Der Vorstandschef der Volksbanken-Gruppe im Interview: "Das geht an die Nieren"
profil: Die Volksbanken-Tochter Kommunalkredit ist im Herbst des Vorjahres unter Ihrem Aufsichtsratsvorsitz in Schräglage geraten und musste in weiterer Folge vom Staat aufgefangen werden. Sie selbst haben zu den Vorgängen bis jetzt eisern geschwiegen. Warum?
Pinkl: Ich durfte aus verschiedenen Gründen nichts sagen. Zum einen wurden die Verhandlungen mit der Republik erst am 30. Dezember abgeschlossen, das effektive Closing erfolgte mit 5. Jänner. Zum anderen stehen wir möglicherweise vor rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem früheren Management der Kommunalkredit. Ich konnte und kann nicht riskieren, dass ich Argumente liefere, die dann im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen die Volksbank AG verwendet werden könnten.
profil: Sie werden aber zugestehen, dass Ihre verbale Askese, zumal in sehr bewegten Zeiten, nicht unbedingt zur Vertrauensbildung beigetragen hat.
Pinkl: Mag sein, dass ich zu restriktiv war. Dafür habe ich auch Prügel bezogen. Ich bin da aber nicht empfindlich. In den fünf Jahren, die ich jetzt hier sitze, habe ich es mir zur Regel gemacht, lieber nichts zu sagen, als einen Journalisten anzulügen.
profil: Was empfinden Sie eigentlich beim Gedanken, dass der Volksbanken-Konzern mit der Kommunalkredit gleichsam über Nacht einen wichtigen Arm verloren hat?
Pinkl: Das geht mir an die Nieren. Der Erwerb der Investkredit-Gruppe 2006 (die Kommunalkredit war damals Teil des Pakets, Anm.) ist schließlich eng mit meiner Person verbunden. Der Verlust der Kommunalkredit war ein schmerzhafter Rückschlag. Jetzt gilt es, wieder nach vorne zu schauen und gute Arbeit zu leisten.
profil: Lassen Sie uns noch einmal zurückblicken. Nach vorliegenden Informationen erklärte Kommunalkredit-Vorstandschef Reinhard Platzer dem Aufsichtsrat, also auch Ihnen, noch am 24. September 2008, dass es keinerlei nennenswerte Probleme gebe obwohl die Finanzkrise Europa schon voll erfasst und die Bank bereits Buchverluste zu erwarten hatte. Da drängt sich der Verdacht auf, dass die Organe entweder nicht in vollem Umfang informiert oder aber die Risiken kollektiv falsch eingeschätzt wurden.
Pinkl: Das möchte ich nicht kommentieren. Diese Themen sind Gegenstand einer Untersuchung durch PricewaterhouseCoopers, die wir Mitte Dezember in Auftrag gegeben haben. Soweit es den damaligen Aufsichtsrat betrifft, bin ich überzeugt davon, dass wir im Rahmen des Aktiengesetzes korrekt gehandelt haben. Aber ich könnte meinen Job hier nicht machen, wenn dauerhaft der Verdacht auf mir lastete, dass ich meine Aufgaben vernachlässigt hätte. Daher lassen wir das von unabhängiger Seite prüfen. Sollten die Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass Fehler passiert sind, werden Konsequenzen zu ziehen sein, so bitter das aus meiner Sicht auch sein mag.
profil: Konsequenzen ziehen hieße Rücktritt?
Pinkl: Warten wir die Untersuchung ab. Sollte ich tatsächlich schuldhaftes Verhalten an den Tag gelegt haben, wird der Aufsichtsrat über die Konsequenzen zu entscheiden haben. Ich werde dann die notwendigen Schritte setzen.
profil: Nun könnte man es sich einfach machen und sagen, dass der US-Finanzsektor bereits ab Mitte 2007 in der Klemme steckte und es nur eine Frage der Zeit war, bis auch Europa erfasst würde. Hat man da nicht zu lange zugesehen?
Pinkl: So einfach ist es nicht. Mit der Subprime-Krise 2007 wären Volksbanken und Kommunalkredit fertig geworden, die Risiken waren zunächst überschaubar. Die Kommunalkredit war aber in der speziellen Situation, dass sie aufgrund ihres exzellenten Ratings sehr günstige Refinanzierungen erhalten hat, die sie mit niedrigen Margen längerfristig veranlagte. Das ging völlig problemlos, solange die Märkte liquide waren. Die Vertrauenskrise nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers am 15. September des Vorjahres hat dieses Geschäftsmodell mit einem Schlag zum Erliegen gebracht. In den Berichten des Kommunalkredit-Vorstands an den Aufsichtsrat gab es jedenfalls bis zuletzt keine alarmierenden Signale.
profil: Etwas mehr Weitsicht hätte Ihnen vielleicht nicht zum Nachteil gereicht.
Pinkl: Wenn ich Ihnen vor einem Jahr gesagt hätte, dass Ende 2008 die größten US-Investmentbanken verschwänden und etwa der gesamte britische Finanzsektor verstaatlicht werden würde, hätten Sie es mir nicht geglaubt. Auch ich habe es mir nicht vorstellen können. Sie dürfen auch nicht vergessen, dass die Kommunalkredit über einen sehr langen Zeitraum hinweg von internationalen Ratingagenturen regelrecht hochgejubelt wurde. Und Reinhard Platzer war ja auch wer. Er hat die Bank entwickelt. Natürlich kann man jetzt einwenden, dass die Kommunalkredit zu schnell zu groß geworden war und Platzer manchmal Starallüren hatte. Aber damit ist niemandem geholfen.
profil: Platzer musste am 7. November des Vorjahrs unter Verzicht aller vertraglichen Ansprüche zurücktreten. Wie hat er das erzwungene Karriereende aufgenommen?
Pinkl: Er war sehr betroffen. Er hat das wahrscheinlich so nicht erwartet.
profil: Das Kommunalkredit-Debakel reißt ein tiefes Loch in Ihren Jahresabschluss 2008. Die Volksbanken-Gruppe wird erstmals seit Jahren tiefrote Zahlen schreiben. Sie haben sich in diesem Zusammenhang bereits Ende des Vorjahrs das Pouvoir geholt, das Eigenkapital um bis zu einer Milliarde Euro zu stärken, wofür auch Staatshilfe in Anspruch genommen werden soll. Bis heute ist das allerdings nicht geschehen.
Pinkl: Wir haben Ende 2008 trotz allem eine Tier-1-Quote (sie bemisst das so genannte Kernkapital und steht für die Substanzkraft einer Bank, Anm.) von 7,5 Prozent erreicht, ohne einen Euro Staatsgeld. Aber für 2009 werden wir nicht umhinkönnen, an den Bund heranzutreten. Wir wollen das bis Anfang Februar finalisieren.
profil: Steht das Ausmaß der Staatshilfe fest?
Pinkl: Wir werden höchstwahrscheinlich den gesamten Betrag, also rund eine Milliarde Euro, beim Staat aufnehmen.
profil: Das wird ein kostspieliges Vergnügen. Die Republik verlangt über die gesamte Laufzeit zwischen acht und neun Prozent Zinsen per annum. Das wären in Ihrem Fall 80 bis 90 Millionen Euro jährlich. Da wird für die Aktionäre aus dem Volksbanken-Sektor nicht mehr viel Dividende übrig bleiben.
Pinkl: Wir stehen vor einer ordentlichen Anstrengung, da haben Sie Recht.
profil: Was sagen Sie zu Spekulationen, die Volksbanken-Gruppe könnte alsbald von Raiffeisen übernommen werden?
Pinkl: Sie sagen es, das sind reine Spekulationen. Ich halte wenig von einer Zusammenführung. Ich kann den weiteren strukturellen Veränderungen, die uns die Krise aufzwingt, zwar nicht vorgreifen. Aber ich bemühe mich mit aller Kraft, dass die Volksbanken auch weiterhin als eigenständiger Sektor operieren. Wenn wir getrennt am Markt unterwegs sind, ist das für den Wettbewerb und unsere Struktur besser.
profil: Aber was bedeutet es für den Volksbanken-Sektor, wenn das Spitzeninstitut in seinen Möglichkeiten auf Jahre derart limitiert ist?
Pinkl: Da fällt mir eine Redewendung ein: Wenn die Ebbe kommt, wird man sehen, wer keine Badehose trägt. 2009 haben wir diese Ebbe in jedem Fall. Mit unserer Kernkapitalquote von 7,5 Prozent würden wir wahrscheinlich auch mit 500 oder 700 Millionen Euro Staatshilfe durchkommen und entsprechend weniger Zinsaufwand einkalkulieren. Aber was passiert, wenn zum Beispiel die Märkte in Osteuropa Probleme machen? Wir brauchen jetzt eine solide Eigenkapitalausstattung, um das abzufangen. Aber ich gebe zu, dass wir das Geld, das wir in den kommenden Jahren verdienen, zu einem erheblichen Teil für die Bedienung des staatlichen Partizipationskapitals aufwenden werden müssen.
profil: Wie stehen Sie zu dem Vorhalt, dass die Finanzkrise nur dazu geführt habe, dass Vermögen von unten nach oben verteilt würden? Während also Gewinne in der Vergangenheit weitgehend privatisiert waren, werden Verluste nun verstaatlicht.
Pinkl: Soweit es den Volksbanken-Sektor betrifft, kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Weder haben wir auf den Kapitalmärkten gezockt, noch wurden bei uns jemals astronomische Gagen oder Gewinne ausbezahlt. Ich erinnere mich gut, dass bei unserer letzten Hauptversammlung einer unserer Kleinaktionäre aufgestanden ist und meinte, die Vorstandsgehälter in der Volksbank AG seien nicht marktkonform und sollten angehoben werden. Ich gestehe Ihnen aber zu, dass vor allem in den USA Dinge passiert sind, die absolut skandalös sind. Dass Hedgefonds-Manager oder Investmentbanker Bonuszahlungen von hunderten Millionen Dollar zulasten von Anlegern einstreifen, ist nicht zu tolerieren. Aber abgesehen davon: Wenn die Staaten die Finanzsektoren jetzt nicht absichern, würde das Wirtschaftssystem nachhaltig und auf Jahre beschädigt. Außerdem bekommen wir als Bank ja keine Geschenke. Das Geld des Staates muss zu sehr ordentlichen Konditionen zurückgezahlt werden. Wir reden hier also nicht von einem Verlustausgleich, der das Budget belastet, sondern vielmehr von einem Investment. Es entsteht eine Win-win-Situation, von der beide Seiten profitieren.
profil: Die Wirtschaft beklagt seit Wochen, dass die Banken bei der Kreditvergabe auf der Bremse stehen. Obwohl die Notenbanken die Zinsen fortwährend senken, scheinen die Banken nach wie vor nicht gewillt, Geld zu vertretbaren Konditionen zur Verfügung zu stellen.
Pinkl: Da gilt es, zweierlei zu berücksichtigen. Erstens ist die Vertrauenskrise noch immer nicht ausgestanden. Es ist auch für Banken nach wie vor schwierig, an billiges Geld zu gelangen. Zweitens spielt auch die Bonität der Schuldner eine große Rolle. In unserem Fall trifft es vor allem das großvolumige Projektgeschäft. Investoren werden sich derzeit zum Beispiel schwertun, bei uns Finanzierungen für Hotelanlagen in Kroatien zu bekommen. Und natürlich spielt auch das Bankenhilfspaket hier hinein. Wir müssen hohe Zinsen an den Staat abliefern, sollen gleichzeitig aber die Wirtschaft günstig finanzieren.
profil: Sie werden verstehen, dass ich darob jetzt nicht in Tränen ausbreche. Als Banker gehören Sie einem Berufsstand an, der nicht eben die höchsten Sympathiewerte hat.
Pinkl: Ich fürchte auch, dass unser Image unter dem Eindruck der internationalen Entwicklungen gelitten hat. Jetzt müssen wir das Vertrauen zurückgewinnen. Und das wird uns gelingen.
Interview: Michael Nikbakhsh
Fotos: Peter M. Mayr