Adel: Hitlers Habsburg
Der Brief der „Präsidialkanzlei des Führers“ an „Euere Königliche Hoheit“ hätte untertäniger nicht sein können: Ergebenst schrieb Staatsminister Otto Meißner darin an Ileana Habsburg-Loth-ringen, Hitler habe entschieden, dass sie, Gemahl und Kinder „bis auf weiteres unbeanstandet die bisherige Bezeichnung Erzherzog (Erzherzogin) von Österreich führen dürfen“. Die ungewöhnliche Post ging am 13. April 1940 in Berlin ab und ordnete sich auch in der Adresse nicht der für die „Ostmark“ vorgeschriebenen NS-Gau-Diktion unter: Sie lautete „Schloss Sonnberg bei Hollabrunn in Niederösterreich“.
In das geläufige Bild des Verhältnisses zwischen „den Habsburgern“ und „den Nazis“ passt dieses Schreiben, das profil in einem Gauakt im Archiv der Republik in Wien aufgespürt hat, nicht.
Bekannt ist Hitlers Hass auf die Habsburger, denen er eine „Entdeutschung“ der Monarchie vorwarf. Und die absolute Ablehnung des „Anschlusses“ von Österreich durch Ex-Kaiserin Zita und ihre Söhne Otto, Felix, Rudolf, Carl Ludwig und Robert. Der im Mai dieses Jahres gestellte Anspruch der Habsburger auf Rückgabe von Wäldern, Häusern und Schlössern, die seit der NS-Beschlagnahme 1938 öffentlicher Besitz sind, wurde dementsprechend untermauert: Otto und seine Brüder zählten „zu den wenigen Österreichern, die den Kriterien der Moskauer Deklaration von 1943 gerecht wurden: Sie zählen zu den Opfern des Naziregimes und trugen ihren persönlichen Anteil zur Befreiung Österreichs im Widerstand gegen dieses Regime bei“, so der Grazer Historiker Dieter A. Binder.
Eine Reihe bisher unveröffentlichter Dokumente lässt erkennen, dass in der großen Familie des ehemaligen „Erzhauses“ nicht nur NS-Gegner waren – und dass die Nazis den Umgang mit den Habsburgern nach Opportunitäten pflegten. Während einige Habsburger sich beeilten, nach dem NS-Einmarsch in Österreich „dem Führer und Reichskanzler ein Ergebenheitstelegramm“ zu schicken, wurden Max und Ernst Hohenberg, Söhne des ermordeten Thronfolgers Franz Ferdinand, unter den ersten Personengruppen in das KZ
Dachau deportiert. Während Zita und ihre Söhne sofort ausgebürgert wurden, wollte man der gesamten Familie einen Landesverweis nicht zumuten. In einer großen Besprechung der Habsburger-Frage Ende 1938 in Berlin hieß es: „Eine besondere Härte würde genereller Landesverweis für die Frauen bedeuten, die z. T. aus rein deutschen Häusern stammten und in das Haus Habsburg einheirateten.“
Die Zuvorkommenheit, mit der die Familie Ileana Habsburgs behandelt wurde, war beiderseits begründet. Ileanas Mann Anton, geboren 1901, hatte nicht nur ein „Ergebenheitstelegramm“ nach Berlin geschickt. Er überließ den Nazis zur Volksabstimmung am 10. April 1938 ein Privatflugzeug und beschrieb die „Loyalität“ seiner Mutter gegenüber Großdeutschland: Sie habe der Reichsbank Gold im Wert von 505.000 Reichsmark zur Verfügung gestellt. Ileana wiederum galt den Nazis als „Lieblingsschwester“ des rumänischen Königs Caroll II., der zunächst die faschistische „Eiserne Garde“ unterstützt und 1938 eine „Königsdiktatur“ eingerichtet hatte.
In einem ersten Rundumschlag hatte die Gestapo Wien sämtliche Privatvermögen aller Habsburger gesperrt und auch Besitz der Familie Anton Habsburgs beschlagnahmt. Die „Gauleitung Niederdonau“, offenbar schlecht informiert, meinte, Anton könne „eine politische Zuverlässigkeit ... unter keinen Umständen zugesprochen werden“. Der Fall wurde dann auf höchste Anordnung hin „im Interesse der Wirtschaftsverhandlungen, die mit Rumänien geführt werden“, bereinigt.
Öffentlich zugänglich (da die Betroffenen nicht mehr leben) sind die Gauakten von sechs Habsburgern. Keiner von ihnen war Mitglied der NSDAP. Alle wurden auf politische Zuverlässigkeit hin überprüft. Bei der mit Fanz Salvator verheirateten Melanie Habsburg-Lothringen war die Beurteilung gefordert, da sie vom jüdischen Klavierfabrikanten Friedrich Karbach ein Haus in Wien-Josefstadt kaufte: Karbach war zum Verkauf gezwungen, weil das Haus mit 70.000 RM an Zwangssteuern für Juden belastet war – er starb im KZ Theresienstadt (ein Rückstellungsansuchen seines Sohnes wurde 1951 abgelehnt).
Geschwärmt. Der Anstoß zur generellen Überprüfung der Habsburger kam im Juli 1939 aus Berlin: „Der Führer ist der Auffassung, dass der Freigabe des Privatvermögens der Mitglieder des Hauses Habsburg ... nichts im Wege steht“, sofern die sich nicht staatsfeindlich betätigten. Daraufhin meldete etwa der „Gau Salzburg“ über den Forstmann Heinrich Habsburg-Lothringen: „Parteikreise sind der Ansicht, dass er mit den Nationalsozialisten sympathisiert.“ Zum früheren Oberst der österreichischen Armee Wilhelm Habsburg-Lothringen hieß es: „Wird als Nationalsozialist geschildert, hat in der illegalen Zeit vom Führer geschwärmt.“ Feldmarschall a. D. Eugen Habsburg-Lothringen soll sich „seit dem Umbruch sehr zurückhaltend“ verhalten haben, bekam eine höhere Pension bewilligt und von Hitler „die Anerkennung als Heerführer“ im Ersten Weltkrieg.
Ob wohlwollende Nazifunktionäre die Adeligen mit ihren positiven Einschätzungen schützen wollten, wie Habsburg-Anwalt Andreas Reiner es als möglich bezeichnet? Gestapo-Spitzel und Parteigenossen trugen jedenfalls zusammen, was sie konnten. Über den Lebemann Leopold Salvator schrieben sie umständlich, er gelte „als dem Nationalsozialismus sympathisch gegenüberstehend“. Schon vor 1938 habe er immer wieder die Behörden beschäftigt. In einem Nachtlokal soll er gerufen haben: „Nur der Hitler kann uns retten, spielts das Horst-Wessel-Lied!“ Und auch über einen Auftritt im Wiener Bristol wird berichtet: Der Habsburger trug dabei den Orden vom Goldenen Vließ an einem Sportanzug.