Leitartikel: Rosemarie Schwaiger

Almosen für Kapitalisten

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Josef Ackermann hat es sich jetzt doch noch anders überlegt. Der Chef der Deutschen Bank sprach leicht zerknirscht von einem Missverständnis. „Es geht nicht um den Ruf nach dem Staat“, zipfelte Ackermann rückwärts. Es müssten nur „alle Akteure zum Wohle des Ganzen in einer ganz konkreten Situation“ zusammenwirken. Ein paar Tage zuvor hatte sich der Banker noch weniger verschwurbelt ausgedrückt. Er glaube nicht mehr an die Selbstheilungskraft der Märkte, sagte Ackermann bei einer Podiumsdiskussion zur Krise auf dem US-Immobilien- und Finanzmarkt. Die Regierungen müssten weltweit an einem Strang ziehen, um einen Teufelskreis zu verhindern. Vielleicht ist Ackermann selbst klar geworden, dass so ein Aufruf ausgerechnet aus seinem Mund ein wenig befremdlich klingt. Eventuell musste er sich auch zu viele Spötteleien von den Golfkumpels oder blöde Witze am Monetaris­ten-Stammtisch anhören. Der kleine Rückzieher sollte wohl die Lage entschärfen. In der Substanz blieb Ackermanns Aussage allerdings unverändert: Der Staat muss helfen. Und zwar flott. Macht nichts, wenn es teuer wird.

Der Kollaps amerikanischer Hypothekarkredite brachte bereits einige Großbanken auf der ganzen Welt ins Trudeln. Seit Experten vor einer möglichen globalen Wirtschaftskrise warnen, wackeln offenbar die Grundsätze moderner Managementlehre. Wo der Staat sonst nur als Instrument zur Geschäftsschädigung wahrgenommen wird, sehnt man sich plötzlich nach seiner starken Schulter zum Ausweinen. Umso tröstlicher, wenn in der Brusttasche darunter ein paar Milliarden Steuergeld stecken, die alles wieder gutmachen. Josef Ackermann verdient 14 Millionen Euro im Jahr und verbat sich in der Vergangenheit jegliche Diskussion über die Frage, ob die Arbeitskraft eines Menschen so viel wert sein kann. Sein Gehalt sei marktkonform. Auch als die Deutsche Bank im Jahr 2005 – trotz Rekordgewinns – tausende Mitarbeiter abbaute, wurde das mit den Erfordernissen des leider ach so brutalen Marktes begründet. Wenn Ackermann dem Markt jetzt plötzlich die Lösungskompetenz abspricht, ist das etwa so, als würde der Papst ex cathedra Zweifel an der Auferstehung von Gottes Sohn anmelden. Woran, zum Teufel, soll man dann noch glauben?

In den USA ist bereits in vollem Gange, was der deutsche Banker für Europa erst fordert. Die US-Notenbank Fed hat mehrere hundert Milliarden Dollar bereitgestellt, um marode Banken zu retten. Den Notverkauf der Investmentbank Bear Stearns besicherte die Fed mit 30 Milliarden. Seit Jahresbeginn wurde zudem der Leitzins um zwei Prozentpunkte gesenkt. Sollte das alles nicht reichen, sind weitere nette Gesten in Aussicht gestellt. Dem greisen Fidel Castro würde zum Thema Interventionismus auf die Schnelle auch nicht viel mehr einfallen. Erstaunlicherweise regt sich wenig Kritik an dieser Form staatlicher Eingriffe in die Wirtschaft. Neoliberale Think Tanks, die ansonsten schon beim Wort Mindestlohn den Weltuntergang kommen sehen, sind offenbar gerade damit beschäftigt, den Almosenbedarf ihrer Klientel zu erheben. Der typische Turbokapitalist verhält sich in der Krise wie ein Teenager, der seine Eltern zwar urpeinlich findet, aber trotzdem ganz froh ist, wenn Mama und Papa die Reparatur des Mofas bezahlen, das im Zuge der Selbstverwirklichung zu Bruch gegangen ist. Dafür ist Familie schließlich da. In Österreich funktioniert dieses Prinzip genauso gut wie in den USA. Für welche Art von Geschäftspraktiken die österreichische Bundesregierung im Mai 2006 eine Haftung unterschrieb, wird gerade im Bawag-Prozess aufs Anschaulichste dargestellt. Wolfgang Flöttl gambelte in der Karibik, die Landsleute daheim mussten Jahre später für den Worst-Case garantieren. Auch eine Form von Termingeschäft.

Es ist kein Zufall, dass die aktuelle Krise in den USA wieder einmal von Banken ausgelöst wurde. Die Branche ist nun mal besonders kreativ – da kann schon etwas danebengehen. So waren etwa die Subprime-Geschäfte, die eben in sich zusammenbrachen, eine Art Hütchenspiel mit den Schulden von Häuslbauern. Dergleichen muss einem erst mal einfallen. Vereinzelte Versuche von staatlicher Seite, die Zockerei mit ein paar Spielregeln einzugrenzen, wurden stets mit dem Argument glattgebügelt, das Kapital der Anleger würde sich dann leider, leider einen anderen Hafen suchen. Bitte nicht dreinreden, hier wird Geld verdient. Man kann den handelnden Managern ihr ausuferndes Selbstbewusstsein nicht einmal vorwerfen. Sie hatten und haben ja nichts zu verlieren. Kein Staat kann es sich leisten, eine größere Bank einfach pleite gehen zu lassen. Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft wären um vieles teurer als jede Hilfsaktion. Was „too big to fail“ bedeutet, lernt der angehende Banker vermutlich schon im Traineeprogramm. Der Markt hat hier für einen Systemfehler gesorgt, den er tatsächlich nicht selbst korrigieren kann. Denn wo das Risiko völlig fehlt, gewinnt nicht der Beste, sondern der Gierigste. Deshalb wäre es auch naiv, jetzt auf einen Lernprozess zu hoffen. An gewissen Geschäftsmodellen wird sich nur etwas ändern, wenn der Staat mit Regulativen dafür sorgt. Der Markt kann das nicht. Dank Josef Ackermann ist das nun wenigstens amtlich.