Affäre Mensdorff: 3,4 Millionen von Dräger

Affäre. Dräger-Berater Mensdorff-Pouilly soll in Ungarn Millionen an Schmiergeldern verteilt haben

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„Die Republik Österreich (Bundesministerium für Gesundheit und Frauen), 1030 Wien, Radetzkystraße 2, gibt gegenüber den Firmen Dräger Safety Austria GmbH … und 3M Österreich GmbH … als Produzenten von Atemschutzmasken nachstehende Erklärung ab: Die Republik Österreich verpflichtet sich gegenüber den vorstehend angeführten Produzenten, Atemschutzmasken, die seitens der Produzenten im Rahmen des Pandemie-Vorsorgeprogramms im Oktober und November 2006 ausgeliefert … und weder durch die Handelspartner … noch … durch die Produzenten verkauft werden können …, anzukaufen.“ Gezeichnet: M. Rauch-Kallat.

Sehen so keine Geschäftsbeziehungen aus? Als die amtierende ÖVP-Gesundheitsministerin am 26. September 2006 ihre Unterschrift unter den gerade einmal einseitigen Vertrag setzte, war dies zunächst nicht viel mehr als ein unverdächtiger Amtsvorgang.

Als Maria Rauch-Kallat nämliches Dokument am 25. Juni 2012 in der „ZiB 2“ vorgehalten wurde, war daraus längst eine heiße Kartoffel geworden.

Und das hat hauptsächlich mit diesem Magazin zu tun. Wie profil vergangene Woche berichtete, hatte der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly über seine Wiener MPA Handelsgesellschaft im Jahresverlauf 2006 insgesamt 275.591 Euro von einer Österreich-Tochter des deutschen Medizintechnikkonzerns Drägerwerk AG & Co. erhalten.

Im selben Jahr hatte das von seiner Frau regierte Gesundheitsministerium ausgerechnet diesen Konzern mit der Lieferung von Millionen Pandemie-Schutzmasken an Handelsketten beauftragt und obendrein die eingangs erwähnte „Erklärung über die Abnahme nicht verkaufter ­Pandemiemasken“ unterzeichnet. Was die Steuerzahler später die Kleinigkeit von
4,2 Millionen Euro kosten sollte (profil 26/2012).

Das heißt nichts anderes als: Der deutsche Dräger-Konzern hat von einem Geschäft mit dem Gesundheitsministerium profitiert, während Alfons Mensdorff-Pouilly von einem Geschäft mit Dräger profitiert hat.

Seit Tagen ist Frau Rauch-Kallat unablässig damit beschäftigt, die profil-Berichterstattung als „konstruiert“ abzutun. Es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen dem Grippemaskengeschäft und den ­Dräger-Honoraren für Mensdorff-Pouilly – wie überhaupt ihr Mann „sicher nicht durch irgendeine aktive Aktion meinerseits oder seinerseits“ von ihrer politischen Tätigkeit profitiert habe.

Als Reaktion auf den Bericht ließ die frühere ÖVP-Spitzenpolitikerin über ihren Wiener Anwalt Werner Suppan Klage gegen profil wegen Ruf- und Kreditschädigung sowie übler Nachrede ankündigen. Bis Redaktionsschluss Freitag vergangener Woche lag der Schriftsatz allerdings nicht vor. Maria Rauch-Kallat war bis jetzt nicht nur nicht in der Lage, den Beschaffungsvorgang zu plausibilisieren. Ihre Rechtfertigungen werfen immer mehr Fragen auf. – und stehen teilweise in klarem Widerspruch zu Recherchen von profil.

So behauptet Rauch-Kallat, das Ministerium habe Dräger und dem Mitbewerber 3M „nie“ einen Auftrag zur Lieferung der insgesamt neun Millionen Schutzmasken erteilt, dieser sei vielmehr direkt von den Supermarktketten gekommen. Das Ministerium habe die Verhandlungen lediglich „initiiert“.

profil liegen nunmehr Stellungnahmen der beiden involvierten Handelskonzerne Spar und Rewe Österreich (zu welchem unter anderem Billa und Merkur gehören) vor. Diese lassen wenig Spielraum für Interpretation. Für Spar hält Sprecherin Nicole Berkmann ausdrücklich fest: „Die Aktion ging damals vom Ministerium aus. Wir als Lebensmittelhändler mussten mitmachen.“

Rewe-Repräsentantin Corinna Trinkler wiederum betont: „Uns wurden nur diese beiden Lieferanten vom Ministerium genannt. Und wir haben nur deshalb mitgemacht, weil das Ministerium zugesagt hat, unverkäufliche Masken zurückzunehmen.“ Was bekanntlich auch geschah. Von den ursprünglich neun Millionen Masken musste das Gesundheitsressort schließlich 7,7 Millionen Stück im Wert von 4,2 Millionen Euro ankaufen.

Bemerkenswert: Im Gesundheitsministerium sind dazu Jahre später keine Aufzeichnungen auffindbar. Möglicherweise hat es diese auch nie gegeben. Wie berichtet, hatte der Rechnungshof die Grippemaskenbeschaffung schon 2008 in der Luft zerrissen. „Der RH vermerkt kritisch, dass die Auswahl der Hersteller durch das Gesundheitsressort nicht dokumentiert und … daher nicht nachvollziehbar war.“

Fest steht jedenfalls: Die Entscheidung für Dräger und 3M fiel im Ministerium, genauer: im Kabinett der Ministerin. Wie profil-Recherchen ergaben, waren vor allem zwei Herren in die Beschaffung eingebunden: Rauch-Kallats einstiger Kabinettschef und langjähriger ÖVP-Parteifreund Clemens Martin Auer sowie ihr damaliger Pressesprecher Christoph Hörhan, der selbst auf eine lange Parteizugehörigkeit verweisen kann. Hörhan erinnert sich: „Ich wurde von meinem Kabinettschef zu einem Termin geholt, bei dem Vertreter von Dräger und 3M anwesend waren, und damit beauftragt, für das Projekt seitens des Ministerbüros Kontakte zum Handel herzustellen, ein Distributionskonzept zu begleiten und ein Kommunikationskonzept zu erstellen und umzusetzen.“ Als er, Hörhan, an den Verhandlungstisch geholt worden sei, „waren die beiden Firmen bereits als Ansprechpartner definiert“. Clemens Martin Auer hat gegenüber profil bereits vergangene Woche einbekannt, dass er die „Verhandlungen mit Dräger und 3M geführt“ habe. Betonte gleichzeitig aber, Alfons Mensdorff-Pouilly „nie begegnet zu sein“.

Mensdorff-Pouillys Anwalt Harald Schuster legt in diesem Zusammenhang Wert auf die Feststellung, dass von Dräger kein Geld für „Beschaffungen in Österreich“ geflossen sei.

Laut Dräger-Sprecherin Melanie Kamann soll Mensdorff-Pouilly den Konzern „zwischen 2005 und 2010 bei der Erschließung des südosteuropäischen Marktes unterstützt“ haben, etwa mit „Marktstudien“. Dafür habe er „über den gesamten Vertragszeitraum Beraterhonorare zu marktüblichen Preisen erhalten“.

Rauch-Kallat wiederum behauptet, ihr Mann sei bereits „ab 1998“ für den Dräger-Konzern tätig gewesen. Seit wann die Ministerin a. D. das weiß? Ihr Anwalt Suppan auf eine entsprechende profil-Anfrage trocken: „Seit Samstag, dem 23. Juni 2012, gegen 15.00 Uhr.“

Viel spricht dafür, dass Alfons Mensdorff-Pouilly „bei der Erschließung des südosteuropäischen Marktes“ durch Dräger eine Schlüsselrolle spielte. Und er war dem Konzern weitaus mehr Geld wert, als es zunächst den Anschein hatte: nämlich 3,42 Millionen Euro.

Neben den bereits genannten 275.591 Euro, die zwischen Februar und Dezember 2006 auf einem Bawag-PSK-Konto seiner Wiener MPA Handelsgesellschaft eingingen, verzeichnete seine ungarische MPA Budapest ungleich größere Zahlungseingänge. Zwischen März 2006 und Jänner 2009 wanderten 3,146 Millionen Euro von Dräger auf ein Konto der MPA Budapest bei der Raiffeisenbank Strem im ­Burgendland. So steht es in einem profil vorliegenden Bericht des Bundeskriminalamts vom 4. Juni 2009.

Über jenes Konto liefen unter anderem auch Honorare der Telekom Austria. ­Alfons Mensdorff-Pouilly steht bekanntlich im Verdacht, Amtsträger der Republik Österreich korrumpiert zu haben, um einem Konsortium aus Telekom, Motorola und Alcatel 2004 den milliardenschweren Tetron-Auftrag zur Digitalisierung des österreichischen Behördenfunks unter ÖVP-Innenminister Ernst Strasser zu verschaffen. Der Lobbyist bestreitet die Vorwürfe. Faktum ist, dass die Telekom Austria 1,1 Millionen Euro an Mensdorff überwies, Alcatel zahlte 720.000 Euro, von Motorola kamen weitere 2,2 Millionen Euro. Die Justiz ermittelt.

Im Zuge einer Öffnung des burgenländischen Kontos stießen die Behörden auch auf Zuwendungen von Dräger an die MPA Budapest. „Von dieser Firma (Dräger, Anm.) wurden in der Zeit von 08.03.2006 bis 13.01.2009 bei 12 Überweisungen insgesamt EUR 3.146.427,10 auf dieses Konto über­wiesen. Dabei wurden am 08.03.2006 EUR 1.500.000 und am 29.03.2006 EUR 1.026.462,60 überwiesen“, heißt es in dem Bericht.

Der deutsche Konzern zahlte also in Summe mehr als drei Millionen Euro – wofür? Mit „Marktstudien“ lassen sich Honorare dieser Größenordnung wohl kaum mehr argumentieren.

Ausgerechnet ein ehemaliger Mitarbeiter Mensdorffs, Christian P., hat diesen bei einer Einvernahme vor dem Bundeskriminalamt schwer belastet. P. erklärte den Ermittlern die Zuwendungen von Dräger an MPA Budapest wie folgt: „Es war in Ungarn absehbar, dass die dort befindlichen veralteten Geräte und Ausstattungen in den Krankenhäusern erneuert werden müssen. Aus diesem Grund haben wir dieses Projekt in Ungarn entsprechend promotet. Schlussendlich wurde dann die Erneuerung der Narkosegeräte ausgeschrieben. Es handelte sich um einen 24-Millionen-Euro-Auftrag. Bereits bei der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen hat die Fa. Dräger mitgewirkt. Es war damit klar, dass sie die Ausschreibung gewinnen würde. Es war dann schließlich auch so, und ich bin mir sicher, dass Schmiergelder in Ungarn bezahlt wurden. Wie dies genau gelaufen ist, weiß ich nicht. Es war jedenfalls so, dass der damalige Geschäftsführer der Fa. Dräger … und Hr. Mensdorff versuchten, mich aus dem Projekt hinauszudrängen. Bei unseren Gesprächen wurde ganz offen über die geforderten Schmiergelder gesprochen, und es bestand lediglich das Problem, wie dies versteckt durchgeführt werden kann. Hier war Hr. Mensdorff die richtige Adresse. Es wurden allein bei diesem Projekt Schmiergelder in Millionenhöhe in Ungarn bezahlt. Meines Wissens hat man dies mit entsprechenden Beraterverträgen zwischen der Fa. Dräger und der MPA Budapest abgedeckt.“

Mensdorff-Pouillys Anwalt Schuster hält dazu fest: „Die diesen Zahlungen zugrunde liegenden Verträge und Rechnungen liegen der Staatsanwaltschaft vor. Die Aussagen von Herrn P. wurden durch andere Zeugenaussagen widerlegt.“

Auch der Lübecker Konzernzentrale ging eine Anfrage zu. Die Antwort fiel eher unverbindlich aus: „Wir nehmen die aktuellen Vorwürfe sehr ernst und werden alles unternehmen, um diese aufzuklären. Selbstverständlich arbeiten wir hierbei auf Wunsch mit allen österreichischen Behörden offen zusammen. Um unserem Transparenzanspruch gerecht zu werden, gehen wir den Vorwürfen nach und haben dafür eine externe, unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingebunden. Die Hinweise aus Ihrer E-Mail lassen wir direkt in die Untersuchungen einfließen.“

Von einem Dementi ist das erstaunlich weit entfernt.