Autodrom: David Staretz

Autodrom: David Staretz Heck voran und Augen zu

Heck voran und Augen zu

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Es gibt Autos, die haben den Schwerpunkt nicht in der Mitte, sondern dort, wo es die Designer für richtig hielten. Der VW New Beetle zum Beispiel besteht nur aus Seiten­ansicht. Das Profil ist sein Thema, das gesamte Auto wurde der Anhäufung von drei perfekten Kreissegmenten unter­geordnet. Für Front- und Heckansicht gab es keinen Bedarf mehr. Peugeot hingegen ist völlig vernarrt in Frontpartien. Am liebsten hätten sie beim 308 völlig auf das Auto verzichtet, um die gewaltige Bugpartie bis an die Heckleuchten zurückzuspannen. So erinnert er an Rudyard Kiplings Erzählung Wie der Wal zu seinem Rachen kam: „Dann öffnete der Wal sein Maul weit und weiter und weiter, bis es fast seinen Schwanz berührte …“
Beim BMW 5GT, ebenfalls dem Wale zugetan, haben wir es nun mit dem Thema „Omnipräsentes Heck“ zu tun.

Er zählt in seiner massigen Konsequenz zu den eindeutig designgeleiteten Fahrzeugen, was immer etwas faszinierend Irrationales mit sich bringt: Ein kühner Entwurf, von dem keiner mehr sagen kann, wie man je darauf kommen konnte, wird trotzig vorangetrieben, wobei er immer dramatischer, manierierter und gewaltiger erscheint, bis er schließlich so unumkehrbar weit gediehen ist, dass es großer Erklärungswucht und Sendungskraft bedarf, um all das in einen glaubwürdigen Vernunftrahmen einzuspannen. Das klingt dann bei BMW so: „Wir kombinieren den Luxus einer Limousine mit der Variabilität eines Kombis und der erhabenen Sitzposition eines Geländewagens.“ Ja, das klingt gut, passte aber besser in die große Zeit vor der Krise, als man mit der Frivolität des Gar-nicht-scheitern-Könnens solche Projekte in die Pipelines schob, woraus sie jetzt, zum ungünstigen Zeitpunkt, rausploppen. Da helfen auch die für 2011 versprochenen Hybridantrieb-Nachbesserungen wenig.

Nach genauer Kalibrierung kann man feststellen: Der 5GT fügt sich ein zwischen BMW X6 (auch schon erklärungsbedürftig) und 5er-Touring, die Kombiversion der 5er-Reihe. Erst noch ein Wort über die schiere Größe des 5er-GT: Er ist fünf Meter lang, 1,90 breit, 1,56 Meter hoch und hat mit knapp über drei Metern den Radstand einer Siebener-­Limousine. Ein mächtiges Auto, dem man sein Gewicht – um die zwei Tonnen – ansieht.
Das bedeutet aber alles nicht, dass es sich um ein unliebsames Auto handeln muss. Entsprechend der ausgespielten Heckbetonung hat man alle Möglichkeiten genützt, um eine grundsätzlich sportlich angelegte (GT-)Karosserie so passagierfreundlich wie möglich zu gestalten. Das beginnt bei den hinteren Türen, die erstens vorhanden sind, sich zweitens weit öffnen und somit bequemen Zugang zu zwei erhabenen Sitzpositionen ermöglichen, die den Fondpassagieren gute Übersicht, großzügigen Fußraum und individuelle elektrische Sitzverstellmöglichkeiten in Lage und Neigung erlauben.

Für ausreichende Kopffreiheit wurden noch extra Beulen ins Dach gepresst. Dahinter sorgt eine Trennwand, die Passagier- und Kofferraum wie bei einer Limousine trennt, für akustischen und klimatischen Komfort. Auch der eigentliche Heckbereich, der (ins Auto hinein variable) Kofferraum, wurde besonders liebevoll und groß­zügig gestaltet. Allerdings gibt es einen Grund, warum in nahezu jeder Beschreibung dieses Autos der Skoda Superb zitiert wird: Dort wurde das grenzgeniale System der horizontal geteilten Heckklappe erstmals angewendet. Man kann also wahlweise den kleinen Kofferraumdeckel öffnen, um schnell eine Sporttasche hineinzuschlenzen, oder man liftet (mit elektrischer Unterstützung) die gesamte Heckpartie hoch, um die Urlaubsware systematisch zu verstauen. Per Knopfdruck schließt sich das Schleusentor auch wieder.

Der Ausblick vom Fahrersitz nach hinten ist so geringfügig, dass man völlig der Rückfahrkamera ausgeliefert ist, die so fantastisch funktioniert, dass sie gewissermaßen in die Zukunft blicken kann. In grün liniertem Bogen zeigt sie an, wo man bei jeweiligem Lenkeinschlag gerade im Begriff ist anzukrachen. Aber da sei lautstarkes Piepen davor, und im Unterschied zu üblichen Einparkwarnern kann man sich auf das Kamera-Weitwinkel millimetergenau verlassen. Dieses elektronische Abfangen von konstruktiven Unzulänglichkeiten ist ja ein interessantes Thema. Theoretisch könnten unsere Autos hermetisch verschlossene Metallkugeln sein, und wir wären trotzdem imstande, sie mittels Electro­nica sicher zu steuern.

Der 5GT zählt eindeutig zu den Autos, die radikal sympathischer werden, sobald man selber drin sitzt. Schließlich hat man ein Commitment von rund 64.000 Euro abgegeben und sich noch Extras im Wert von 31.500 Euro geleistet, darunter erwähnte Heckklappen-Stemmautomatik, kurvenadaptives Xenon-Licht mit Waschanlage, Panorama-Glasdach, Sitzheizung (unerlässlich bei Aufpreis-Ledersitzen) oder Soft-Close-Türenschließautomatik, die ein wirklicher Sprung in die Zukunft ist. Schnell wird auch das Head-up-Display zum unverzichtbaren Luxus. Die in die Windschutzscheibe ein­gespiegelte Tempoanzeige ist ein unerlässlicher Warner vor davongelaufenem Tempo, wie es gerade in der 306-PS-Liga leicht unterläuft. Dagegen steht ein überraschend schlichter Verbrauch von 10,2 Litern, der hinter alledem ein schönes Schlusswort setzt.