Mit Schrott und Korn

Aufstieg des SV Grödig: Ein schlechtes Zeichen für die Bundesliga

Fußball. Der Aufstieg des SV Grödig – schlechtes Zeichen für Bundesliga

Drucken

Schriftgröße

Fußball kann unglaublich spannend sein -– sogar dann, wenn auf dem Spielfeld selbst nicht besonders viel passiert. Am Sonntag vergangener Woche trafen sich der SV Scholz Grödig und der FC St. Pauli zu einem freundschaftlichen Kräftemessen. Beide Vereine wirkten etwas schlapp und unkonzentriert. Kein Wunder, schließlich wurde in den vergangenen Wochen hart trainiert, und beim Sonntagskick ging es um nichts. Da kann man es ruhig einmal lockerer angehen. Adi Hütter, Trainer der Grödiger, entschuldigte sich anschließend für die Darbietung seiner Mannschaft: „Das war heute nicht überzeugend. Wir können es besser.“

„Ein Kick im Kornfeld”
Den etwa 1400 Zusehern in Grödig wurde trotzdem nicht langweilig. Wann immer ein Schuss etwas kräftiger ausfiel, hielt das Publikum den Atem an: Wird der Ball über die zierliche Nordtribüne segeln und im dahinter liegenden Weizenfeld landen? Oder wird das Geschoß über die Werbebande fliegen und im Maisacker verschwinden? „Mensch, das ist hier ein Kick im Kornfeld“, gluckste eine deutsche Matchbesucherin in ihr Smartphone.
Das Spiel endete mit einem 2:1-Sieg der Gäste aus Hamburg. Wie viele Bälle verbraucht wurden, ist nicht bekannt.

„Untersbergarena“
Auch wenn es an diesem Tag nicht danach aussah: Grödig war die Sensation des Fußballjahres 2012/13. Die Mannschaft aus der kleinen Marktgemeinde an der Tauernautobahn, nur wenige Kilometer von Salzburg entfernt, gewann überlegen den Titel in der Ersten Liga und stieg in die oberste Spielklasse auf. Damit zählt Grödig hochoffiziell zu den zehn derzeit besten Klubmannschaften Österreichs. Am kommenden Samstag beginnt die neue Saison der Tipp3-Bundesliga, und Grödig lädt zum ersten Heimspiel auf seinen putzigen Fußballplatz mit dem irreführenden, weil völlig andere Dimensionen vorgaukelnden Namen „Untersbergarena“.

„Wir bleiben oben”
Manager Christian Haas will in den nächsten Monaten beweisen, dass der Aufstieg kein Versehen war. „Wir bleiben oben“, erklärt er: „Ich bin sicher, dass wir mit dem Abstiegskampf nächstes Jahr nichts zu tun haben werden.“ Sein Vater Anton, Ehrenpräsident des Vereins, empfindet dieser Tage in erster Linie Genugtuung: „Wir sind ein Dorfklub, und viele haben keine Freude mit uns. Aber wir haben es geschafft.“

Traditionsvereine stecken in der Krise
Die Grödiger machten zuletzt eine Menge richtig. Sie fanden in den ehemaligen Nationalspielern Adi Hütter und Edi Glieder zwei fähige, aber noch bezahlbare Trainer. Sie kauften keine gealterten Ex-Diven mit morschen Knochen, sondern setzen auf preiswerte Talente, die im Leben noch etwas vorhaben. Soweit sich das bei einem Fußballverein beurteilen lässt, hielten sie bisher sogar ihre Finanzen in Ordnung. Das ist schon ziemlich viel an Eigenleistung – und trotzdem nur ein Teil der Geschichte. Grödigs steile Karriere zeigt auch, wie absurd es derzeit im heimischen Fußball zugeht. Die meisten großen Traditionsvereine stecken in der Krise. Das machte den Platz frei für kleine Retortenklubs und ihre mehr oder weniger irrlichternden Gönner.

Kein Halten mehr
Vor zehn Jahren spielte Grödig noch in der zweitniedrigsten Klasse gegen andere No-Names wie Henndorf und Hof. Erst vor drei Jahren gelang der Aufstieg in die Bundesliga. Zum Start der heurigen Frühjahrssaison hatte Grödig neun Punkte Rückstand auf den Tabellenersten Austria Lustenau. Dann gab es kein Halten mehr. Von 18 Partien im Frühlingshalbjahr gewann Grödig 13, schon vier Runden vor Schluss stand der Verein als Meister fest. Zum Abschluss der großen Sause ballerten die Salzburger noch den FC Blau-Weiß Linz mit 5:0 vom Platz.

„Die letzten paar Wochen waren brutal“
Irgendwie ging das alles zu schnell, sogar für die Grödiger. Manager Christian Haas, ein braungebrannter 36-Jähriger mit offensivem Verkäuferschmäh, klopft zwar ordentlich Sprüche, scheint aber zwischendurch selbst nicht zu wissen, ob er sich mehr freuen oder gruseln soll. Das aktuelle Arbeitspensum lasse sich jedenfalls nicht auf Dauer durchhalten, meint er: „Die letzten paar Wochen waren brutal.“
Vater und Sohn Haas, im Zivilberuf geschäftsführende Gesellschafter eines Schrottverwerters, sind die treibenden Kräfte hinter dem Erfolg. Ohne das Geld, die Energie und den Fanatismus der beiden Herren würde Grödig wohl noch immer im Fußballkeller spielen. Haas senior war in den 1990er-Jahren Vizepräsident von Austria Salzburg. Eigentlich wollte er danach seine Funktionärslaufbahn beenden. Aber wie das Leben so spielt: Sohn Christian, eine Zeitlang Tormann in Grödig, wurde vom Verein vor ziemlich genau zehn Jahren um Mithilfe ersucht – und der Papa konnte ebenfalls nicht nein sagen. Wieviel Geld seither geflossen ist, verrät Familie Haas nicht. Einige Millionen waren es mit Sicherheit.

Ganz allein hätten es die beiden aber kaum geschafft. Es traf sich günstig, dass die Österreich-Tochter des deutschen Metallverwerters Scholz AG vor ein paar Jahren die Hälfte des Haas-Familienbetriebs übernahm und sich vom Steckenpferd des neuen Geschäftspartners überzeugen ließ. Scholz ist seither Hauptsponsor von Grödig. Die nunmehr doppelte Unterstützung aus der Alteisenbranche wird wohl noch viel Anlass für originelle Wortspiele bieten. Ganz einleuchtend scheint das Engagement jedenfalls nicht. Wozu braucht ein Schrotthändler Werbung auf Fußballertrikots? „Wir sind sehr glücklich als Sponsor“, erklärt Viktoria Koll, Marketingmitarbeiterin bei Scholz Austria. Das gute Image des Vereins wirke sich durchaus auf die Geschäfte der Firma aus, findet sie. „Keiner hätte gedacht, dass es sportlich so toll laufen wird.“ Nebenbei sponsert Scholz auch noch den SKN St. Pölten, dessen Durchbruch bis dato jedoch auf sich warten lässt.
Immerhin haben die Niederösterreicher ein schmuckes, nagelneues Stadion. Die Untersbergarena dagegen liegt zwar malerisch am Fuße des namensgebenden Bergs, muss aber erst runderneuert werden, um überhaupt bundesligatauglich zu werden. Und das passiert buchstäblich in letzter Minute. Weil die Genehmigungen so lange dauerten, konnte Grödig erst vor einer Woche mit den Bauarbeiten beginnen. Zehn Tage sind für die Errichtung mehrerer neuer Tribünen und einer etwa 400 Meter langen Zufahrt reichlich knapp kalkuliert, wie jeder Häuslbauer ermessen kann. „Es wird sich trotzdem ausgehen“, verspricht Christian Haas. Die Straße zum Stadion war bisher das größte Problem, weil sie erst mitten durch den Ort und danach – einspurig – durch die Pampa führt. Ein TV-Übertragungswagen kommt da nicht durch, eine längere Pkw-Kolonne nur im Schritttempo. Der jetzt in Bau befindliche Abschneider samt temporärem Kreisverkehr soll Abhilfe schaffen – wenn die Baufirma nicht zu viel versprochen hat und tatsächlich fertig wird.

Ungeklärt ist bisher, wie allenfalls anwesende Rabauken unter den gegnerischen Fans in Schach gehalten werden sollen. Die etwa brusthohe Werbebande auf der Westseite des Platzes lässt sich auch mit viel Bier im Blut problemlos überwinden, und das Ackerland rundherum ist kaum abzusichern. Mit etwas Pech kann die Untersbergarena ein Hotspot für Hooligans werden. Niedrigschwellige Angebote zum Platzstürmen, Becherwerfen und Rumprügeln sprechen sich in der Szene bekanntlich schnell herum. Dem Grödiger Bürgermeister Richard Hemetsberger wäre es deshalb lieber gewesen, Risikospiele in einem anderen Stadion, zum Beispiel in der Red Bull Arena, auszutragen. Aber der Verein wollte nicht. Warum auf den Heimvorteil verzichten?

„Wir sind Zecken, asoziale Zecken“
Wenigstens mit den eigenen Anhängern wird es keine disziplinären Probleme geben. Trotz Siegesserie verirrten sich in der abgelaufenen Saison im Schnitt nur 900 Zuseher ins Stadion. So etwas wie eine Fankultur konnte sich hier nie entwickeln. Wie man ein Transparent bastelt oder einen Schlachtruf textet, wissen in Grödig nicht einmal die Dorfältesten. Ziemlich baff bestaunten die Einheimischen folglich den Anhang des FC St. Pauli, der mit bösem Schlachtgesang („Wir sind Zecken, asoziale Zecken“) aufmarschierte und dazu noch eine junge Frau im Schlepptau führte, die öfter mal ihr T-Shirt samt BH lupfte. Aha, so geht das also.

Betriebsunfall
Unter Experten gilt der Aufstieg des SV Scholz Grödig als Betriebsunfall – schön für die Grödiger, schlecht für die Liga. Noch einen Zwergerlverein aus der Provinz habe das schwächelnde Fußball-Oberhaus echt nicht gebraucht, heißt es reihum. Bundesligavorstand Georg Pangl gratuliert trotzdem: „Grödig hat sich den Aufstieg verdient. Ich kann der Mannschaft nur das Beste wünschen.“ Geht es nach ihm, wird sich diese Art von Märchen aber nicht in allen Details wiederholen. Die Bundesliga arbeite an einer Änderung der Lizenzierungsvorschriften, sagt Pangl: „Wir wollen, dass die Infrastruktur in Zukunft schon zum Zeitpunkt des Lizenzantrags im März fertig sein muss, nicht erst zum Saisonstart.“ Last-Minute-Aktionen kurz vor Anpfiff des ersten Spiels wie derzeit in Grödig wird es dann nicht mehr geben. Hat ein Verein kein geeignetes Stadion, kann er sich woanders einmieten. Wer das nicht möchte, darf nicht aufsteigen. „Spätestens ab 2015 soll das umgesetzt werden“, erklärt Pangl, der einräumt, dass die Salzburger in dieser Hinsicht ein ziemlich krasser Fall sind. „So eine Situation erlebe ich das erste Mal.“

Immerhin ist das neue zweistöckige Partyzelt für die VIP-Gäste in Grödig schon so gut wie fertig. Fast 500 Besucher können darin feiern, essen und auf den Erfolg des Vereins anstoßen. Falls jemals so viele kommen.

Rosemarie Schwaiger