schwedischen Staatsanwaltschaft vor acht Wochen zu Geschäften der beiden Rüstungskonzerne in Österreich befragt, gibt er sich noch verschlossen.

Mittlerweile dürfte van der Kwast mehr auf der Hand haben: Man werde die Geschäfte rund um den gescheiterten Saab-Deal in Österreich „genau unter die Lupe nehmen“, sagt der Staatsanwalt nun. Die heimischen Ermittler sollen den schwedischen Schmiergeldbekämpfer unterstützen.

Damit wird dem größten Beschaffungsvorgang der Zweiten Republik nun langsam jene Kontrolle zuteil, die er von Anfang an verdient hätte.

Der Abfangjäger-Kauf der Republik wird nun von beiden Seiten aufgerollt. In Österreich untersucht der parlamentarische Untersuchungsausschuss den Eurofighter-Kauf. Von Schweden aus werden etwaige Geschäfte von Saab im Vorfeld der Typenentscheidung juristisch durchleuchtet.

Die Klammer, die beide Ermittlungen verbindet, heißt BAE-Systems, früher bekannt als British Aerospace. „Ein Staat im Staat, klandestin, gefährlich und jenseits der Gesetze“, schreibt die britische Tageszeitung „The Guardian“. Der größte Rüstungskonzern Europas, der viertgrößte der Welt, steht im Verdacht, in zumindest sechs Staaten der Welt Waffengeschäfte durch Provisionen und Schmiergelder erkauft zu haben. Die englischen Behörden ermitteln seit einem Antikorruptionsgesetz 2002.

Ein Konzern wie BAE weiß, wie man gute Geschäfte macht. Die Briten sind sowohl an der Eurofighter GmbH als auch an Saab AB beteiligt. Das eine Unternehmen produziert den Eurofighter Typhoon, den Österreich kaufte. Das andere stellt den Saab-Gripen her, den Österreich nicht kaufte. Ganz egal, wofür sich die Republik entschied: BAE-Systems hätte profitiert. So oder so.

Nebenbei: Die BAE-Systems-Waffensystemfirma MBDA baut die Raketen für Eurofighter und Gripen.

„Agents“. Wie viel BAE daran lag, eines der beiden Geschäfte abzuschließen, zeigen die Provisionen, die der Konzern bereit war, bei Erfolg an „Agents“ auszuschütten.

Darunter ein sehr prominenter: der ehemalige Steyr-Daimler-Geschäftsführer und Rüstungsindustrielle Hans Michael Malzacher. Laut vertraulichen internen Unterlagen von BAE-Systems, die das staatliche schwedische Fernsehen SVT diesen Dienstag präsentiert, war Malzacher im Fall eines erfolgreichen Gripen-Deals mit Österreich eine Provision von rund fünf Prozent der Kaufsumme versprochen. Bei einem Letztangebot der Schweden von rund einer Milliarde Euro für 18 Saab-Jets wären das rund 50 Millionen Euro gewesen. In dem internen Papier listet BAE Kampagnen und Agents in ganz Europa auf. In der Spalte „Gripen Europe“: zwei Gesellschaften namens „Malsacher GmbH (3,5 %)“ und „Rico SA (1,5 %)“, daneben in der Spalte „Austria“ der Name „M Malsacher“ (sic). Die Malzacher GmbH steht im Eigentum einer Stiftung, Malzacher ist Geschäftsführer. „Rico SA“ firmiert nicht in Österreich.

Malzacher selbst wollte dazu gegenüber profil nicht Stellung nehmen.

Dass er für die Gripen-Beschaffung lobbyierte, steht aber außer Zweifel. Der Exchef der Gripen-Kampagne in Österreich, Roger Lantz, bestätigte bereits im U-Ausschuss, dass Malzacher „als Berater“ tätig war. In dieser Funktion hatte er einen Termin beim damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser.

Der schwedische Sender SVT zitiert weiters Schriftverkehr, in dem sich der spätere Saab-Chef Per Erlandsson persönlich bei BAE für Malzachers Engagement starkmachte. Schließlich war Malzacher bestens geeignet. Er hatte exzellente Geschäftsbeziehungen: Zwanzig Jahre lang war der Hauptmann der Reserve auch Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft und pflegte beste Kontakte bis in die Entscheidungsetagen des Heeresressorts.

Malzacher war nicht der einzige Saab- und BAE-Berater in Österreich. Wie profil Ende Februar berichtete, hatte auch Alfons Mensdorff-Pouilly, der Ehemann von Ex-ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat, einen Vertrag mit BAE. Beim Kauf von Gripen durch Tschechien soll ihm BAE eine ähnlich hohe Summe geboten haben: vier Prozent der Kaufsumme, also fast 60 Millionen Euro. Mensdorff wollte gegenüber profil nicht kommentieren, ob ihm ein derartiges Anbot unterbreitet worden war. Der Tschechien-Deal kam ja nicht zustande. Er bestritt aber, mit Bestechungsgeldern an tschechische Politiker in Höhe von rund 8,7 Millionen Euro, die BAE angelastet werden, zu tun zu haben. Ob Mensdorff auch in Österreich für Saab werkte? Saab-Sprecherin Helena Stalnert: „No comment.“

Besonders interessant am BAE-Engagement Malzachers ist, dass BAE für Österreich nicht zuständig war. Bei jeder Verkaufskampagne stimmen sich die beteiligten Konzerne ab, wer sie führt. In Tschechien versuchte BAE, den Gripen an den Mann zu bringen, in Österreich war es Saab. Wenn also BAE jemanden engagierte, um Saab zu unterstützen, warum nicht auch jemanden, um der Tochter Eurofighter behilflich zu sein? Das System erinnert an Eurofighter und EADS-Lobbyist Steininger: Die Tochterfirma will nicht für Dritte haften, die Mutterfirma schickt Steininger los. Saab lässt sich von Malzacher „beraten“, aber BAE bezahlt ihn. Saab-Sprecherin Stalnert bestätigt dies.

Nun fragt sich Grün-Abgeordneter Werner Kogler, der Saab-Manager Lantz schon im Ausschuss zu Malzacher befragte: „Es drängt sich die Frage auf, wie die vergleichbaren Provisionen bei EADS-Eurofighter laufen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass BAE-Systems an beiden Rüstungskonzernen beteiligt ist.“ Lantz will zum Engagement Malzachers gegenüber profil nichts sagen.

Auffallend: Saab korrigiert seine Kommunikationslinie. Bislang argumentierte Konzernsprecherin Stalnert, man habe genau Kontrolle über die Beträge, die die „Agents“ ausgeben. Nun macht Saab einen Rückzieher: Man gehe davon aus, dass sich die „Agents“ an die Gesetze halten. Stalnert: „Ausschließen können wir nichts.“

Schmiergeldklausel. Eurofighter hingegen dürfte sich da von Anfang an nicht sicher gewesen sein. Noch während der Ausschreibung weigerte sich der Konzern, ein Papier zu unterschreiben, wonach jegliche Schmiergeldzahlungen zum Vertragsausstieg führen. Diese Verhaltensregeln wurden aber „als Teil der Angebotsunterlage“ deklariert, andernfalls müsse der Bieter damit rechnen, dass er ausgeschieden wird.

Zu Jahresanfang 2002 erhielten alle Bieter vom Heeresressort dieses Schreiben. Saab und Lockhead hielten es nicht für nötig, sich abzusichern. Sie unterschrieben das Papier im Originalwortlaut. Doch ausgerechnet Eurofighter – ohnehin schwächster Bieter, da sein Produkt nicht den Ausschreibungskriterien entsprach – reklamierte einen Punkt hinein. Nämlich jenen mittlerweile berühmten Punkt 4, wonach Bestechung nur dann zur Vertragsauflösung führt, wenn sie vom Bieter selbst kommt. Schmiergelder von Dritten berühren den Vertrag nicht.

Es folgte eine seltsame Chronologie:
Im Juli 2002 bekommt der Konzern den Zuschlag. Die Vertragsverhandlungen beginnen. Am 10. September platzt die schwarz-blaue Koalition nach dem freiheitlichen Desaster in Knittelfeld. Neuwahlen stehen an. Zwei Tage später, am 12. September 2002, langt erneut ein Schreiben von Eurofighter ein: Es ist abermals der „Code of Business Conduct“, wie ihn das Heeresressort im Jänner ausgeschickt hat – brav und rechtswirksam unterzeichnet. Vom reinreklamierten Schmiergeld-Punkt 4 ist keine Rede mehr.

Fürchtete der Konzern, seine sechs Monate zuvor geäußerten Zusatzwünsche könnten einer geänderten Regierungskonstellation sauer aufstoßen?

Am 13. September 2002 werden die Vertragsverhandlungen eingefroren und erst 2003, nach Angelobung des schwarz-blauen Kabinetts II, wieder aufgetaut.

Nun passiert wieder Seltsames.

Wie der Verhandlungsleiter des Heeresressorts, Edwin Wall, dem U-Ausschuss erklärt, habe Eurofighter-Verhandler Reinhold Faltlhauser knapp vor Vertragsabschluss gefordert, den Punkt 4 in den Vertrag hineinzunehmen. Hektisch fragt Wall bei Finanzprokuratur und -ministerium diesbezüglich an. Beide stimmen zu. Gibt es dazu Aktenvermerke oder Gesprächsprotokolle? „Nein“, sagt Wall im Ausschuss. Tausende Seiten wurden dokumentiert, dieser wesentliche Punkt nicht.

Weiters erstaunt Walls plötzliche Hektik. Dabei waren ihm die Schmiergeld-Passus-Wünsche von Eurofighter seit Jänner 2002 bekannt. Der entsprechende Schriftverkehr ist laut einem profil vorliegenden Aktenteil mit dem Vermerk „Mag. Wall zugestimmt“ versehen.

„Wall hat weniger im Interesse der Republik gehandelt, sondern mehr als Handlanger Eurofighters“, sagt Manfred Haimbuchner, FP-Vertreter im Untersuchungsausschuss. „Wäre er aufmerksamer gewesen, müssten wir heute nicht die Debatte führen, wer für wen lobbyiert hat.“

Das wird nun auch die Staatsanwaltschaft untersuchen. Sei es die schwedische, die britische – oder die österreichische.

Von Josef Barth und Ulla Schmid
Mitarbeit: Martin Staudinger