AMS-Millionen scheinen verloren

AMS-Millionen scheinen endgültig verloren: Die Grünen fordern Untersuchungsausschuss

Die Grünen fordern einen Untersuchungsausschuss

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Von Josef Barth

Es ist ein ganzer Stapel Unterlagen, den Thomas B.* vorlegen kann. Darunter ein ­Schreiben auf offiziellem Briefpapier einer Republiksinstitution. Hunderttausende Euro werden ihm darin versprochen, verbrieft mit Wappen und Siegel. Die „Bundesbuchhaltungsagentur des Bundes“ bestätigt ihm darin „unwiderruflich“, dass ausschließlich an ihn, ausschließlich auf sein Konto, gezahlt werde – und zwar bis spätestens 31. Jänner 2009.

Zahlung erfolgte an jenem 31. Jänner keine. Stattdessen wurde der Unterzeichner des Schreibens, Wolfgang W., Bereichsleiter der Buchhaltungsagentur, an diesem Tag verhaftet. Wie berichtet soll der Spitzenbeamte W. dem Wiener Geschäftsmann Kurt Datzer und seinem Arbeitslosen-Schulungsinstitut „Venetia“ Schuldscheine für Leistungen ausgestellt haben, die dieser nie erbrachte. Diese Forderungsbestätigungen soll Datzer, der ebenfalls in Haft ist, Geldgebern verkauft oder von diesen Darlehen erwirkt haben (profil berichtete ausführlich).

Thomas B. ist einer dieser Darlehensgeber, die Kurt Datzer vertrauten. Einige hunderttausend Euro hat er ihm geliehen. Im Gegenzug stellte ihm Buchhalter W. noch im Dezember einen entsprechenden Schuldschein der Republik aus (siehe Faksimile). Für Thomas B. geht es um die Existenz. Und er ist nicht der einzige Anleger, der sein Geld nun von der Republik zurückhaben will. Mehrere Geschädigte haben sich mit ihren Forderungen bereits an die Finanzprokuratur gewandt, die als Anwalt des Bundes fungiert. Die Schuldscheine der Buchhaltungsagentur könnten den Staat nun Millionen kosten. Denn die Darlehensgeber durften darauf vertrauen, dass die Schuldscheine echt sind, und könnten sich nun bei der Republik schadlos halten. Denn diese dürfte selbst für das mutmaßlich rechtswidrige Handeln ihres Buchhalters haften müssen.

Amtliches Schweigen. profil liegen bereits mehrere solcher Republiksschuldscheine in entsprechender Höhe vor. Und auch der ermittelnde Korruptionsstaatsanwalt Friedrich Alexander Koe­nig bestätigt, dass den Ermittlern Forderungsbestätigungen der Buchhaltungsagentur vorliegen, die für Dritte – wie Thomas B. – vorgesehen waren. Die Höhe des Schadens für die Republik ist noch nicht abschätzbar, dürfte jedoch weit über jene 17 Millionen Euro hinausgehen, die Buchhalter W. vor seiner Verhaftung aus Töpfen des Arbeitsmarktservice an mutmaßliche Datzer-Gläubiger überwiesen haben dürfte. Die Chancen der Republik, diese 17 Millionen zurückzuholen, sind überschaubar. Denn die Anleger behaupten, sie in gutem Glauben erhalten zu haben.

Doch während Geschädigte wie Thomas B. um ihre Existenz bangen, hüllen sich die zuständigen Institutionen in Schweigen. Die Finanzprokuratur will nicht sagen, wie viele Verfahren anhängig sind; die Buchhaltungsagentur kann nicht feststellen, wie viele Schuldscheine im Umlauf sind; und das Finanzministerium verweigert unter Verweis auf ein „laufendes Verfahren zum Kriminalfall“ den Kommentar.

Für die Grünen Grund genug, nun kommende Woche einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Causa im Nationalrat zu beantragen. „Der Republik kommen Millionen abhanden, Bürger, die auf die staatliche Buchhaltung vertrauten, bangen um ihre Existenz, und die politisch Verantwortlichen mauern einfach und schweigen. Das ist nicht zu aktzeptieren“, kritisiert der Grüne Karl Öllinger. Er hegte bereits früh Verdacht gegen Datzer und zeigte ihn schon Mitte des Vorjahrs an. Der grüne Sozialsprecher ortet ein „Totalversagen der Kontrolle“: im Wirtschaftsministerium, als Aufsichtsbehörde des AMS und seiner Gelder; im Finanzministerium als Aufsichtsbehörde der Buchhaltungsagentur; sowie in der Agentur selbst. „Die Buchhaltungsagentur darf per Gesetz zwar Zahlungen aller Ministerien kontrollieren, doch wer kontrolliert die Buchhalter? Scheinbar niemand – dort wird nicht einmal stichprobenartig geprüft“, so Öllinger. Dazu hat der Grüne eine umfassende Anfrage eingebracht. Im Zentrum dieser Kritik steht vor allem der Chef der Buchhaltungsagentur, Helmuth Brandl. Der ehemalige Kabinettschef von Ex-Finanzstaatssekretär Alfred Finz werkte davor im Infrastrukturministerium und sei dort, laut Öllinger, maßgeblich an der Demontage der Revision beteiligt gewesen. Als er als Buchhaltungschef schon im Dezember vergangenen Jahres von seltsamen Schuldscheinen erfuhr, wies er W. lediglich an, solche nicht mehr auszustellen. Helmuth Brandl wollte seine Handlungen gegenüber profil unter Hinweis auf das laufende Verfahren gegen Wolfgang W. nicht kommentieren.

Bis zu einer etwaigen Anklage – geschweige denn allfälligen Verurteilung – in dem Verfahren kann es aber dauern. Die Republik zu klagen kann dagegen teuer kommen. Allein auf seinen Bundesschuldschein wird sich Thomas B. eine derartige Klage jedenfalls nicht leisten können.

* Name geändert