Après Mai: Jugend im Widerstand
Was geschah in den Jahren nach 1968, nach den Revolten, in Frankreich? Die wilde Zeit war so wild nicht, wie es der deutsche Verleih gerne hätte, denn dieser Film heißt im Original bloß Après Mai, ganz sachlich also: nach dem Mai. Das soll nicht heißen, dass nicht mehr gekämpft wurde: Mit einer Studentendemo des Jahres 1971 beginnt Olivier Assayas kluger neuer Film, mit einer brutalen Konfrontation zwischen Demonstranten und Polizei.
Jugend im Widerstand: Man druckt Flugblätter und debattiert bei Joints und Rotwein bis in den Morgen über ideologische Detailfragen, träumt die vorfabrizierte Utopie von einer anderen Gesellschaft. So verabschieden sich Gilles und Alain (Clément Métayer, Felix Armand) von ihrer Kindheit, als antibourgeoise Agitatoren, die über Mao und die Kunst referieren und den Kampf gegen das Kapital aufnehmen, mit allen verfügbaren Mitteln.
Vieles bleibt Rhetorik: Man kokettiert mit einer Anarchie, von der man ahnt, dass man in ihr nicht leben können (und wollen) würde. Und man fasst terroristische Aktionen ins Auge ohne konkretes Bewusstsein dafür, was sie tatsächlich bedeuten könnten. Die Figur des Gilles basiert auf den Erinnerungen des Regisseurs an die Jahre seiner Jugend. Auch Assayas studierte erst Malerei, ehe er zum Kino kam. Sentimentalität gönnt er sich nicht: In seiner unaufgeregten Form gerät der Film eigentümlich kühl, fast distanziert. Was auch am reduzierten Schauspiel liegen mag, mit dem die Laiendarsteller hier ans Werk gehen.
Assayas lotet ein Lebensgefühl aus, die Befindlichkeit einer Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit, an einem bestimmten Ort, aber auch die himmelweite Kluft, die sich zur adoleszenten Gegenwartskultur hin auftut: Nachrichten aus einer Zeit, die ihrer Jugend auch zu viel zugemutet hat Après Mai ist die Studie eines Taumelns am schmalen Grat zwischen juveniler Radikalität und den faulen Kompromissen des Erwachsenenlebens.