Balleroberung

Menschen des Jahres. David Alaba, oder ein echter Wiener geht nicht unter

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Jünglinge haben reichlich Gelegenheit, nervös zu sein: beim ersten Rendezvous, vor der Matura, bei der Führerscheinprüfung. Es mag Versagensängste lindern, dass es immer auch ein zweites Date, einen Herbsttermin für die Reifeprüfung und mehrere Antrittsmöglichkeiten zum Erwerb der Lenkerberechtigung gibt. David Alaba dagegen wird nicht so schnell wieder in eine Stresssituation wie am 25. April 2012 geraten. Madrid, Bernabéu-Stadion, Champions-League-Halbfinale, Real Madrid gegen Bayern München, Elfmeterschießen. Bayern-Trainer Jupp Heynckes hat Probleme, fünf beherzte Schützen aufzutreiben. Als Erster muss der 19-jährige Alaba zur Nervenprobe antreten: 80.000 Zuschauer, im Tor mit Reals Iker Casillas der beste Keeper der Welt. Die Berichterstatter werden später schreiben, dass Alabas Elfer – ein präziser scharfer Schuss mit dem linken Fuß flach ins rechte Eck – der beste überhaupt war. Ausnahmekicker wie Deutschlands Kapitän Philipp Lahm oder Portugals Wunderspieler Cristiano Ronaldo scheitern dagegen an ihren Nerven. Die Krönung des Jahres bleibt Alaba freilich verwehrt: Weil er im Spiel gegen Madrid eine weitere Gelbe Karte kassiert hat, muss er beim Finale zusehen. Die Bayern verlieren im Elfmeterschießen gegen Chelsea.

Es war dennoch Alabas Jahr. In seiner ersten kompletten Saison in der Kampfmannschaft des FC Bayern München wählte ihn die „Süddeutsche Zeitung“ in die Elf des Spieljahres 2011/2012. Im November schrieb die Zeitung: „Der junge Österreicher scheint sich zum Führungsspieler im Team der Bayern entwickelt zu haben. Schnappt sich mittlerweile mit lässiger Selbstverständlichkeit bei Freistößen aus aussichtsreicher Position den Ball, tritt Ecken und dirigiert seine ­Nebenleute in der ­Defensive.“
Im Nationalteam darf Alaba auch in der Offensive dirigieren. Führungsspieler mit unbegrenzter Spielfreude ist er da sowieso, ohne Allüren – im Gegensatz zum zweiten österreichischen Ausnahmefußballer, Marko Arnautovic. Während von Alaba Zitate wie „Ich muss dankbar sein“ oder „Ich muss noch viel lernen“ stammen, muss man bei Arnautovic eher mit Aussagen wie „Ihr müsst dankbar sein“ oder „Ihr müsst noch viel lernen“ rechnen. Obwohl beide aus der Hauptstadt kommen, geht nur Alaba in deutschen Medien als echter Wiener durch. Was immer er sagt, fällt in München und Umgebung gleich unter Schmähverdacht – vielleicht auch, weil Alabas Stimme ­jener von Toni Polster auffallend ähnelt.

Der Einzige, der den nigerianisch-philippinisch-stämmigen Alaba nicht für einen waschechten Wiener hielt, war ein Tiroler. Beim Trainingslager der Nationalmannschaft im Mai in Seefeld schaute Landeshauptmann Günther Platter vorbei und begrüßte Alaba mit internationaler Härte: „How do you do?“ Der Bayern-Star erwiderte freundlich, man könne mit ihm Deutsch sprechen, da er Österreicher sei. Wieder einmal war Alaba cool ­geblieben.

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.