Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Wer klopfet an?

Wer klopfet an?

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Wer klopfet an? Oh zwei gar arme Leut! Was wollt ihr dann? Wir suchen Herberg heut … Sicher fand landauf, landab wieder das Herbergsuchen statt in den vergangenen Wochen vor Weihnachten. Als Krippenspiel, in den Schulen oder in den Pfarren, vor gerührten Eltern. Das hat Tradition. Christlichen Kindern wird solcherart beigebracht, wie sträflich hartherzig die Menschen waren, damals, vor zweitausend Jahren, als das liebe Jesulein in einem Stall zur Welt kommen musste, weil niemand der schwangeren Maria und ihrem Mann Quartier geben wollte.

Später lernen die Herangewachsenen dann, dass die Story historisch so nicht belegt ist, aber trotzdem geben sie sie in der Regel an ihre eigenen Sprösslinge weiter, plus den üblichen Ermahnungen: Nicht egoistisch sein, nicht über die Not der anderen hinwegsehen, Barmherzigkeit üben!
Als Politiker und Politikerinnen vergattern sie gern gar die ganze Nation per Weihnachtsbotschaften zur Nächstenliebe und distanzieren sich mit mehr oder weniger salbungsvollen Worten von Selbstsucht und Materialismus.

Alle, alle, so scheint es, würden sie der gebärenden Maria mindestens ihr eigenes Bett zur Verfügung stellen. Alle, alle haben sie ein Herz für arme Leut. Nur dass die armen Leut heutzutage Wirtschaftsflüchtlinge heißen, und da schaut die Sache plötzlich anders aus. Dabei müssten sie – müssten wir – die Wirtschaftsflüchtlinge oder deren Kinder gar nicht in unsere eigenen Häuser, Wohnungen, Betten lassen, sondern nur im Land, wo sie sich unter Umständen schon nützlich gemacht haben und daheim fühlen.
Ja, Arigona. Und eine ganze Reihe ähnlich gelagerter Fälle. Kinder, die das Leben hier abgeworfen hat und an denen jetzt stur Exempel statuiert werden. Aber! Der Zuzug gehört geregelt! Hat niemand was dagegen. Nur heißt geregelter Zuzug nicht zwangsläufig erbarmungsloses Verstoßen von jungen Menschen, womöglich von solchen, die mittlerweile den größeren Teil ihres bisherigen Lebens in Österreich verbracht haben und hier so verwurzelt sind wie unsere eigenen Kinder.

Mag sein, dass ihre Väter wissentlich gegen unsere Auflagen verstoßen haben, als sie ihre Familien herbrachten – können die Kinder was dafür? Was ist gewonnen, wenn wir ein paar arme Gschrappen in einem ungarischen Auffanglager dunsten lassen, während ihre (kranke) Mutter und ihre Schwester hier sitzen, allerdings ebenfalls von einem höchst ungewissen Schicksal bedroht? Wie bringen es denn die Damen und Herren christlichen Politiker fertig, das wüsste ich einmal gern, feiertags in der Kirche fromm das liebe Jesulein für sich zu vereinnahmen, das obdachlose Kindlein in der Krippe, und dann, wie beispielsweise unsere Frau Innenministerin, über die Rehleinaugen der jugendlichen Immigrantin zu spotten, von denen man sich nicht erpressen lassen dürfe? Nochmals: Es geht nicht um schrankenlose Zuwanderung, sondern darum, wenigstens in Ausnahmefällen der Humanität den Vorrang einzuräumen vor grundsätzlichen Überlegungen.

Mit schrankenloser Zuwanderung würden wir nicht fertig, das ist schon klar. Kein Grund allerdings, sich achselzuckend, selbstzufrieden zurückzulehnen, stolz auf unseren Wohlstand – der auch in Krisenzeiten immer noch beachtlich ist –, weil wir ihn schließlich, so die Legende, selber geschaffen haben, mit unserem vorbildlichen Fleiß und unserem außergewöhnlichen Einsatz. (So oder ähnlich lese ich es immer in den LeserInnenzuschriften, die stets eintrudeln, wenn das Thema Migration angeschnitten wird.) Könnten wir bitte auf dem Teppich bleiben? Auch anderswo wird gearbeitet, häufig unter härteren Bedingungen als bei uns. Die Armen sind nicht arm, weil sie sich trotzig gegen alle Chancen auf ein besseres Leben entschieden haben, die Unterdrückten und Ausgebeuteten sind nicht unterdrückt und ausgebeutet, weil sie bei der Schicksalzuteilung heftig dafür votiert haben, auf der Schattenseite zu landen. Tatsache ist: Dass es uns vergleichsweise gut geht, hängt ursächlich auch damit zusammen, dass es vielen anderen in weiten Teilen der Welt schlecht geht. Die reichen Länder profitieren von den Rohstoffen der armen, von deren allzu billiger Arbeitskraft, von politischen Verhältnissen, die erbarmungslosen Wirtschaftsimperien zuarbeiten beziehungsweise von diesen gestützt werden im Interesse einseitiger Profitmaximierung. Kurzum, wir verdanken unseren Wohlstand auch und nicht zuletzt einem eklatanten Mangel an Verteilungsgerechtigkeit, der nichts zu tun hat mit unserem angeblich speziellen Fleiß.

Dass wir um unseren Wohlstand bangen und ihn nicht aufgeben wollen, ist verständlich und auch moralisch vertretbar. Wir haben alle nur ein Leben, es nicht in Not und Elend verbringen zu wollen ist legitim. Allerdings nicht nur für uns. Deswegen sollten wir zumindest Verständnis aufbringen für alle, die Not und Elend entkommen wollen, statt ihnen empört unrechtmäßige Bereicherungsabsichten nachzusagen. Wenigstens leidtun sollte es uns, dass wir das Zuwandern beschränken müssen. Und, ja, nachdenken sollten wir, was passieren muss, damit die so genannten Wirtschaftsflüchtlinge beruhigt daheimbleiben können, was ihnen sicher sehr viel lieber wäre, als verzweifelt in der Welt umherzuirren.

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