Geliehen, geleimt

Alpine Holding: Anleiheinhabern droht Anfechtung erhaltener Zinsen

Alpine. Die Pleite der Alpine Holding wird für die Anleiheinhaber zum Albtraum

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8000 – in Worten: achttausend – Euro. Das ist alles, was von der Alpine Holding GmbH übrig geblieben ist. Von Schulden einmal abgesehen. 8000 Euro, verteilt auf drei Bankkonten, waren laut Masseverwalter Karl Engelhart der gesamte Bargeldbestand der Gesellschaft, als diese am 2. Juli in den Konkurs schlittere: „Es ist derzeit kein Geld in der Masse“, sagt der Rechtsanwalt. Sonst noch auf der Aktivseite: die Beteiligung an der Alpine Bau GmbH, zwischenzeitlich ebenfalls in Konkurs. Auf der Passivseite aber: Verbindlichkeiten von 740 Millionen Euro. Das sind zum einen Haftungen für Schulden der Alpine Bau im Ausmaß von 450 Millionen Euro, zum anderen Verbindlichkeiten in der Höhe von 290 Millionen Euro gegenüber den Inhabern jener drei Anleihen, die zwischen 2010 und 2012 emittiert wurden.

Und genau diese Anleihen werden nun zum rechtlichen Minenfeld.
Wie bereits berichtet, prüfen mehrere Anwaltskanzleien die Einbringung von Schadenersatzklagen in Namen verprellter Investoren, bei den Gläubigerschutzverbänden türmen sich die Anfragen. Wer aus der Finanzwelt die Anleihen gekauft hat, ist nicht bekannt. Die Zahl der betroffenen Kleinanleger aber ist deutlich fünfstellig. Vor allem die Zeichner der letzten Emission im Frühjahr 2012 haben Grund zur Klage. Der Konzern stand damals bereits mit dem Rücken zur Wand, im Kapitalmarktprospekt findet sich aber kein einziges verwertbares Indiz. Die sogenannten Risikohinweise sind sehr allgemein und obendrein im Konjunktiv formuliert. Unabhängig davon wird auch die Frage zu klären sein, ob Alpine den Informationspflichten gegenüber den Anlegern stets in vollem Umfang nachgekommen ist. Die Finanzmarktaufsicht führt in diesem Zusammenhang seit Monaten Untersuchungen. Bei Verstößen könnten die einstigen Manager mit Verwaltungsstrafen von bis zu 100.000 Euro belegt werden.

Sollten Anleger tatsächlich klagen, bleibt nur die Frage, wen. Bei der Alpine Holding GmbH ist faktisch nichts mehr zu holen, es gibt aber immer noch ehemalige Geschäftsführer und Aufsichtsräte.

Auch die Emissionsbanken – im Falle der letzten Anleihe waren das Bawag PSK und Raiffeisen International – könnten Haftungsadressaten sein. Dazu müsste aber der Nachweis gelingen, dass diese zum Zeitpunkt der Emission um die desolate Lage der Alpine wussten. Was beide Häuser vehement in Abrede stellen. Die Bawag PSK teilte profil bereits vor Monaten mit, sie habe die Transaktion 2012 mit der „erforderlichen und notwendigen Sorgfalt begleitet“, darüber hinaus trage Alpine die „alleinige Verantwortung für die im Prospekt enthaltenen Angaben“. Seitens Raiffeisen heißt es unverbindlich: „Die Raiffeisen Bank International AG hat sich natürlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angaben im Emissionsprospekt unrichtig oder unvollständig sein könnten, hat aber keinerlei diesbezügliche Hinweise aufgefunden.“

Blieben noch jene Bankhäuser, über welche die Anleihen schlussendlich verkauft wurden. Hier könnte die Beraterhaftung schlagend werden – wenn auch unter der Voraussetzung, dass die Bankberater Risiken wider besseres Wissen verschwiegen hätten. Das wird nicht leicht zu beweisen sein.

Für die Inhaber zweier Anleihetranchen könnte es noch schlimmer kommen. Sie müssen nicht nur mit einem Totalausfall ihres Investments rechnen – ihnen droht nun auch die Rückforderung bereits erhaltener Zinsen. Tatsächlich hielt die Alpine Holding unmittelbar vor der Pleite noch zwei der drei Zinstermine ein. Die umstrittene Anleihe 2012-2017 (Volumen: 100 Millionen Euro) wurde am 22. Mai plangemäß mit sechs Prozent verzinst: sechs Millionen Euro. Der Tranche 2011-2016 (Volumen: 90 Millionen Euro) wurden noch am 10. Juni die vertraglich fixierten 5,25 Prozent oder 4,725 Millionen Euro zugewiesen. In Summe zahlte Alpine also 10,725 Millionen Euro aus. Am 2. Juli brach die Holding zusammen (tags zuvor war der Zinstermin für die Anleihe 2010-2015 verstrichen).

Masseverwalter Engelhart trägt nun eine schwere Last: „Ich habe zu prüfen, ob hier eine Bevorzugung von Gläubigern gegeben ist. Sollte das der Fall sein, müsste ich die Zinszahlungen im Sinne der gesamten Masse anfechten.“ Laut Insolvenzordnung kann ein Zeitraum von 60 Tagen vor Insolvenz-eröffnung angefochten werden. Engelhart hat das frühere Management um Stellungnahme ersucht: „Ich möchte unter anderem wissen, warum hier Zinsen in der Krise ausbezahlt wurden. Und woher das Geld kam.“

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.