Die Rückkehr der Rechten
Im Hauptquartier des BZÖ huldigte man am Wahlsonntag der neuen Bürgerlichkeit. Die Männer in feinem Tuch, die Damen im adretten Kostüm schlürften Spritzer Aperol aus langstieligen Gläsern. Ganz anders im Zelt der FPÖ. Dort ließ man auf Holztischen Heurigen-Veltliner und Mineralwasser reichen; und auch sonst ging es spartanisch-rustikal zu.
Zusammengenommen kamen FPÖ und BZÖ auf fast so viele Stimmen wie der angezählte Wahlsieger SPÖ. Das ist ein historischer Dammbruch. Zwar sind die Rechten zerstritten: Das BZÖ versteht sich als bürgerliche Alternative (Klubchef Peter Westenthaler), die FPÖ geriert sich als die heimattreue Variante der Sozialdemokratie. Trotzdem oder vielleicht genau deshalb ist das dritte Lager, nur drei Jahre nach seiner Spaltung, stärker denn je.
FPÖ die soziale Heimatpartei das sollte den kleinen Mann überzeugen, der in den Regierungsjahren davongelaufen war. Der Versuch, auf sozialem Terrain wieder Fuß zu fassen, wie es FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl formuliert, ist geglückt: Traditionelle rote Hochburgen verloren ebenso massiv an die Rechten wie seit Menschengedenken schwarze Landstriche.
Der Politologe Fritz Plasser schätzt das ausländerfeindliche und EU-kritische Wählerpotenzial auf konstante 25 bis 28 Prozent. Diese Marke konnte das dritte Lager überschreiten, weil es getrennt marschierte, sagt FPÖ-Klubobmann Herbert Scheibner. Schon 2006 rekrutierte sich die orange Wählerschaft zu einem Drittel aus ÖVP-Sympathisanten. Dieses Mal traf der Abfluss nach rechts die Volkspartei nochmals empfindlich. Bereits vor Wochen hatten ÖVP-Politiker entsetzt registriert, wie gut Haider und Strache in bürgerlichen Wiener Bezirken ankamen. Der steirische Spitzenkandidat Gerald Grosz berichtete von Bauern, die reihenweise Sympathie für das BZÖ bekundeten: Die sind wegen der EU-Agrarreform angespeist und geben der ÖVP die Schuld.
Die Rechnung der ÖVP im Jahr 2000, die Rechten durch Beteiligung an der Regierung niederzuringen, ging nur kurzfristig auf. Im April 2005 hatte sich das BZÖ von der FPÖ getrennt. Im Oktober 2005 schafften es weder das BZÖ noch die Freiheitlichen in den steirischen Landtag; kurz darauf jedoch errang die FPÖ bei den Wien-Wahlen mit 14,8 Prozent bereits einen Achtungserfolg. Bei den Nationalratswahlen 2006 schaffte die FPÖ schon recht locker elf Prozent; das BZÖ mühte sich mit Ach und Weh über die 4-Prozent-Hürde.
Populismus-Lücke. Jetzt haben beide Parteien zusammengenommen ihren Stimmenanteil fast verdoppelt. Der deklariert rechte Wiener Historiker Lothar Höbelt führt das auf die Dummheit der Regierenden zurück. Tatsächlich kommt eine tief sitzende Verunsicherung in der Bevölkerung dazu. Meinungsforscherin Imma Palme vom Ifes-Institut: SPÖ und ÖVP haben kein Konzept für die Globalisierung, in dieses Vakuum stößt die FPÖ. Der Wiener Soziologe Jörg Flecker nennt dies die Populismus-Lücke: Viele Menschen haben den Eindruck, den Verwerfungen in der Arbeitswelt hilflos ausgeliefert zu sein. Öffentlicher Dienst, Post, Bahn und Konzerne wie Siemens gelten nicht mehr als sichere Beschäftigungshochburgen. Das Vertrauen in das Pensions- und das Gesundheitssystem schwindet. Zuletzt kam die Finanzkrise in den USA dazu.
Der Sozialstaat gilt seit jeher als Privileg der Einheimischen, sagt Politikwissenschafter Bernhard Perchinig. An diese Tradition schließen FPÖ und BZÖ an, wenn sie Inländer gegen Ausländer ausspielen. Ich bin seit 20 Jahren Frontkämpferin bei Wahlen, sagt Innenministerin Maria Fekter (ÖVP), so etwas habe ich noch nicht erlebt: Von zehn Leuten sind neun mit dem Ausländerthema gekommen. Ähnliches berichtet der SPÖ-Altvordere Karl Blecha: Die Pensionisten ärgern sich über die Türken-Buben und wollten deshalb blau wählen. Die Strategie der ÖVP, mit Sicherheitsplakaten rechts zu überholen, ist nicht gelungen, ärgert sich der ÖVP-Abgeordnete Mitterlehner.
Längst nicht alle, die Haider oder Strache wählen, sind im engeren Sinn ausländerfeindlich. Oft steckten dahinter soziale Ängste, konstatiert Christoph Hofinger vom SORA-Institut. Während in Deutschland der Unmut Linkspopulisten Stimmen bringt, geht der Protest hierzulande nach rechts. Eine Erklärung dafür liefere die Nachkriegsgeschichte, so Perchinig: Lange Zeit galt bei uns der Kommunismus als das gefährlichere System, gegen das sich die Parteien abgrenzten. Die Beschäftigung mit den braunen Flecken kam später. Auf den Fall des Eisernen Vorhangs und die Einwanderungsströme nach der Balkan-Krise hatten die Parteien wenig Antworten. Der Effekt: 1999 lagen die Blauen bei den Nationalratswahlen vor der ÖVP; ab Februar 2000 saßen sie auf der Regierungsbank.
Verraten und verkauft. Bis dahin hatten sich viele FPÖ-Wähler bei Umfragen nur widerwillig bekannt, seit der schwarz-blauen Wende gilt es nicht mehr als ungehörig, blau zu wählen. Nach dem jüngsten Wahlerfolg steigt der Druck auf die Freiheitlichen, mit dem BZÖ gemeinsam zu marschieren. Noch stemmen sich die Blauen dagegen. Die haben uns verraten, die Gesinnung verkauft und uns mit Schulden zurückgelassen, wettert der freiheitliche Abgeordnete Martin Graf. Auch bei den Orangen glauben nur wenige an eine baldige Versöhnung. Offen gestanden, halte ich eine Dreierkoalition, wo wir und die Grünen vertreten sind, für machbarer als eine, in der wir mit der FPÖ arbeiten müssen, sagt BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler.
Die kleinen Funktionäre sehen das deutlich entspannter. Bei Veranstaltungen höre ich oft: Schade, dass ihr nicht mehr zusammen seid, erzählt BZÖ-Abgeordneter Scheibner. Das BZÖ verfügt nur in Kärnten über eine schlagkräftige Organisation; den Freiheitlichen wiederum fehlt ein Vorzeigebundesland wie Kärnten. Die orange Mannschaft würde gerne regieren; bei den Freiheitlichen ist die Stimmung gemischt: Einige würden es vorziehen, den Erfolg in der Opposition auszukosten. Nur ein handverlesener Kreis von Rechtsanwälten, Notaren und Ärzten drängt zu Koalitionsverhandlungen. Bisher stand ihnen Strache im Weg vielleicht nicht mehr lange. Noch am Wahlsonntag weichte er sein eisernes Nein zu einer Dreierkoalition mit dem BZÖ auf. Zwar sei ihm ein Polit-Duett mit der SPÖ lieber. Aber, so Strache: Unregierbarkeit darf es nicht geben.
Von Edith Meinhart und Ulla Schmid