Deutsche Bundestagswahl: Eindrücke, Fotos, Stimmen
22 Uhr: Wahl vorbei, Ergebnis offen
Die deutsche Bundestagswahl ist geschlagen, das Ergebnis aber noch lange nicht eindeutig. In welcher Form die CDU in Zukunft regiert, wird sich erst in den kommen Tagen oder Wochen entscheiden. Aber auch eine Koalition SPD/Linke/Grüne ist nicht ausgeschlossen. Eines ist jedoch sicher: Die FDP erleidet eine historische Niederlage und ist nicht mehr im Bundestag vertreten. Es bleibt spannend - und wir wünschen eine gute Nacht!
21:30 Uhr: "Ah, Sie kommen aus Österreich!"
Nicht alle sind nachhause gegangen, manche trinken zusammen gegen den Frust. Wie geht es so? "Beschissen."
In einer Ecke geht es lustig zu. "Galgenhumor", sagt ein junger Liberaler. "Weinchen?", schiebt er nach. "Ah, Sie kommen aus Österreich!", sagt ein anderer. "Ich liebe den Club 2 mit Grissemann und Stermann!"
21:20 Uhr: NSA und Hartz IV
Wie geht es nun weiter? Liberaler: "Schwierig. Es werden Köpfe rollen. Und wir müssen unbedingt wieder eine starke Bürgerrechtspartei werden. Wo waren wir bei der NSA?" Eine andere meinte: "Toll, jetzt muss ich Hartz IV beantragen."
21:15 Uhr: "Unfassbar"
Fernsehen bei der FDP, "Berliner Runde" mit den Spitzenkandidaten - außer mit Rainer Brüderle, der wurde vom ZDF wieder ausgeladen: Nur Parteien, die aktuell bei 5 Prozent stehen, dürfen dabei sein. Auf dem Bildschirm erscheint Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Parlament: "Wir sind natürlich für eine PKW-Maut für Ausländer." Eine FDP-Anhängerin schüttelt den Kopf und murmelt: "Unfassbar".
20:30 Uhr: Patt zwischen Union und Opposition
Nach der Wahl haben die Hochrechnungen von ARD und ZDF ein Patt zwischen Union und der Opposition aus SPD, Linken und Grünen vorhergesagt. Anders als in vorhergehenden Hochrechnungen erreichte die Union im ZDF 303 von 606 Sitzen und damit nicht mehr eine absolute Mandatsmehrheit von einer Stimme.
Für eine Mehrheit wären demnach 304 Mandate nötig. Im ZDF waren bereits Überhang- und Ausgleichsmandate berücksichtigt. In der ARD kam die Union auf 298 von 598 Sitzen. Hier waren Überhang- und Ausgleichsmandate offenbar noch nicht in die Berechnungen eingeflossen. Auch in der ARD war die Union zuvor auf eine Mandatsmehrheit gekommen.
19:20 Uhr: Die traurigste Stunde in der Geschichte der FDP
Peer Steinbrück lehnte in seiner ersten Reaktion Aussagen zu einer möglichen Regierungsbeteiligung der SPD in einer großen Koalition mit der Union ab. "Die Lage ist sehr unklar, deshalb wird die SPD gut daran tun, heute keinen Spekulationen nachzugeben, wie denn eine Regierungsbildung aussehen könnte", sagte er. "Der Ball liegt im Spielfeld von Frau Merkel, sie muss sich eine Mehrheit besorgen."
FDP-Chef Philipp Rösler hat nach dem Debakel bei der Bundestagswahl seinen Rückzug angedeutet. Er habe in schwieriger Zeit die Führung der Partei übernommen und trotz einiger gewonnener Landtagswahlen sei es ihm nicht gelungen, einen Aufbruch für die Bundestagswahl zu erzeugen, so Rösler. "Daher werde ich politisch die Verantwortung übernehmen", sagte der 40-Jährige. Es handle sich "um die bitterste, traurigste Stunde in der Geschichte der Freien Demokratischen Partei."
19:04 Uhr: Nächste Hochrechnung
CDU und CSU haben bei der deutschen Bundestagswahl nach einer ZDF-Hochrechnung von 19.02 Uhr die absolute Mehrheit der Sitze gewonnen. Nach dieser Hochrechnung kommen die Christdemokraten auf 304 Sitze im Parlament, einen mehr als die Hälfte.
Die Sozialdemokraten erreichen 185, die Grünen 57 und die Linken 60 Sitze. Laut ZDF erreicht die CDU/CSU 42,5 Prozent, die SPD 25,9 Prozent, die Grünen 8,0 Prozent und die Linke 8,4 Prozent. FDP und AfD verpassen den Einzug mit 4,6 Prozent beziehungsweise 4,9 Prozent.
19:02 Uhr: Union kann auf absolute Mehrheit hoffen
Die Union kann einer ZDF-Hochrechnung zufolge auf eine absolute Mehrheit bei der Bundestagswahl hoffen. Sie kommt demnach auf 303 von 606 Sitzen, wie aus einer Hochrechnung des Senders am Sonntag hervorging.
19 Uhr: Linkspartei wirbt für Rot-Rot-Grün
Die Linkspartei wirbt angesichts des sich abzeichnenden Wahlergebnisses für eine Koalition mit SPD und Grünen im Bundestag. "Wenn es eine Mehrheit gegen die Konservativen gibt, dann gebt euch einen Ruck und ermöglicht einen Politikwechsel", forderte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn
18:50 Uhr: Rösler gratuliert Merkel
FDP-Chef Rösler spricht überraschend souverän. Er gratuliert der CDU und Angela Merkel - aber auch der SPD: "Die SPD hat in schwierigen Zeiten nicht aufgehört zu kämpfen, das imponiert." Es sei nun die bitterste, die traurigste Stunde der Freien demokratischen Partei. "Ich werde natürlich die persönliche Verantwortung übernehmen. Das ist für mich bitter. Das war nie ein einfacher Job für, sondern eine Berufung. Ab morgen geht die Arbeit wieder los, wir werden das schaffen. All die Menschen, die liberal denken und fühlen, werden wir wieder für uns begeistern."
18:45 Uhr: Rainer Brüderle
Spitzenkandidat Rainer Brüderle ist im Saal. Seine Stimme zittert. Die FDP wird in jedem Fall weitergehen. Das ist nicht das Ende der Partei. Er bekommt anerkennenden Applaus. Neben dem Spitzenkandidaten und früheren Wirtschaftsminister steht FDP-Chef Philipp Rösler, die Miene völlig versteinert.
18:40 Uhr: "Schrecklich"
Ratlosigkeit bei den Liberalen. Man hat sich im kleinen Garten versammelt oder starrt drinnen auf einen der Bildschirme mit den Wählerstromanalysen. Viele schweigen - ein Glas Wein in der Hand - vor sich hin, immer wieder hört man "schrecklich".
18:30 Uhr: CDU sieht klaren Auftrag zur Regierungsbildung
CDU-Fraktionschef Volker Kauder leitet aus dem Wahlergebnis der ein Recht für die Union zur Regierungsbildung ab. "40-Plus hat man ja für eine Volkspartei schon gar nicht mehr für möglich gehalten", sagte er. Das Ergebnis zeige vor allem, dass die Wähler wollten, dass Angela Merkel wieder Kanzlerin werde.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat sich dagegen leicht enttäuscht über das Ergebnis ihrer Partei bei der Bundestagswahl geäußert. "Wir hätten uns auf Bundesebene natürlich einen höheren Zuwachs gewünscht", sagte Nahles am Sonntagabend im ZDF.
18:27 Uhr: Was sagt eines der liberalen Aushängeschilder?
Was sagt eines der liberalen Aushängeschilder - Christian Lindner - zum Wahlausgang? Er werde jetzt keine Schnellschüsse geben, das Ergebnis sei so grundlegend und tiefgreifend, das müsse ordentlich besprochen werden. Man werde aber weiterhin für "gesellschaftliche Liberalität und wirtschaftiche Vernunft" stehen.
18:15 Uhr: "Was für ein Scheiß!"
Die Liberalen verlassen den Saal, indem man eigentlich feiern wollte. Draußen auf dem Gang steht eine Gruppe jüngerer FDPler: "Was für ein Scheiß!"
18:10 Uhr: Die Party ist zu Ende
Totenstille eine Sekunde vor der ersten Hochrechnung - und dabei bleibt es, bis auf ein kurzes "Aahh." Die Party ist zu Ende. Die FDP schafft es nicht ins Parlament. "Die AfD liegt sogar vor uns", sagt eine Frau. Die AfD ist die neu gegründete eurokritische Alternative für Deutschland.
18 Uhr: Erste Hochrechnung
CDU legt deutlich zu, SPD leicht, FDP und AfD ringen um Einzug ins Parlament.
Bei der Bundestagswahl legt die Union spektakulär auf mehr als 40 Prozent zu und wird nach einer Prognose für das ZDF mit Abstand stärkste Kraft. Die FDP fliegt möglicherweise aus dem Bundestag, während die Euro-kritische AfD nur knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde liegt.
Mit diesem Ergebnis wäre die schwarz-gelbe Koalition abgewählt. Nach der Prognose kommt die CDU/CSU auf 42,5 Prozent, die FDP liegt bei 4,5 Prozent, die AfD bei 4,8 Prozent. Die SPD mit ihrem Spitzenkandidaten Peer Steinbrück landet demnach bei 26,5 Prozent, die Linke bei 8,5 Prozent und die Grünen bei 8,0 Prozent.
17:55 Uhr: Wen man auch fragt beim Catering: Alle sind extrem aufgeregt
Die Medien hätten auch Schuld an den schlechten Umfragewerten, sagt ein FDP-Wähler: "Wer wählt denn eine Partei, über die immer nur gelacht wird?" Aber gut, sagt der Mann (39 Jahre alt, Angestellter) dann auch noch, die Partei hat auch strukturelle Probleme, man könne nicht immer nur das Schlagwort "Freiheit" in den Mund nehmen, man müsse auch wieder Inhalte liefern. "Die FDP braucht Themen."
17:45 Uhr: Sie sind FDP-Mitglied? Wie geht es Ihnen?
"Große Anspannung, wir fühlen alle eine große Anspannung. Das Ergebnis dürfte äußerst knapp werden, von einer Katastrophe bis hin zur Regierungsbeteiligung scheint alles drinnen zu sein. Wenn wir nicht in den Bundestag kommen - eine Katastrophe. Es braucht einen organisierten Liberalismus in Deutschland, damit wir nicht nur von Parteien regiert werden, denen das Individuum egal ist, die einen bevormundenden Staat wollen."
17:25 Uhr: "Ist doch spannend, ob die reinkommen"
Am Wahlabend zur SPD oder zur FDP? Die Meinungen sind geteilt. Geh zur FDP, ist doch spannend, ob die reinkommen. Auf jeden Fall zur SPD, bei der FDP wirds eher langweilig, die liegen sicher bei 6 bis 7 Prozent. Die SPD wird sich noch auf respektable 28,29 Prozent retten und dann mit Gabriel in die Große Koalition. Kurze Erläuterung: Sigmar Gabriel, der flapsige SPD-Parteichef, ist bekanntermaßen nicht Kanzlerkandidat. Dieser Peer Steinbrück hat bereits seinen Rückzug bekanntgegeben, sollte es für den Regierungschef nicht reichen. Zurück zur Entscheidungsfindung. Mach die FDP. Ist doch auch was zu sehen, wie sich eine Regierungspartei wie irre freut, wenn sie's mit 5,1 Prozent in den Bundestag schafft.
Schwierig, schwierig, ich entscheide mich schließlich für die FDP, fahre aber einen kleinen Umweg und schaue auch bei der SPD vorbei. Hier ist schon lang vor der ersten Hochrechnung der Teufel los. Hunderte Journalisten sollen sich für den Wahlabend im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg angemeldet haben.
Anders sieht es bei der FDP aus. Etwas mehr als 15 Minuten mit dem Fahrrad von der SPD entfernt, treffen sich die Liberalen im Berliner Congress Center auf dem Alexanderplatz. Ob es mit Mitleidsstimmen reicht, ins Parlament zu kommen? Die CDU-Chefin warnte jedenfalls bis zum Schluss davor, dass CDU-Sympathisanten der FDP ihre Stimme borgen könnten. Bei der Landtagswahl in Niedersachsen im Jänner hat das nichts gebracht, die FDP verbuchte zwar ein fulminantes Ergebnis, am Ende hatte aber auch die CDU nicht genug Stimmen. Rot-Grün hat schließlich gewonnen. Letzte Woche im Willy-Brandt-Haus (die Genossen trafen sich bei Weißbier, Brezeln und Leberkäse zur Bayern-Wahl) war die Hoffnung noch groß, dass die SPD in der letzten Woche vor der Bundestagswahl noch einmal ordentlich mobilisieren wird können, einst enttäuschte Wähler zurückholt und der Niedersachsen-Effekt wiederholt wird. In knapp 45 Minuten wissen wir mehr.
17:10 Uhr: Wählen in Neukölln (siehe Foto Stimmzettel)
Im einstigen Arbeiterbezirk Berlin-Neukölln, der ja heute vielmehr ein Arbeitslosenbezirk ist und viele Studenten und Freischaffende anzieht, ist einiges los vor dem Wahllokal in der Elbestraße. Das deckt sich mit dem allgemeinen Trend: Die Wahlbeteiligung dürfte etwas höher sein als vor vier Jahren. Das Publikum in der Elbestraße ist gemischt, es kommen Alteingesessene ebenso wie viel hippes Volk zu sehen ist. Wer soll die Wahl gewinnen? Merkel? Ne, ne, nich Merkel. Aber ob Steinbrück oder Merkel, es ändert sich ja nüscht, sagt eine ältere Frau. Die Linke soll stärker werden und die SPD auch, findet ein Mann Anfang Vierzig. Ich habe SPD und Grüne gewählt. Merkel geht echt nicht, sagt ein Mann ähnlichen Alters. Anders als in Österreich ist in Deutschland Stimmensplitting möglich, einmal für den Direktkandidaten, einmal für die Partei.
17:00 Uhr: Anstieg bei Wahlbeteiligung
Bei der Bundestagswahl zeichnet sich eine höhere Wahlbeteiligung als vor vier Jahren ab. Wie der Bundeswahlleiter mitteilte, hatten bis 14.00 Uhr 41,4 Prozent der Wahlberichtigten ihre Stimme abgegeben. 2009 waren es zu diesem Zeitpunkt 36,1 Prozent gewesen.
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