Der Stand der Dinge
Eine gewisse Routine ist Karl-Heinz Grasser nicht abzusprechen. Seit bald drei Jahren ist er unablässig damit beschäftigt, seine Rolle beim Verkauf der Bundeswohngesellschaften 2004 kleinzureden. Die von ihm als Finanzminister abgewickelte Privatisierung sei ebenso supersauber wie supertransparent gewesen er habe eine weiße Weste und fühle sich von Justiz und Medien verfolgt. Auch deshalb, weil die Behörden nach fast dreijährigen Ermittlungen nichts Belastendes gefunden hätten.
Das entspricht schlicht nicht den Tatsachen. Mit 6. Oktober vergangenen Jahres übermittelte die Korruptionsstaatsanwaltschaft dem Landesgericht für Strafsachen Wien eine 43-seitige Stellungnahme eine Reaktion auf die von Grasser und dem mitbeschuldigten Immobilientreuhänder Ernst Karl Plech wenige Wochen zuvor eingebrachten Einstellungsanträge (denen das Gericht nicht Folge leistete). Das vertrauliche Dossier listet Verdachtsmomente gegen Grasser und ein Dutzend weiterer Personen in Zusammenhang mit der Buwog-Privatisierung 2004 und dem Umzug der Finanzlandesdirektion Oberösterreich in den Linzer Terminal Tower 2006 penibel auf. Es geht unter anderem um Untreue, Korruption und Beweismittelfälschung.
Wahr ist, dass die Justiz die vermuteten Provisionen etwa aus dem Buwog-Verkauf Grasser soll über ein ihm zugerechnetes Liechtensteiner Konto allein aus diesem Geschäft 2,4 Millionen Euro kassiert haben nicht lückenlos rekonstruieren konnte. Dazu bräuchte es weitere Unterlagen aus Liechtenstein, die bis heute nicht angeliefert wurden.
Wahr ist aber auch, dass die bisher in mühevoller Kleinarbeit nachgezeichneten Zahlungsströme Hinweise auf massive Unregelmäßigkeiten geben. Um der Öffentlichkeit Einblick in den Stand der Ermittlungen zu gewähren, stellt profil das Dossier jetzt online zum Download bereit. Juristen sehen darin bereits eine Art vorweg genommener Anklageschrift. Umso mehr, als in der Zwischenzeit neue, belastende Indizien hinzu gekommen sind. So etwa der von profil am 6. Februar publizierte Brief von KHGs Schwiegermutter Marina Giori-Lhota an die Adresse der Tiroler Finanz: Darin legt sie Wert auf die Feststellung, zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich Berechtigte jenes Meinl-Bank-Kontos gewesen zu sein, über welches Grasser die ominösen 500.000 Euro veranlagt hat.
Für die in dem Dokument genannten Personen gilt bis zu einer allfälligen rechtskräftigen Verurteilung ausnahmslos die Unschuldsvermutung.