Ein unwiderstehliches Paar
Barack Obama und Hillary Clinton zerfleischen einander, und während die beiden demokratischen Präsidentschaftskandidaten sich gegenseitig Schaden zufügen, lacht sich der Republikaner John McCain ins Fäustchen. So wurde durch Wochen hindurch landauf, landab der Stand der Vorwahlen in den USA kommentiert. Nun ist es so gut wie sicher, dass der schwarze Senator aus Illinois antreten wird. Wenn nicht noch etwas unvorhersehbar Gravierendes passiert, wird die ehemalige First Lady im Laufe der kommenden Wochen ihre Niederlage akzeptieren und sich aus dem Rennen zurückziehen. Es ist Zeit zu überprüfen, ob sich tatsächlich die Demokraten in den Primaries so entzaubert haben, dass der alte Haudegen McCain als Favorit in die Präsidentenwahlen geht.
Haben wir da ein demokratisches Gemetzel erlebt? Aus einiger Distanz betrachtet, muss man sagen: Mit der Hacke sind die beiden nicht aufeinander losgegangen. Eher mit dem Florett. Die vielfach beklagten rassistischen Ausrutscher des Clinton-Lagers erweisen sich als ausgesprochen harmlos: Da sagte Hillary einmal, dass erst die Regierung von Lyndon B. Johnson die Visionen des Bürgerrechtskämpfers Martin Luther King in die Tat umgesetzt hatte, was als Herabsetzung des Helden der Afroamerikaner interpretiert wurde. Auch die einfache (und zutreffende) Bemerkung, Obama komme bei weißen Unterschichtmännern nicht so gut an, wurde im Feuer des Gefechts als rassistische Äußerung aufgefasst. Frauenfeindliche Ausrutscher des Obama-Wahlkampfes gegen Hillary Clinton sind nicht bekannt. Das schwerste Vergehen in diesem Kontext war, dass Obama vor einer Debatte seiner Kontrahentin den Stuhl zurechtrückte. Das war der Höhepunkt des Sexismus. Dabei spielte beim Absacken der einstigen unvermeidlichen Kandidatin sicher ihr Frausein eine Rolle: Gerade was bei Männern als politische Tugend honoriert wird, Ehrgeiz, Durchhaltevermögen, Bestimmtheit, macht eine Politikerin nach wie vor unsympathisch. Dafür konnte Obama jedoch nichts.
Die Untergriffe hielten sich beim bisherigen Wahlkampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur durchaus im kleinen Rahmen. Die Auseinandersetzung zwischen Hillary Clinton und Barack Obama wird höchst zivilisiert und niveauvoll geführt: Ein Vergleich mit europäischen Wahlkämpfen macht einen sicher. Auch empirisch ist die landläufige Analyse, wonach der lange Vorwahlkampf die Demokraten schwer beschädigt habe, nicht haltbar. Die beiden Demokraten haben sich nicht nur nicht zerfleischt McCain hat auch nichts zu lachen. Im direkten Vergleich mit McCain hat Obama eindeutig die Nase vorn. Das ergeben mehrere Umfragen. Schon möglich, dass er Schwierigkeiten hat, bei den frustrierten alten weißen Arbeitern und in ländlichen Gebieten zu punkten. Aber allein schon dass das Problem des afroamerikanischen Kandidaten darin liegt, als Mitglied der abgehobenen Schickimickigesellschaft identifiziert zu werden und nicht als gefährlicher Schwarzer, der von unten die Herrschaft der Weißen infrage stellt, zeigt, wie sich trotz aller nach wie vor bestehenden Diskriminierung die Rassenbeziehungen im Land positiv entwickelt haben. Als Ergänzung zu diesem erfreulichen Paradox mag die seltsame Tatsache gelten, dass die elegante ehemalige First Lady aus bürgerlicher Familie und Absolventin der besten amerikanischen Eliteschulen geradezu als Heldin des amerikanischen Proletariats gefeiert wird. Die mangelnde Erdung des angeblich elitären Obama muss freilich sein Problem nicht bleiben. Er kann immerhin darauf verweisen, dass er bei einer allein erziehenden Mutter aufwuchs, die gelegentlich Sozialhilfe in Anspruch nehmen musste. Vergangene Woche hat zudem der ehemalige Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten, John Edwards, spektakulär seine Unterstützung für Obama angekündigt. Edwards ist jener demokratische Prätendent, der in den Vorwahlen dieses Jahres noch konsequenter als Frau Clinton die hart arbeitenden weißen Arbeiter angesprochen hat. Auch dass die Stahlarbeitergewerkschaft vor wenigen Tagen ins Obama-Lager wechselte, kann da als positives Zeichen gewertet werden.
Noch eines: Dienstag vergangener Woche gab es in Mississippi eine Nachwahl für einen Sitz im Repräsentantenhaus, in einem Wahlkreis, der bislang als sichere Bastion der Republikaner galt. Diese versuchten, das Südstaaten-Elektorat zu schrecken: Sie rückten in ihrer Kampagne den demokratischen Kandidaten in die Nähe von Barack Obama.
Ihr Kalkül ging freilich nicht auf. Die Schwarzen ließen sich dadurch erst recht mobilisieren, gingen scharenweise zu den Urnen, um für den Demokraten zu stimmen. Und die Weißen ließen sich nicht abschrecken. Der demokratische Kandidat triumphierte. Schließlich hält Obama noch einen potenziellen Trumpf in der Hand: Hillary Clinton als Vizepräsidentin. Ob sie will, weiß man nicht. Wenn sie aber will, dann würde sich Obama dem nicht verschließen können. Der Druck auf ihn, mit ihr als dream team gegen McCain ins Rennen zu ziehen, wäre unwiderstehlich. Und würde beide demokratischen Milieus da die weiße Arbeiterklasse, die Latinos und die älteren Frauen, dort die gebildeten urbanen Schichten, die Schwarzen und die Jungen: zwei Milieus, die sich im Zuge der Vorwahlen auseinanderentwickelt haben wieder zusammenführen. Eine solche demokratische Traumkombination wäre wohl kaum schlagbar.