Bizarrer Rechtsstreit der Danone-Gruppe

Bizarrer Rechtsstreit der Danone-Gruppe gegen das Landwirtschaftsministerium

Werbung. Gegen das Landwirtschaftsministerium

Drucken

Schriftgröße

Joghurt, der oder das, in Ostösterreich mitunter auch die: eine „durch Zusetzung bestimmter Milchsäuren gewonnene Dickmilch“, wie Lexika notieren.

Actimel, das: ein mit „probiotischen Mikroorganismen“ versetztes Joghurtgetränk, das „die natürlichen Abwehrkräfte stärkt“, wie die Werbestrategen des französischen Danone-Konzerns nassforsch behaupten.

Und neuerdings nicht nur sie. Denn Actimel beschäftigt neben dem Immun- zunehmend auch das Rechtssystem.

Vor mittlerweile acht Wochen hat der Österreich-Ableger von Danone die Agrarmarkt Austria (AMA) in eine Auseinandersetzung vor dem Handelsgericht Wien verwickelt. Die AMA untersteht direkt dem Landwirtschaftsministerium und soll unter anderem Lebensmittel heimischer Provenienz im In- und Ausland vermarkten. Dazu gehört auch Joghurt.

Im Februar dieses Jahres lancierte die AMA eine breit angelegte Werbekampagne, in welche sie im Wesentlichen eine Botschaft packte: „Jedes Joghurt stärkt Ihre Abwehrkräfte – schon einfaches Naturjoghurt regt die Darmflora an und stimuliert das körpereigene Immunsystem.“

Danone, in Österreich seit 1996 mit Actimel auf dem Markt, reagierte säuerlich. Ende März ergingen eine Klage und ein Antrag auf einstweilige Verfügung gegen die AMA.

Die Vorwürfe:
„unlautere Geschäftspraxis“, „kritisierende vergleichende Werbung“ und „Rufausbeutung“.

Die Angelegenheit harrt nach wie vor einer richterlichen Dezision. Zwischenzeitlich liegen profil aber die von namhaften Wiener Kanzleien – Schönherr Rechtsanwälte aufseiten von Danone, Wolf Theiss Rechtsanwälte für die AMA – verfassten Schriftsätze vor. Sie dokumentieren einen reichlich bizarren Rechtsstreit, bei dem es weniger um die Gesundheit als vielmehr ums Geld geht. „Die Werbebehauptungen der beklagten Partei (Anm. Agrarmarkt Austria) sind unrichtig und damit zur Irreführung geeignet. Es trifft nicht zu, dass jedes Joghurt und insbesondere auch jedes einfache Naturjoghurt die Abwehrkräfte stärkt“, schreiben die Danone-Anwälte. Replik der Gegenseite: „Abgesehen davon, dass die Richtigkeit der von der Antragstellerin (Anm. Danone) kritisierten Aussagen schon seit langer Zeit geradezu als Selbstverständlichkeit bekannt ist, ist die Richtigkeit der beanstandeten Werbeaussagen auch wissenschaftlich belegt und rechtfertigt es somit, über die Unrichtigkeit der von der Antragstellerin zu Unrecht für ihr Actimel offenkundig beanspruchten Monopolisierung der positiven Wirkung von Joghurtverzehr aufzuklären.“

Danones kurioses Selbstverständnis lässt sich etwa so resümieren: Alle Joghurts sind gleich, aber im Vergleich zu Actimel sind alle anderen nicht ganz so gleich.

Für die Franzosen steht naturgemäß einiges auf dem Spiel. In der vergangenen Dekade hat das Unternehmen allein hierzulande 51 Millionen Euro in die Actimel-Werbung investiert. Der Umsatz dürfte über 20 Millionen Euro jährlich liegen, was etwa einem Fünftel des gesamten heimischen Joghurtmarkts entspräche. Der weltweite Actimel-Umsatz soll zuletzt knapp mehr als eine Milliarde Euro betragen haben. Der Joghurtdrink ist damit einer der wichtigsten Verkaufsträger des Konzerns, der unter anderem auch Produkte wie Activia, Obstgarten, Fruchtzwerge, Evian und Milupa erzeugt.

Dennoch fährt Danone einen riskanten Kurs. Denn die segensreichere Wirkung von Actimel gegenüber vulgären Joghurts ist unter Wissenschaftern alles andere als gegessen. Und bringt dem Hersteller auch international massig Ärger ein. In Frankreich und Großbritannien musste die Werbelinie erst jüngst auf öffentlichen Druck abgeändert werden. In Deutschland fing sich das Unternehmen 2009 den von der Verbraucherorganisation Foodwatch vergebenen „Goldenen Windbeutel für die dreisteste Werbelüge“ ein. Begründung: Actimel stärke das Immunsystem nur ähnlich gut wie konventionelles Naturjoghurt, sei aber „viermal so teuer und doppelt so zuckrig“.

In diesen Kontext ist auch die laufende Auseinandersetzung in Wien zu setzen. Unterliegt Danone, wäre das vermeintliche Alleinstellungsmerkmal von Actimel endgültig perdu. So ganz wohl dürfte dem Handelsgericht bei der Sache nicht sein. Über einstweilige Verfügungen – das ist ja Ziel der Übung – wird gemeinhin innerhalb von 48 Stunden entschieden. Diese Causa zieht sich bereits über zwei Monate.

Michael   Nikbakhsh

Michael Nikbakhsh

war bis Dezember 2022 stellvertretender Chefredakteur und Leiter des Wirtschaftsressorts.