Alizee im Wunderland

Alizee Bank: merkwürdiges Engagement von Schenz und Löschnak

Alizee Bank. Das merkwürdige Engagement von Schenz und Löschnak für einen Spediteur aus Russland

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Franz Löschnak diente unter drei Regierungen als Minister. Er wurde mit dem Großen Goldenen Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet, trägt das Komturkreuz mit Stern des Ehrenzeichens des Landes Burgenland, das Große Ehrenzeichen des Landes Salzburg und das Großkreuz des belgischen Ordens Leopolds II. Richard Schenz war als OMV-Generaldirektor über viele Jahre hinweg einer der wichtigsten Wirtschaftskapitäne des Landes. Er führt den Berufstitel Kommerzialrat, ist Ehrensenator der TU Wien und Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens mit dem Stern für Verdienste um die Republik Österreich.

Und trotzdem: Den beiden hochdekorierten Herren fehlt es laut Bescheid der Finanzmarktaufsicht (FMA) an persönlicher Integrität, um in Österreich Anteile an einer Bank zu halten. Löschnak und Schenz haben sich im März dieses Jahres an der maroden Wiener Alizee Bank beteiligt. Die FMA vermutet, dass die beiden Prominenten nur als Strohmänner für den russischstämmigen Spediteur Andrei Kotchetkov fungieren, und hat dem kleinen Bankhaus die Konzession entzogen. Tatsächlich wurde der Verkauf der Bank unter merkwürdigen Begleitumständen abgewickelt. Die neuen Gesellschafter – abgesehen von Franz Löschnak und Richard Schenz hat sich noch eine ganze Reihe weiterer illustrer Persönlichkeiten beteiligt (siehe Kasten) – sprechen von Behördenwillkür.

Klare Fronten
Die Fronten sind klar: „Die Vorgehensweise der FMA ist so einseitig, dass ich nicht glaube, dass dieser Bescheid hält“, sagt Franz Löschnak. „Die FMA hat hier neue Regeln erfunden. Die besagen offenbar, dass jemand, der aus Russland stammt, keine Bank kaufen darf“, sagt Ex-Finanzminister Andreas Staribacher – auch er ist seit einigen Monaten an der Alizee Bank beteiligt. „Wir haben unsere Verfahren ohne Ansehen der Person und Institution objektiv nach den gesetzlichen Vorschriften und Kriterien zu führen. Das ist geschehen“, sagt FMA-Sprecher Klaus Grubelnik.
Was ist das eigentlich für ein Unternehmen, an dem plötzlich so reges Interesse besteht? Auf den ersten Blick jedenfalls kein Must-have – per 21. November 2012 hat die FMA der Alizee Bank AG die Bankkonzession entzogen. Und auch ein Blick in die jüngere Vergangenheit erklärt nicht, worin der Reiz für Investoren bestehen soll. Seit 2009 schreibt die kleine Wiener Depotbank durchgehend Verluste – und steht unter wachsender Beobachtung der Aufsichtsbehörden. 2011 gerät das Institut schließlich in eine bedenkliche Schief­lage. Mitte Juli 2011 hält die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) in einem Prüfbericht fest, dass die Situation der Bank sich seit Jahren kontinuierlich verschlechtert. Das vernichtende Fazit der Bankenprüfer: „Fast alle Geschäftsideen des Managements und der Eigentümer sind gescheitert. Das Institut verfügt über kein tragfähiges Geschäftsmodell.“ Aber: Es steht ein vermögender Investor vor der Tür.

Am 29. Dezember 2011 zeichnet die E&A Beteiligungs GmbH eine Kapitalerhöhung der Alizee Bank AG im Ausmaß von einer Million Euro. E&A – das ist der bis dahin hierzulande eher unbekannte Speditionsunternehmer Andrei Kotchetkov, aus Russland stammender österreichischer Staatsbürger. Mit dem Geld sichert er kurzfristig den Fortbestand des maroden Instituts. Und Kotchetkov hat Appetit auf mehr. Im März 2012 informieren Kotchetkovs Anwälte die Finanzmarktaufsicht von einem Eigentümerwechsel bei der Bank. Neben Kotchetkovs E&A erwerben Franz Löschnak, Richard Schenz sowie der ehemalige Finanzmi-
nister Andreas Staribacher über Beteiligungsgesellschaften Anteile an der Alizee Bank. Wieso eigentlich? „Ich habe mit vielen Leuten zu tun, die schlicht und einfach mit der Behandlung bei großen Banken unzufrieden sind. Das sind Privatpersonen mit Wertpapierdepots in der Größenordnung von einer halben Million Euro. Eine kleine Bank mit guter Kundenbetreuung hat durchaus Chancen in dieser Marktnische“, sagt Ex-SPÖ-Innenminister Franz Löschnak auf profil-Anfrage.

Bank mit Wohlfühlfaktor
Demnach war die Geschäftsidee eine Art Bank mit Wohlfühlfaktor für reiche Leute. Die Finanzmarktaufsicht will nicht so recht daran glauben, dass Löschnak und Konsorten tatsächlich ein persönliches Interesse am Bankgeschäft haben. Wer in Österreich mehr als zehn Prozent an einer Bank übernehmen will, braucht dafür die Zustimmung der FMA. Nur, wer von der Aufsicht als „geeigneter Gesellschafter“ bestätigt wird, darf bestimmenden Einfluss auf ein Geldhaus ausüben. In der FMA vermutet man, dass die prominenten Gesellschafter nur einem Zweck dienten: um Kotchetkov in den Augen der Behörden mehr Integrität zu verleihen. Der Verdacht ist nicht ganz unbegründet, wie aus dem FMA-Bescheid zum Konzessionsentzug vom 21. November hervorgeht. Wie sich herausstellt, hat Kotchetkov seinen Kompagnons Löschnak und Schenz bei der Finanzierung ihrer Alizee-Beteiligung nämlich unter die Arme gegriffen. Die FMA ließ man darüber bei der Anzeige des ­Anteilskaufs wohlweislich im Unklaren. ­„Diesen Anzeigen lagen vollkommen unschlüssige und unvollständige Ausführungen und Dokumente hinsichtlich der Anteilsfinanzierung bei“, heißt es in dem Bescheid. Die Finanzierung sei „in jeweils fünf Zeilen“, ohne „geeignete Nachweise über das Vorhandensein und die wirtschaftliche Herkunft der Eigen- und Fremdmittel“ dargestellt worden. Und weiter: „Den vorgelegten Unterlagen war zu entnehmen, dass Teile des Anteilserwerbs über die VTB Bank (Österreich) AG kreditfinanziert worden waren.“

Die VTB Bank ist die größte Bank Russlands und steht zu mehr als 75 Prozent in Staatsbesitz. Eine FMA-Anfrage bei der österreichischen Niederlassung der VTB Bank brachte ein überraschendes Ergebnis. „Aus der Rückmeldung der VTB … wird für gegenständliches Verfahren insbesondere als relevant erachtet, dass die Kreditverträge mit den Herren Dr. Schenz und Dr. Löschnak am 20. März 2012 abgeschlossen und die Kreditsummen am gleichen Tag ausbezahlt wurden.“ Und weiter, „dass die Kredite der Herren Schenz und Löschnak durch eine abstrakte Garantie der Terminal Holding besichert waren“. Die Terminal Holding AG ist ein Speditionsunternehmen im Besitz von Andrei Kotchetkov. Das heißt: Kotchetkov bürgt bei einer russischen Bank für Kredite, mit denen Richard Schenz und Franz Löschnak Anteile bei der Alizee Bank erwerben.
Als die FMA zusätzliche Unterlagen rund um die Kreditvergabe verlangt, ­geschieht Merkwürdiges: „Erst in der zweiten Stellungnahme der VTB … wurde bestätigt, dass auf die Garantie der Terminal Holding am 19. April 2012 (und somit einen Tag vor Einbringung von nachgeforderten Unterlagen bei der FMA am 20. April 2012) verzichtet werden konnte.“ Die Begründung der VTB Bank: „Da zum Zeitpunkt der Kreditvergabe … noch nicht sämtliche im Rahmen der Bonitätsprüfung erforderlichen Unterlagen … vollständig beigebracht worden waren, erschien die Garantie der Terminal Holding AG als Sicherheit aus Kreditrisikogesichtspunkten erforderlich. Nach Vorlage der fehlenden Unterlagen und interner Prüfung derselben wurde die Solvabilität der beiden Kreditnehmer auch ohne diese Garantien als ausreichend für die gegenständlichen Kreditsummen beurteilt.“ „Aus wirtschaftlicher Sicht ist die Bereitstellung der betreffenden Kreditsummen an die Herren Schenz und Löschnak auch ohne gleichwertig verwertbare Sicherheiten nicht plausibel. (…) Daher war von der FMA davon auszugehen, dass die von der VTB Bank … beigebrachte Erklärung eine Gefälligkeitserklärung zum Vorteil ihrer Kunden Kotchetkov, Schenz und Löschnak darstellt.“

OeNB skeptisch
Auch die OeNB ist laut einem Bericht vom 30. August 2012 skeptisch: „Aus den Unterlagen ergibt sich, dass Herr Kotchetkov bzw. die E&A damals mehr als die Hälfte der Transaktion finanziert, aber gleichzeitig nur 26% der Anteile an der Alizee Bank erworben hat. Es besteht daher der Verdacht, dass verdeckte Treuhandschaften bzw. Nebenabreden zwischen den einzelnen Gesellschaftern getroffen wurden.“ Richard Schenz wollte sich auf profil-Anfrage nicht äußern. Franz Löschnak sagt: „Ich bin nicht bereit, über meine finanzielle Gestion mit Medien zu reden.“ Die FMA hält im Bescheid fest: „Aus Sicht der Behörde wurde die Nachvollziehbarkeit der Finanzierung des Erwerbs durch Verschweigen der Garantie der Terminal Holding AG durch die Erwerber Kotchetkov, Schenz und Löschnak … bewusst erschwert. Dies führt zu einem massiven Vertrauensverlust.“

Promi-Treff
Seit Andrei Kotchetkov, Franz Löschnak, Richard Schenz und Andreas Staribacher bei der Alizee Bank eingestiegen sind, ist das marode Kreditinstitut ein Tummelplatz für prominente Investoren. Karl Wlascheks Ex-Schwiegersohn Thomas Hönigsberger, Ex-Spitzenpolizist Franz Schnabl, Novomatic-Gründer Johann Graf und SPÖ-Jus­tizsprecher Hannes Jarolim sind mit jeweils neun Prozent beteiligt. Erst ab einem Anteil von zehn Prozent wird die Eignung der Gesellschafter von der FMA überprüft.